Quasargalaxien

  • Hallo zusammen,


    da diese Woche in meinem Heimatlandkreis die Ausgangssperre aufgehoben wurde und zum ersten Mal seit Beginn der zweiten Ausgangssperre klarer Himmel war, musste ich unbedingt mal wieder einen dunklen Standort aufsuchen. Auf 48° N gibt es zum Glück um die Jahreszeit noch wenige Stunden dunklen Himmel pro Nacht.


    Ende März beobachtete ich die Galaxie UGC 8058 (Markarian 231), die in manchen Quellen als Quasar bezeichnet wird, aber um einen stellaren Kern herum einen schwachen diffusen Galaxiebereich hat, der zumindest mit 20" (wahrscheinlich auch mit weniger Öffnung) visuell beobachtbar ist.

    Dies brachte mich dazu zu recherchieren, was ein Quasar wirklich ist und ob es tatsächlich Quasare gibt, deren Heimatgalaxien man visuell beobachten kann. Bisher waren Quasare für mich sehr weit entfernte Lichtpunkte, die ihre Heimatgalaxien deutlich überstrahlen.


    Dabei stieß ich auf den Catalogue of of Quasars and Active Nuclei von M.-P. Véron-Cetty und P. Véron, 13. Ed., Astronomy & Astrophysics 518, A10 (2010), in dem ein Quasar folgendermaßen definiert ist:


    Stellares Objekt oder Objekt mit stellarem Kern
    mit breiten Emissionslinien
    und mit absoluter Blauhelligkeit heller als -22.25 Mag.


    In früheren Versionen dieses Katalogs war eine absolute Blauhelligkeit von -23 Mag als Grenze angegeben. Damals wurde eine Hubble-Konstante von 50 km/s/MPc zur Berechnung von Entfernungen herangezogen. In der Version von 2010 wurde 71 km/s/MPc verwendet, entsprechend wurde die Grenzhelligkeit um 0.75 Mag angepasst. Sicher ist diese Grenze willkürlich gewählt. Was schwächer ist, wird dann als Seyfert 1, Seyfert 2 oder Liner-Galaxie katalogisiert.


    https://www.aanda.org/articles…a14188-10/aa14188-10.html


    http://cdsarc.u-strasbg.fr/viz-bin/qcat?J/A+A/518/A10


    Die Autoren schreiben, dass die Klassifikation manchmal unklar ist, weil die Kataloghelligkeiten manchmal ungenau sind oder die tatsächlichen Helligkeiten variabel sein können. In manchen Fällen werden im Katalog Rothelligkeiten oder visuelle Helligkeiten angegeben. I.d.R. sind die Blauhelligkeiten dieser Objekte schwächer, so dass mir die Klassifikation als Quasar auch im Hinblick auf derzeit in Simbad angegebene Werte nicht immer nachvollziehbar erscheint. Aber dieser Katalog ist eine beeindruckende Liste solcher physikalisch eindrucksvollen Objekte und es lohnt sich, Objekte daraus zu beobachten. Darunter gibt es in der Tat Quasare, deren Heimatgalaxien visuell beobachtbar sind, auch wenn diese Klassifikation in manchen Fällen überraschend ist.


    Übrigens, Markarian 231 wird von den Autoren als Seyfert 1 - Galaxie, nicht als Quasar gelistet. Die absolute Blauhelligkeit ist knapp unter deren Limit.



    Eine Auswahl dieser Objekte beobachtete ich neulich:



    PGC 54701 (UMi, 15.4 bmag, 0.9' x 0.6', E-Galaxie, 620 Mio Lj.)


