Entfernung einer Spiegelschicht mit Eisen(III)-chlorid, Fotos, Chemiker gesucht …

  • Hallo liebe Astrofreunde,


    für einen Einsatz in einem Sonnenteleskop brauchte ich einen unbeschichteten Spiegel. Ein Kandidat hatte bereits eine löchrige und ingesamt minderwertig gewordene Verspiegelung, den ich dann am Ende für das Experimental-Sonnenteleskop auswählte.


    Ich habe mich für Eisen(III)-chlorid, 40%, technisch, als Mittel der Wahl entschieden. Zum einen, weil ich es habe, zum anderen, weil ich damit umgehen kann. Ich benötigte mit ungefähr 50ml nur sehr wenig, was die spätere Entsorgung im Schadstoffmobil stark vereinfacht.


    Zunächst der Spiegel rückseitig beleuchtet. Der Rand und diese Fehlstellen werden die Angriffspunkte für das Eisen(III)-chlorid sein, wie ich weiter unten aufzeige.



    Den Spiegel habe ich mit transparentem Paketklebeband umklebt, um derart eine Wanne zu bekommen. Das minimiert die benötigte Lösungsmenge.

    Ich habe dann alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die mir selbst gegenüber, aber auch der Umwelt gegenüber, zum Beispiel, damit nichts versehentlich in die Kanalisation gelangen kann.


    Die Flüssigkeit hat eine gelbliche Tönung. Bereits nach kurzer Zeit, sieht man schwarz erscheinende Punkte. Die erscheinen nur schwarz, tatsächlich sind sie durchsichtig. Das liegt zum einen an der Fotografiertechnik, zum anderen daran, dass die Flüssigkeit dunkel ist, und der Hintergrund des Spiegels nicht beleuchtet oder hell ist.




    einige Zeit später




    einige Zeit später




    Jetzt wird deutlich, die chemische Reaktion frisst sich quasi wie unter der Quarzschutzschicht nach vorne, beginnend an Fehlstellen in der Quarzschutzschicht.


    weitere Aufnahmen, einige Zeit später, Größenordnung Stunden




    Jetzt Stunden später



    am nächsten Morgen



    Bedeutet, wenn die Quarzschutzschicht perfekt dicht ist - und das sollte sie eigentlich sein - funktioniert der chemische Prozeß mit Eisen(III)-chlorid so ohne weiteres nicht.

    Bei dichten Quarzschutzschichten könnte man die Fase rundum ankratzen, um den Prozeß starten lassen zu können. Bei diesem Spiegel brauchte ich das nicht tun, der war bereits rundum angeknabbert. In obigen Fotos, vor allem den ersten, sieht man schön, wie sich die Reaktion vom rechten Rand her kreisförmig nach innen „frisst“.


    -> Jetzt schliesst sich die Frage an, wo ist die Quarzschutzschicht geblieben?


    Da Quarz offenkundig nicht mit dem Eisen(III)-chlorid reagiert, müsste es hinter der Reaktionsfront quasi „runterfallen“. Die Quarzschutzschicht müsste also in Pulverform in der Lösung vorliegen. Es sei denn, die Quarzschutzschicht hätte vorher durch die Aluminiumschicht „durchgegriffen“ und in fester Verbindung mit dem Glasuntergrund gestanden. Dann wäre sie jetzt noch als „Gerüst“ vorhanden.


    -> Sind unter uns examinierte Chemiker, die den Verbleib der Quarzschutzschicht akademisch sauber (er)klären können? (Praktische Relevanz hat es für mich hier nicht)


    Ich freue mich über Nachrichten und Einschätzungen.


    Viele Grüße, Reinhold

  • kleine Nachfrage.


    Wie ist der Reaktionsablauf Eisen(III)-chlorid mit dem metallischen Aluminium unter der Quarzschutzschicht?

    Also in welcher chemischen Form liegt das zuvor metallische Aluminium anschließend in der „Brühe“ vor?


    Danke :)

  • Hallo zusammen,


    3 FeCl3 + Al <-> AlCl3 + 3 Fe Cl2

    ... und da AlCl3 außerordentlich reaktiv ist, reagiert dieses mit Wasser sofort weiter:


    AlCl3 + 3 H2O -> Al(OH)3 + 3 HCl


    Und hier könnte ich mir vorstellen, dass das Quarz (SiO2), welches ja als hauchdünne Schicht vorliegt, mit dem Al(OH)3 zu (wasserlöslichen?) Alumosilikaten weiterreagiert. Das ist aber Spekulation, da ich hierfür keine Quelle habe.


    Viele Grüße

    Andreas

  • Hallo Andreas,


    … hochinteressant! Dann ist da am Ende auch Salzäure drin … damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.


