Auflösungsvermögen, Seeing, Deconvolution und sinnvolle APO Apertur beim Imaging (Deep Sky)

  • Hallo Zusammen,


    ich würde gerne ein besseres Verständnis für die sinnvolle Refraktor-Apertur für Imaging unter Berücksichtigung von üblichem Seeing in Deutschland entwicklen. Meine Anfangsüberlegungen sind die hier:

    • Mein Seeing wird nicht besser als 1.5. - 2.0 arc sec sein.
    • Ein 4" APO hat eine Auflösung von etwa 1.4 arc sec.
    • Pixel scale liegt unterhalb der Auflösung, damit kein undersampling entsteht.

    Ein 5" oder 6" APO hat eine Auflösung von 1.1 bzw. 0.9 arc sec. Damit ist die Auflösung des Teleskopes nicht durch die Beugung sondern durch das Seeing begrenzt. Hier sei noch erwähnt, dass ich von Deep Sky mit langen Belichtungszeiten ausgehe, so dass lucky imaging keine Berücksichtigung findet. Andererseits scheinen mir Aufnahmen mit 5" oder 6" Geräten doch mehr Details zu zeigen. Möglicherweise liefert hier deconvolution bei der Bildbearbeitung einen Beitrag, ich kann aber nicht beurteilen, wie wesentlich der Einfluss ist.


    Die Frage geht also hauptsächlich an Imager, die schon einmal einen 4" mit einem 5" oder 6" APO vergleichen konnten. Wie groß ist der Unterschied in der real erzielbaren Winkelauflösung, insbesondere unter Berücksichtung der Bildbearbeitung? Ich möchte noch vorausschicken, dass f-ratio, Brennweite und pixel scale natürlich bei der Belichtungszeit, SNR und Bildgröße eine Rolle spielen, dies soll jedoch hier erst einmal keine Berücksichtigung finden.


    Danke Euch im Voraus für das Teilhaben an Eurer Erfahrung.


    Grüße und clear skies - Oliver

  • Hallo Zusammen,


    ich nehme noch einmal einen Anlauf mit diesem Thema. Gibt es jemanden der mir erklären kann, warum eine Apertur >4" selbst dann Vorteile bei der Auflösung (DSO Imaging) bringt, wenn mein Seeing bei 1.5 - 2.0 arc sec liegt? Vielen Dank im Voraus.


    Grüße und CS - Oliver

  • Hallo Oliver,


    Ich möchte noch vorausschicken, dass f-ratio, Brennweite und pixel scale natürlich bei der Belichtungszeit, SNR und Bildgröße eine Rolle spielen, dies soll jedoch hier erst einmal keine Berücksichtigung finden.

    aber genau darin liegt die Antwort auf deine Frage!

    Wenn du das außen vor lassen willst lässt sich deine Frage nicht beantworten.


    Bei DS Fotografie wird die Auflösung des Bildes bei dem hier üblichen Sampling nicht durch die Beugung limitiert sondern durch den Abbildungsmaßstab/Pixel.

    Nur bei hochauflösender Planetenfotografie verwendet man ein Sampling das die beugungsbegrenze Auflösung der Optik tatsächlich voll ausnutz.

    Das führt aber zu entsprächend hohen Öffnungszahlen die man bei DS Fotografie bei der gleichen Pixelgröße niemals verwenden würde weil hier dann die Belichtungszeiten vollkommen aus dem Ruder laufen würden.

    Um das volle Beugungsbegrenzte Auflösungsvermögen nutzen zu können ist eine Öffnungszahl von 3,6x Pixelgröße erforderlich.

    Ein 4" APO hat eine Auflösung von etwa 1.4 arc sec.

    Die tatsächliche Auflösung also die Beugungsbegrenzte Grenzfrequenz errechnet sich zu 114/D. Bei 100mm Also 114/100 = 1,14“


    Pixel scale liegt unterhalb der Auflösung, damit kein undersampling entsteht.

    Im Bezug zur Beugungsbegrenzten Auflösung ist man bei DS Fotografie immer im Undersampling.

    Bei DS Fotografie wird nicht die Beugungsbegrenzte Auflösung als Bezugspunkt für das optimale Sampling herangezogen sondern der Durchmesser des BS bzw. das FWHM des Seeings.

    Je nach dem was größer ist.

    Das BS ist aber um Faktor 2,44 größer als die Beugungsbegrenzte Auflösung.


    Mein Seeing wird nicht besser als 1.5. - 2.0 arc sec sein.

    Du benötigst also einen Abbildungsmaßstab von 0,75 bis 1“ / Pixel für optimales Sampling in Bezug zum Seeing.

