Standard-Objekte in Leier und Herkules

  • Dieses Jahr ist das ja so eine Sache mit dem Wetter für Deep Sky: Klar ist es immer nur dann, wenn der Mond in voller Pracht steht oder Familienzeit ist. Deshalb hab ich mich vorgestern um 23 Uhr, obwohl ich hundemüde war, doch noch raus auf die Terrasse gekämpft. Es hatte überraschend aufgerissen und es war wirklich schön dunkel, wenn auch empfindlich kalt.


    Aufgrund erheblicher Unentschlossenheit, gepaart mit den bekannten Lieferengpässen, muss es weiterhin mein 80er-Jahre-114/900-Quelle-Newton tun. Der sitzt auf der Originalmontierung, aber in Alt-Az-Stellung. Und ich habe ihm inzwischen einen 8x50-Sucher gegönnt, was die Suchzeiten extrem minimiert. Aber dazu später mehr.


    Mein mittelfristiges Ziel ist es, alle Messier-Objekte abzugrasen. Nein, nicht in einer Nacht, sondern in den kommenden ein, zwei Jahren. Ich möchte ja auch versuchen, etwas zu sehen von den Dingern. Da der Himmel so kurzfristig aufriss, hatte ich kein wirkliches Programm.


    M13 stand gut, den wollte ich nochmals besuchen; beim letzten Mal war noch Mond und ich etwas von Fotografie-Versuchen abgelenkt. Also mit bloßem Auge Herkules gesucht, den Sucher mit leichter Rücken-Verrenkung dorthin gerichtet, wo M13 stehen sollte und schon war der Sternhaufen deutlich zu sehen. Der 8x50-Sucher ist eine unglaubliche Verbesserung gegenüber diesem Spielzeugteil an Sucher, der beim TravelScope dabei war ...


    Im Goldline-9mm-Okular (100x) war der Sternhaufen dann extrem beeindruckend und verblüffend groß! Ich dachte, die mondbedingte Lichtverschmutzung könnte einem Sternhaufen nicht viel anhaben, aber da habe ich mich wohl getäuscht.


    In meinen Beobachtungsnotizen hatte ich gleich nach der Session vermerkt: "sehr schön, mit etwas Einbildung als körnig vorstellbar". Im Deep-Sky-Reiseführer habe ich dann später gelesen, dass 4 Zoll und ca. 100x reichen sollten, um M13 körnig wahrzunehmen. Aber ich vermute, das Seeing war diese Nacht nicht besonders gut.


    Ich versuche übrigens, immer erst nach einem Besuch beim jeweiligen Objekt im Reiseführer nachzulesen, wie es aussehen sollte. Denn ich möchte versuchen, möglichst unvoreingenommen die Objekte zu sehen. Es ist schon schlimm genug, wenn ich die Fotos im Kopf habe.


    Nun gut, nach ca. 15 Minuten M13 wollte ich, wenn's schon so schön dunkel war, ein für mich noch unbekanntes Objekt aufsuchen. Den Ringnebel hatte bislang noch nie besucht, der war um die Ecke und ich hatte kurz vor meiner Spontansession auf einer meiner Sternenapps geschaut, wo genau er liegt. (Die Position zwischen den beiden hellen südlichen Sternen in der Leier ist ja recht leicht zu merken.)


    Im neuen Sucher konnte ich scheinbar ein kleines Sternchen an dieser Position sehen. Zum Okular gewechselt, war dort tatsächlich ein "sehr unscharfer Stern", umgeben von etlichen kleineren scharfen Sternen. Ich hatte also M57 auf Anhieb gefunden! Und in der Begeisterung hatte ich gar nicht daran gedacht, auf mein 20mm "Auffindeokular" zu wechseln.