    Diese Galaxie im Sternbild Ursa Minor ist im Catalogue of Quasars and Active Nuclei von M.-P. Véron-Cetty und P. Véron (13. Ed., 2010) als Quasar gelistet.
    Laut den Daten, die man auf Simbad findet, erfüllt es aber mit einer Blauhelligkeit von 15.7 mag nicht die Quasar-Kriterien dieses Kataloges. Die Einstufung basierte wohl auf der visuellen Helligkeit von 13.9 mag. In dem Katalog wird die Galaxie als MCG+11-19-005 gelistet, aber auf Simbad als MCG+11-19-006. Die absolute Blauhelligkeit beträgt gemäß Angaben aus Simbad -21.2 Mag, demnach wäre die Galaxie eigentlich etwa 1 mag schwächer als die Quasargrenze und als Seyfert-Galaxie einzuordnen.


    Im 20“ Dobson bei 419x Vergrößerung elongierte strukturlose Galaxie mit einem stellaren aktiven Kern.


    PGC 54699 (UMi, 15.8 bmag, 0.7' x 0.4', Sb-Galaxie, 620 Mio Lj.)


    Hierbei handelt es sich um eine Begleitgalaxie von PGC 54701. Im 20“ Dobson bei 419x Vergrößerung Elongierter diffuser strukturloser Fleck ohne erkennbaren Kern.





    NGC 6166 (Her, 11.8 mag, 2.1' x 1.5', E-Galaxie, 410 Mio. Lj.)


    Diese große leuchtkräftige elliptische Galaxie ist die hellste Galaxie im Galaxienhaufen Abell 2199 im Sternbild Hercules. Im Catalogue of Quasars and Active Nuclei ist sie als Quasar aufgelistet. Ja tatsächlich, ein NGC-Objekt! Ihre absolute Blauhelligkeit beträgt laut den Daten aus Simbad -22.7 Mag. Und tatsächlich, in Simbad wird sie als Quasar bezeichnet (auch 3C 338 genannt). Damit ist diese Galaxie ein Beispiel für einen Quasar, dessen Heimatgalaxie einfach visuell beobachtbar ist.


    Im 20“ Dobson bei 419x Vergrößerung sieht die Galaxie recht groß und elongiert aus mit einem diffus auslaufenden Rand. Im Zentrum wirkte sie gemottelt, phasenweise meinte ich eine stellare Aufhellung erkennen zu können. Eine sehr beeindruckende Erscheinung, wenn man überlegt, wie leuchtkräftig diese Galaxie ist. Allerdings anders als ein Quasar mit einem Kern, der seine Heimatgalaxie deutlich überstrahlt.


    Es lohnt sich sehr, die Umgebung dieser Galaxie, also den Galaxienhaufen Abell 2199, anzuschauen. Innerhalb eines Kreises mit etwa 15‘ Durchmesser um NGC 6166 sah ich im 20“-Dobson insgesamt 20 Galaxien. Sie haben alle außer NGC 6166 keine NGC-Nummern und sind 15 bmag und schwächer. Hervorzuheben sind dabei PGC 58261 und PGC 58263, die nah an NGC 6166 liegen. Letztere als sehr schwacher kleiner Fleck, der ab und zu aufblitzte. Etwa 5‘ südlich von NGC 6166 das Trio aus PGC 58276, 58277, 58278. Auf der westlichen Seite von NGC 6166 die relativ großen Galaxien PGC 58255 und 58212. Darüber hinaus PGC 58245, 58262, 58275, 58274, 58299, 58294, 58272, 58232, 5823, 58279, 58220, 86299. Wen man sich noch mehr Zeit nimmt und noch weiter weg von NGC 6166 schaut, sieht man eine Vielzahl weiterer Galaxien.




    PGC 100408 (Lyr, 14.9 bmag, 0.6' x 0.4', Sb-Galaxie, 850 Mio. Lj.)


    Diese Spiralgalaxie im südlichen Bereich des Sternbilds Lyra ist ist im Catalogue of Quasars and Active Nuclei als Quasar gelistet. Laut Hyperleda beträgt die Blauhelligkeit 14.9 mag und mit der Entfernung ergibt sich absolut -22.4 Mag.


    Im 20“ Dobson bei 419x Vergrößerung sah ich einen homogenen elongierten Fleck mit einem stellaren Kern, bei dem es sich um einen aktiven Galaxienkern handelt, hell genug um die Galaxie gemäß der Definition aus dem Katalog als Quasar zu klassifizieren. Sehr beeindruckend, dass man so etwas visuell beobachten kann.