    Also bei 4ym Pixeln zb. eine Brennweite zwischen 1100mm und 825mm

    Das wären bei 100mm Öffnung aber F11 bzw. F8,25


    Da aber bei diesem für Langzeitbelichtungen extrem guten Seeing das Beugungsscheibchen einer 100mm Optik mit 2,76“ Durchmesser größer als das FWHM ist müsste man hier dessen Durchmesser als Bezug für das Sampling nehmen.

    Du benötigst also einen Abbildungsmaßstab von 1,38“/Pixel

    Also bei 4ym Pixeln zb. eine Brennweite von 598mm und damit F5,98.


    In Bezug zur Beugungsbegrenzten Auflösung der 100mm Optik müsstest du 1,14/2 = 0,57“ / Pixel haben.

    Das wären bei 4ym Pixeln 1447mm Brennweite also F14,5 und das wirst du niemals für DS verwenden sondern nur für Mond und Planeten.


    Ein 5" oder 6" APO hat eine Auflösung von 1.1 bzw. 0.9 arc sec. Damit ist die Auflösung des Teleskopes nicht durch die Beugung sondern durch das Seeing begrenzt. Hier sei noch erwähnt, dass ich von Deep Sky mit langen Belichtungszeiten ausgehe, so dass lucky imaging keine Berücksichtigung findet. Andererseits scheinen mir Aufnahmen mit 5" oder 6" Geräten doch mehr Details zu zeigen. Möglicherweise liefert hier deconvolution bei der Bildbearbeitung einen Beitrag, ich kann aber nicht beurteilen, wie wesentlich der Einfluss ist.


    Kein Wunder denn das BS ist bei 150mm mit 1,84“ im Durchmesser ja deutlich kleiner so das sich hier ein anderer Abbildungsmaßstab/ Pixel ergibt.

    Nur wenn das Seeing schlechter als 1,84“ ist würde man das FWHM als Basis für das Sampling nehmen,bei Seeing besser als 1,84“ ist wieder das BS größer und damit dieses als Basis für das Sampling heranzuziehen und damit ein Abbildungsmaßstab von 0,92“/Pixel.

    Und bei bei einem Seeing von 2“ ist das FWHM als Bezug zu nehmen und es ergibt sich ein Abbildungsmaßstab von 1“/Pixel.

    In beiden Fällen liegst du aber besser als bei dem Abbildungsmaßstab/ Pixel von 1,38“ der sich bei der 100mm Optik ergeben würden


    Es sollte aber erwähnt sein das in DE ein Seeing für Langzeitbelichtungen von unter 2“ schon extrem selten ist.

    Man kann für Langzeitbelichtungen natürlich nicht die Werte annehmen die man bei sehr kurzen Belichtungen und Lucky Image hat.

    Ein Seeing von 2“ bis 4“ wird in DE für Langzeitbelichtungen als realistisch angesehen so das meist die 100mm Optik ausreicht aber an besonders guten Tagen die 150mm Optik doch Vorteile hat.


    Man kann bei modernen Sensoren für DS Fotografie aber auch ein Sampling von 3 Pixel/ BS verwenden ohne das die Belichtungszeiten gleich aus dem Ruder laufen.

    Man könnte also bei Inkaufnahme einer längeren Belichtungszeiten auch mit der 100mm Optik einen Abbildungsmaßstab von 0,92“ / Pixel verwenden und dann selbst an guten Tagen mit 100mm Öffnung auskommen.


    Grüße Gerd

  • Hallo Oliver,


    ich würde sagen, Du hast dann die Chance auch die seltenen Momente auszunutzen, wenn das Seeing mal besser ist. Seeingangaben sind ja immer nur ungefähre Durchschnittsangaben. Ich rede jetzt nicht von Lucky Imaging. Selbst während mehreren Stunden in einer Nacht kann es kurze Perioden besseren Seeings geben. Genauso gibt es schlechtere. Die Aufnahmen während schlechteren Seeings sortiert man aus und die besseren heben dann den Schnitt.

    Außerdem entscheidet nur die Öffnung, wieviel Licht von einem Objekt man sammeln kann. Die Brennweite entscheidet dann wie es auf dem Sensor verteilt ist. Ob man das durch Reducer, Binnen, große Pixel oder sonstwie auf den passenden Pixelmaßstab bringt ist egal. Aber mit der Lichtmenge durch die Öffnung kann man arbeiten. Und je mehr man hat, um so mehr kann man in der Bildbearbeitung schwache Details und Kontrast herausarbeiten.


    Gruß


    Heiko

  • Außerdem entscheidet nur die Öffnung, wieviel Licht von einem Objekt man sammeln kann.

    Das ist für die Fotografie falsch!

    Es entscheidet bei Foto nicht nur die Öffnung sondern auch die Belichtungszeit wie Viehl Licht man sammelt.

    Man kann mit 100mm Öffnung genauso viel Licht sammeln wie mit 200mm Öffnung wenn man 4x so lange belichtet.

