Informationsquellen über Optical Design

  • Liebes Forum,

    Kennt jemand von euch gute (vorzugsweise deutschsprachige) Informationsquellen zum Thema "Optical Design"/"Optical Engineering", d.h. den Entwurf von optischen Geräten (insbesondere Abbildungs-Optiken).

    Im englischsprachigen Buch "Field Guide to Lens Design" steht sehr treffend: "Much of the lens design process remains encapsulated in the experience and knowledge of industry veterans".

    Bei der Internet-Suche (u.a. mit Google) finde ich häufig sehr mathematische Informationen, welche für mich oft schwer verständlich sind.

    Dankbar wäre ich für empirische Informationen zum Vorgehen beim Lens Design z.B. mit den Programmen Zemax, OSLO oder WinLens.

    Mir ist bewusst, dass dies ein weites und schwieriges Thema ist.

    Über gute Bücher und Zeitschriften-Artikel wäre ich mindestens ebenso dankbar wie für Internetseiten. Falls jemand gute englischsprachige Informationsquellen kennt, wäre dies natürlich ebenfalls interessant.

  • Wenn du dich auf deutschsprachige Quellen beschränkst, dann wird dir 90% entgehen.


    Ich werfe einfach mal ein paar interessante Quellen in den Raum:

    Uwe Laux: Astrooptik (deutsch)

    Harrie Rutten, Martin van Venrooij: Telescope Optics (englisch)

    Daniel J. Schroeder: Astronomical Optics (englisch)


    https://www.telescope-optics.net/


    Es gibt aber noch viel, viel mehr.


    Gruß

    Michael

  • Moin Zauderkünstler,

    es kommt natürlich darauf an, auf welchem Niveau man "optical design" betreiben möchte.


    Schon bei den Grundzügen kommt man nicht um ein mathematisch-geometrisches Grundverständnis herum. Das fängt an bei der einfachen Abbildungsgleichung für (sogenannte dünne) Linsen. Das ist die Basis der geometrischen Optik, wie Strahlengänge aufgebaut sind und die für Spiegeloptiken natürlich auch gelten. Die nächste Stufe ist, wenn man für Linsen den Brechungsindex mit einbaut und Linsen eine "Dicke" kriegen, man sich also um den Strahlengang auch in der Linse kümmern muss. Das vervielfältigt sich dann, wenn man farbspezifische Brechungsindizes hinzu nimmt. Und damit landet man dann bei Optikberechnungen, die bis zur Einführung von Computern Standard waren. Auch wenn man wellentheoretische Effekte durchaus kannte, so lassen die sich ohne Computer nur sehr aufwändig berechnen. Heutzutage geht aber ohne Wellenfrontberechnung eigentlich nichts mehr.


    Zur klassischen Beschreibung von Abbildungssystemen gehören natürlich Seidel-Koeffizienten (Seidel'sche Bildfehler) und die Zernike-Koeffizienten und die Beschreibungskomponenten für Linsen mit den Abbezahlen. Ganz ohne Mathe (im Sinne von "Rechnen") geht da leider nicht viel.


    Die Krönung sind dann Laseroptiken, Röntgenoptiken oder Materiewellen (z.B. Elekronenmikroskop), wo man sich dann mit Elektrodynamik (Maxwell-Theorie) und Quantenphysik beschäftigen muss.

    Das ist dann Stoff für ein Physik-Studium. Das Standardwerk schlechthin hier ist von

    Max Born, Emil Wolf: Principles of Optics (Original in Englisch)


    Zum Design von Optiken gehört auch das Testen. Ein Standardwerk zu diesem Thema ist von
    Daniel Malacara: Optical Shop Testing


    Einen deutschsprachigen Einstieg in die Optik liefert z.B. das Vorlesungsskrip von

    Othmar Marti (Uni Ulm): Vorlesungsskrip PHYS2110 - Grundlagen der Physik IIIa

  • Hallo Kalle,


    Vielen Dank für deine Antwort und deine Hinweise. Besonders interessant fand ich auch deinen Verweis auf das Testen.