    Gedanke: Ich könnte vor oder zur Entsorgung, ein zuvor von Aluminiumoxid etwas befreites Aluminiumstück einlegen und das restliche FeCl3 ausreagieren lassen. Und hätte - unter deinem obigem Vorbehalt - am Ende noch Aluminiumhydroxid und verdünnte

    Salzsäure über?


    Viele Grüße, Reinhold

  • Schöne Beschreibung der "Entspiegelung, Reinhold.


    Mich würde interessieren, ob das Glas den Prozess völlig unbeeindruckt übersteht.

    Man könnte zum Test den Spiegel auf einer schwarzen Unterlage platzieren und mit einer sehr hellen Punktlichtquelle anstrahlen.


    Und dann die Glasoberfläche genau inspizieren.

    Auch zB. ob es ein kleiner Gegenstand schafft, direkt auf der Oberfläche einen ganz leichten Schatten zu erzeugen, das wäre ein Anzeichen für Rauheit und spätere Kontrasteinbussen.


    lg matss

  • Hallo Reinhold,


    könnte man machen. Bei der geringen Menge würde ich aber keine große Aktion starten. Ich glaube, es genügt, die Reste in Leitungswasser zu verdünnen und zur Entsorgung abzugeben. Wenn Du es ganz perfekt machen möchtest, neutralisierst Du die Plörre noch und gut ist. Dafür kann man z.B. Backpulver (= Soda) nehmen. Vorsicht, das schäumt je nach vorhandener Menge Säure ggf. stark auf. Also in kleinen Portionen das Soda zugeben oder, besser noch, das Soda vorher in etwas Wasser lösen oder suspendieren.


    Viel Spaß beim panschen ^^

    Andreas

  • Hallo Andreas,


    :) besten Dank.


    Hallo zusammen,


    wie ist das Erklärungsmodell für die Quarzschutzschicht bei Verwendung von Eisen(III)-chlorid? ist sie noch „da“, oder ist sie „weg“ ;) und wenn „weg“ das „wie“ ;)


  • Hallo Reinhold!


    Ganz klar: Quarz wird von Eisen(III)-chlorid chemisch nicht angegriffen. Da die Quarzschicht oberhalb der Aluminiumschicht liegt, "greift auch nichts durch", wie du es genannt hast. Der Quarz kann am Ende nur in Form von abgeplatzten Partikeln vorliegen.


    Eisen(III)-chlorid greift auch Glas nicht an, inbesondere nicht, wenn es sich um Borosilikatglas handelt. Ich hätte überhaupt keine Bedenken, dass das Glas irgendwelchen Schaden nimmt.


    Eisen(III)-chlorid ist stark sauer. Es wird daher im Zuge des Aluminium-Löseprozesses kein Aluminiumhydroxid ausfallen. Das Aluminium bleibt in Lösung. Die von Uwe oben aufgeführten chemischen Reaktionsgleichung geben den Reaktionsverlauf für die hier relevante Fragestellung ausreichend genau wieder. Wenn man es akademisch richtig haben will, ist der Prozess aber weitaus komplexer. So liegen z.B. weder das Eisen noch das Aluminium als Fe3+ bzw. Al3+ vor.


    Viele Grüße

    Wolfgang

  • Hallo Matss,


    der Spiegel übersteht - für mich augenscheinlich, für Wolfgang fachlich begründet - alles unbeschadet. Ich bleibe bei Eisen(III)-chlorid, wenn ich Aluminium (weg)ätzen muss.


    Ja, die Spiegelrauheit hat deftigen Einfluß auf die Bildrauheit, da verbreite ich keine neue Erkenntnis. Für mich ist das ein günstig erworbener, etwas besserer Versuchsspiegel. Ich gehöre zu den Amateur-Astronomen, die das nicht messen können. Ich muss, wenn ich später den konkreten Beobachtungsspiegel kaufe, auf die Qualität des Herstellers vertrauen. Ich kann bestenfalls mit Ronchi und Sterntest bewerten.


    Abseits dessen, klar, so spaßeshalber habe ich mit voll aufgedrehtem Laser schräg auf die Oberfläche gehalten. Für eine Einschätzung fehlt mir allerdings die Erfahrung mit „glatten“ Spiegeln. Der OTA mit dem Spiegel dürfte neu 199€ gekostet haben, da erwarte ich kein 1/8 pv, da schaue ich erst gar nicht nach. Aber als die Spiegelschicht noch drauf war, hat er mir Beobachtungsfreude bereitet, die deutlich mehr wert war als die 199€ neu, oder für mich 65€ gebraucht.


    Beste Grüße, Reinhold

  • Grossartig, Reinhold - bin schon gespannt auf das Sonnenteleskop!


    lg matss

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