    Übrigens ein ziemlich hilfreiches Tool zum Berechnen von Entfernungen und absoluten Helligkeiten aus Rotverschiebung und scheinbaren Helligkeiten ist der Extragalactic Cosmological Calculator von Rudy Kokich unten auf dieser Seite:

    https://www.cloudynights.com/a…-recession-velocity-r3213



    Clear skies


    Robin

  • Hallo Robin,


    da kann ich Johannes nur zustimmen, finde ich auch sehr interessant ! Und toll, was du um die Riesengalaxie NGC 6166 herum alles noch an weiteren Galaxien im 20-Zöller herausgekitzelt hast 8) .


    In dieser Hinsicht auch interessant ist die 12,5 mag helle Galaxie NGC 6146 im benachbarten Galaxienhaufen Abell 2197, die einen integrierten Blazar vorzuweisen hat. Vor zwei Jahren war ich in beiden Galaxienhaufen mit dem 9,5" Fünfling unterwegs, bei tollem Himmel hoch oben im Kaunertal: " M13 war mein Startpunkt für die Suche nach zwei etwa 400 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxienhaufen, einige Grad nordwestlich gelegen: Sofort fiel im Haufen Abell 2199 die 11,8 mag helle Riesenellipse NGC 6166 ins Auge ... NGC 6146 hat einen sehr hellen, konzentrierten Kern, und wird auch als Blazar geführt; knapp nordöstlich konnte ich indirekt noch die 14 mag helle Galaxie NGC 6145 ausmachen."


    Servus

    Ben

  • Hallo zusammen,


    danke für eure Kommentare!
    Ben, danke für den Hinweis, dass NGC 6146 einen Blazar enthält. Die Galaxie werde ich mir auch mal bei Gelegenheit anschauen.


    Clear skies


    Robin

  • Hallo Robin,


    ein sehr interessanter Beitrag! Vor allem, dass du auch Neues ausprobierst und recherchierst.


    Ich finde es erstaunlich, dass du bei über 400x ohne Nachführung bei NGC 6166 die Galaxien im Gesichtsfeld halten und auch noch zeichnen kannst!

    Der RNGC listet zusätzlich zur Hauptgalaxie noch 4 Nebengalaxien auf, die durch Materiebrücken verbunden sind. Die Beschreibung ist vom Anblick auf der POSS-Platte. Hast du diese mit den PGCs verifizieren können?


    Und wie schaut der Herkules Galaxienhaufen in deinem Teleskop aus? Ich liebe ihn wegen der edge-on und den beiden head-ons (NGC 6045 und 6050).

    Hast du davon schon eine Zeichnung gemacht?


    Mit herzlichen Grüßen von Helmut

  • Hallo Robin,


    ein seh schöner Bericht, tolle Zeichnungen. Vor kurzem war ich auch bei NGC 6166 und NGC6173. Aber mit 8" aus der Großstadt war da kaum was zu erkennen.

    Macht immer wieder Spaß deine tollen Berichte zu lesen, gerade jetzt wor die öffnungsmäßig dich stark nach oben erweitert hast. :)


    ca

    Lothar

  • Hallo zusammen,


    Entschuldigung für die späte Antwort! Mit dem schlechten Wetter war ich wochenlang nicht im Astrotreff aktiv.


    Helmut: Ja da musste ich schon ziemlich oft nachschubsen bei dem recht kleinen Gesichtsfeld. Vom Hercules-Galaxienhaufen Abell 2151 habe ich vor längerer Zeit mal eine Aufsuchkarte ausgedruckt. Da müssten so viele Galaxien in Reichweite sein, dass es vermutlich mehrere Stunden in einer Mai-Nacht bräuchte. Bisher habe ich mich noch nicht da dran gewagt, für irgendwann habe ich mir das aber vorgenommen.


    Clear skies


    Robin

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!