    Mir ist bewusst, dass letztlich die Mathematik für die genaue Beschreibung optischer Systeme unverzichtbar ist.

    Vielleicht kennt aber der ein oder andere Bücher wie "Elektronik ohne Ballast", welches versucht die Grundidee von Schaltungen zu vermitteln und die Dimensionierung anhand von Überschlags-Rechnungen durchführt. Das reicht für erstaunlich viele Schaltungen (bei denen es nicht auf Sicherheit oder Zuverlässigkeit ankommt) bereits aus.

    Inwiefern dieser Ansatz für Optiken auch möglich ist, weiß ich nicht. Mein Gefühl ist, dass man zur Abbildung eines scharfen Bildes schon sehr genau rechnen muss.

  • Also jenseits von Sphären als Oberflächen für die Linsen und Spiegel wird es immer "mathematisch".


    Mein Tipp wäre:

    Google mal nach den Seidel'schen Bildfehler. Das ist noch Mathematik ohne PC und da kann man schon einigermaßen als Hobbyastronomen "mitreden".


    Und unterscheide zwischen Linsenoptiken und Spiegeloptiken. Das von Michael oben erwähnte Buch von Rutten, Venrooij, Telescope Optics, handelt meines Wissens zu einem großen Teil über Spiegeloptiken. Wenn du ein Fotoobjektiv oder Kinoprojektor designen willst, wärst du da an der falschen Adresse.


    Gerade bei Großteleskopen kommen noch Erwägungen hinzu, die im Optikdesign selbst regelmäßig zu kurz kommen. Es ist kein Zufall, dass man keine Linsenteleskope jenseits der Metermarke gebaut hat. Solche Linsen hätten ein Problem mit ihrem Eigengewicht, während man Spiegel auf der Rückseite noch stützen kann.

    Und die heutigen Profiteleskope stabilisieren das Bild inzwischen alle durch aktive und adaptive Optik, wo man mind. einen Spiegel im Strahlengang laufend deformiert um Justierfehler bzw. Luftunruhe auszugleichen. Grundlage dieser Deformation sind Messmethoden die auf J. Hartmann zurück gehen. Der schrieb schon 1904 über "Objektivuntersuchungen" in der "Zeitschrift für Instrumentenkunde".

  • Hallo Zauderkünstler,


    gib uns doch ein paar Informationen zu deiner Interessenslage.

    Warum interessiert dich das Optikdesign?

    Willst du selbst Optiken entwerfen und herstellen, oder bestehende Optiken in Ihren Eigenschaften untersuchen?


    LG,


    Guntram

  • Hi Zauderkünstler,


    ich versuch's jetzt mal anders, damit du selbst für Dich mal überprüfen kannst, wie gut Dein Optikverständnis ist.


    Hier die Formel zur Abbildung an dünnen Linsen (siehe auch Wikipedia - Optische Abbildung)


    1/q + 1/b = 1/f


    mit q = Gegenstandsweite (Entfernung Licht-Quelle zur Linsenmitte)

    mit b = Bildweite (Entfernung der Abbildung zur Linsenmitte)

    mit f = Brennweite (Fokus).

    Eine Übungsaufgabe:
    Berechne an einem Teleskop mit f = 1000 mm Brennweite, um wieviel Millimeter der Fokus** rauswandert (Stellweg s am Okularauszug), wenn man anstelle des Mondes einen Kirchturm in 200 Meter Entfernung scharfstellt.
    Lösungstipp: Um s zu berechnen, muss man erst bm für den Mond (q = ∞) ermitteln, dann bK für den Kirchturm und errechnet dann
    s = bk - bm.


    Kontrollfragen:

    Kann an einem Teleskop b kleiner als f werden?

    (Die Frage ist gemein, läuft darauf hinaus, dass man den Hauptspiegel als Rasierspiegel missbraucht.)