    Dem Nebelchen wollte ich nun mit allen Regeln der Beobachtungskunst, von denen ich bislang gelesen hatte, zu Leibe rücken, um vielleicht doch mehr als nur einen grauen Fleck rauszukitzeln. Und wirklich, ein, zwei Mal konnte ich – glaub ich zumindest – die Ringstruktur mit indirektem Sehen erkennen oder wenigstens erahnen. Meine Notizen dazu: "Ringstruktur bei indirektem Sehen (und guten Seeing-Momenten) andeutungsweise erkennbar". (Die Seeing-Angaben auf Meteoblue sagten mir dann hinterher für diesen Abend auch miese Werte: 3/5 bzw. 1/5. Sind das eigentlich halbwegs brauchbare Angaben?)


    Entsprechend angefixt dachte ich, dass doch M92 noch einen Besuch wert sei. Ich wusste nur, dass der auch im Herkules ist, aber nicht, wo genau. Also iPhone im Rotlichmodus raus, aha, da ist der. Wieder mit meiner neuen Liebe im 50-Millimeter-Format gesucht. Schon eine Minute später: Das sieht ja so aus als wäre da ein Kugelsternhaufen.


    Hmm, sollte das so einfach sein?


    Also ran ans Okular (immer noch 9mm ...) – und ein prächtiger, wenn auch deutlich kleinerer Kugelsternhaufen (im Vergleich zu M13) war da zu sehen. Ich darf wieder meine Notizen zitieren: "kleiner als M13, keine Struktur erkennbar, helles Zentrum". Eine weitere Kerbe also in meiner virtuellen Messier-Leiste.


    Ich habe dann ein paar Mal zwischen M13 und M92 hin- und hergewechselt, einfach um die beiden zu vergleichen. Es war im direkten Vergleich sehr interessant zu erkennen, dass M92 im Kern viel kompakter zu sein scheint als der große Bruder.


    Nun war bereits eine gute Stunde vergangen, ich war hundemüde und dankenswerterweise zogen Wolken auf, so dass ich guten Gewissens und sehr erfreut über eine kurze, aber wunderschöne Spontansession ins Bett gehen konnte.

  • Hallo Stefan,


    Messier 13 habe ich ebenfalls (vor vielen Jahren) mit meinem damaligen 114/900mm Newton, auch ein "Quelle Newton", beobachtet. In meinem Aufzeichnungen habe ich vermerkt, das ich diesen Kugelsternhaufen bei einer Vergrößerung von 64x bis in den Kern in einzelne Sterne auflösen konnte.


    Messier 57 konnte ich als Ring sehen, dazu hatte ich mir aber keine Vergrößerung aufgeschrieben.


    Aus meinem Aufzeichnungen geht hervor das ich bei Messier 92 ebenfalls mit dem 114/900 einen kompakten Kern sehen konnte und ich nur die Randbereiche auflösen konnte.


    Dein Bericht ist auf jedem Fall interessant. Bei mir wölkt es mal mehr mal weniger, zwischendurch fällt Wasser vom Himmel herab... An ein Beobachten ist nicht zu denken...


    Viele Grüße

    Gerd

  • Moin Stefan,

    das ist ein schöner, stimmungsvoller Beobachtungsbericht. Er zeigt sehr schön, was den Reiz der visuellen Astronomie ausmacht, egal mit welchem Teleskop beobachtet wird. Die von Dir beschriebenen Objekte und noch viele weitere kann man sich immer wieder anschauen, egal wie oft man sie schon gesehen hat. Man entdeckt ständig Dinge, die einem vorher noch nicht aufgefallen sind. Ich bin seit etlichen Jahren nur noch visuell unterwegs und erfreue mich jedes Mal aufs Neue am Gesehenen. Wenn man, wie Du ja auch geschrieben hast, die vielen tollen Fotos aus seinem Hinterkopf verbannen kann, ist so eine Beobachtungsnacht (-stunde) auch selten eine Enttäuschung. Enttäuschend ist lediglich die geringe Anzahl brauchbarer Nächte.


    Viele Grüße

    Wolfgang

  • Danke für eure Antworten. Ich glaube, dass nicht nur das Seeing nicht gut war, sondern mein Newton auch noch Verbesserungspotenzial (Kollimation, neuer Fangspiegel) hat. Aber dazu hab ich einen eigenen Thread im Klassiker-Forum.

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