    Warum werden Okularauszüge so verbaut, dass man auch eine Scharfstell-Reserve (s < 0) hat?
    Hier ein Erklärungsbild, wie verschiedene Okulare in ein Okularauszug gesteckt werden:




    ** Fokus heißt Brennpunkt. Nur der Begriff Brennweite (engl. focal length) ist eine Eigenschaft der Linse, während der Fokus (focal point) Ergebnis der Abbildung gemäß obiger Gleichung ist.

  • Zitat von Zauderkünstler

    […] Vielleicht kennt aber der ein oder andere Bücher wie "Elektronik ohne Ballast", welches versucht die Grundidee von Schaltungen zu vermitteln und die Dimensionierung anhand von Überschlags-Rechnungen durchführt. […]

    Hallo Zauderkünstler,


    willkommen im Forum. Zufälligerweise kenne ich das Buch „Elektronik ohne Ballast“ der ganz frühen ersten Auflagen. Ich meine zu ahnen, worauf es hinausläuft. Ich gehe davon aus, daß es um Optiken für die Amateurastronomie geht und nicht um eine Kickoffveranstaltung für ein Studium zum Diplom-Optiker.


    Ich habe eine ungewöhnliche Literaturempfehlung, die nur noch antiquarisch zu erhalten ist.


    Das Fernrohr für Jedermann. Hans Rohr, Orell Füssli Verlag, 5. Auflage, 1972


    Du zitierst eingangs "Much of the lens design process remains encapsulated in the experience and knowledge of industry veterans" . Das ist ein Aspekt, der im Buch von Hans Rohr durchklingt. Er, beziehungsweise sein Co-Autor Ing. H. Ziegler, beschreiben verständnisvoll den Selbstschliff eines Newton-Spiegels und zeigen wichtige Aspekte einer Montierung auf, ohne die das beste Teleskop nichts taugt. Nach Lektüre des wie Unterhaltungsliteratur zu lesenden Buches kann man spüren, dass alles was über den Selbstschliff eines Spiegels hinausgeht, Menschen vorbehalten bleibt, die Optikdesign von der Pike auf gelernt oder studiert haben. Es ist gut zu wissen, worauf es hinausläuft, dass man Funktionsprinzipen von Optiken einschätzen kann, die man selbst gerne einsetzen möchte. Ein Selbststudium über die Zeit hinweg ist ohne Frage auch ein Weg. Es wird schwierig, wenn da niemand ist, der das Gefühl für das richtige Design vermittelt. Ein jahrelanger Erfahrungsprozess. Das Buch vermittelt meines Erachtens sympathisch die Gespürthematik in der Optik.


    Darauf aufsetzend


    Das Handbuch für Sternfreunde. G.D.Roth, Springer Verlag, 2 Bände, 1989


    Informativ, Hochwertig, macht sich zum Lebensabend hin wunderbar im Regal. Ein must-have.


    Darüberhinaus übergebe ich an die Empfehlungen meiner Vorredner.

  • Hallo,

    ein paar Anmerkungen:

    1) Finger weg von Winlens - wenn die Linsen/Spiegel größer und/oder Aspären verwendet werden ist das nix. Hübsch bunt heisst nicht automatisch richtig.

    2) Zemax ist nur kostenpflichtig erhältlich, es gibt nur eine kurze Probezeit, dann muss man kaufen. Software für alle, die nur mal spielen wollen (auch auf hohem Niveau) ist deshalb praktisch immer OSLO.

    Literatur bezieht sich fast immer auf Zemax. Die Unterschiede muss man sich herausarbeiten, das nimmt einem keiner ab.


    Ein Beispiel für ein Buch, das genau das ist was Du willst: Practical Computer Aided Lens Design. von Gregory Hallock Smith. Das ist praktisch ein Vorlesungsskript über eine Einführung in die Grundlagen mit Übungen.

    Ausserdem lesenswert: Telescopes Eyepieces Astrographs von Gregory Hallock Smith/Roger Geragioli/Richard Berry.

    Von den anderen hier genannten Büchern würde ich nur Harrie Rutten /Martin van Venroji Telescope Optics empfehlen. Der Rest ist überholt und trägt nur zur Verwirrung bei.

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