    Bei Spiegelteleskopen sind auch noch Verluste durch Obstruktion und Reflexionsverluste zu berücksichtigen so das hier effektiv nur die Lichtsammelleistung einer entsprechend kleineren Öffnung erreicht wird.


    Grüße Gerd

  • Ok,


    ich gehe mal von ähnlichen Belichtungszeiten und ähnlicher Obstruktion aus. Die Zeit ist ja auch bei uns durch die Länge der Nacht und oft durch die Länge einer Wolkenlücke beschränkt. Da helfen halt "Lichteimer".

    Mit kleinen Öffnungen habe ich ja auch mein Erfahrungen gemacht. Da kann man heute schon erstaunliche Bilder mit machen. Da stimmt. Aber mehr Photonen pro Quadratbogensekunde Objektfläche sammeln, ist fürs S/R und fürs Bildresultat einfach besser. Da beist die Maus keinen Faden ab.


    Gruß


    Heiko

  • Hallo Gerd und Heiko,


    vielen Dank für Eure Antworten. Für die seltene Situation eines besonders guten Seeings (über längere Zeiten) kann ich den Vorteil der größeren Apertur natürlich klar erkennen. Um bei der Diskussion den Einfluß von Pixel scale zu vereinfachen hier zur Illustration das folgende Beispiel:

    • Teleskop 1: D=100mm, F7, f=700mm, Kamera 1: Pixelgröße 3.4 micron
    • Teleskop 2: D=150mm, F7, f=1050mm, Kamera 2: Pixelgröße 5.1 micron

    Für beide Varianten ergeben sich 1 arc sec / Pixel und das Auflösungsvermögen beider Geräte ist besser als das angenomme Seeing von 1.5-2.0 arc sec.


    Die zentrale Frage für mich ist nun, kann mit der Variante 2 eine höhere Auslösung im Bildergebnis erzielt werden obgleich der Einfluss des Seeings deutlich größer ist als die öffnungsbedingte Beugungsgrenze?


    Viele Grüße - Oliver

  • Hallo Oliver,


    Du hast es hier mit Wellenoptik zu tun und die üblichen Auflösungslimitformeln sind mehr oder wenig gute Näherungen. Pixelmaßstab, Seeing und Auflösungsvermögen des Teleskops sind da formelmäßig bei Dir auch so nah zusammen, daß man in die eine als auch in die andere Richtung argumentieren kann.

    Unabhängig davon würde ich aber sagen, aus der größeren Öffnung (Variante 2) wirst Du wahrscheinlich die besseren Bilder rausholen. Probier's halt aus. Versuch macht kluch. ;)

    Alles andere ist graue Theorie und bringt Dich nicht weiter. Es wird schon seinen Grund haben, warum auch in Deutschland gute Astrofotografen 10/12-Zoll und darüber sogar für Deep-Sky verwenden.


    Gruß


    Heiko

  • Die zentrale Frage für mich ist nun, kann mit der Variante 2 eine höhere Auslösung im Bildergebnis erzielt werden obgleich der Einfluss des Seeings deutlich größer ist als die öffnungsbedingte Beugungsgrenze?


    Da du in beiden Fällen den gleichen Abbildungsmaßstab verwendest wirst du bei Variante 2 keine höhere Auflösung erreichen.

    Allerdings bei gleicher Belichtungszeit eine höhere Tiefe.

    Es werden dadurch natürlich dunklere Details die bei Variante 1 bei dieser Belichtungszeit noch nicht sichtbar sind bei Variante 2 sichtbar sein.

    Also ein Zugewinn an dunklen Details ja aber keine höhere Auflösung in Bezug auf den Winkel.

    Ich denke das bringen viele durcheinander und sehen eine tiefere Aufnahme als besser aufgelöst an.

    Das stimmt zumindest auf die Winkelauflösung aber so nicht auch wenn hier mehr dunkle Details sichtbar sind und dadurch dieser Eindruck entsteht.

    Man kann aber auch mit Variante 1 die gleiche Tiefe und damit die gleiche Detailfülle erreichen wie mit Variante 2 wenn du bei Variante 1 entsprechend länger belichtest.


    Wobei hier natürlich die Annahme zugrunde liegt das beide Sensoren die gleiche Effizienz haben.

    In der Praxis wird man daher die obige Aussage nicht ganz so pauschal anwenden können denn es kommt natürlich auch auf den Sensor an und da hat man in den letzten Jahren ja gerade bei Sensoren mit kleinen Pixeln große Fortschritte gemacht.


    Grüße Gerd

  • Hi Heiko,


    ich tendiere auch zu der Vermutung, dass ein einen Vorteil gibt, würde die Hintergründe jedoch gerne genauer verstehen. Deine Schlussfolgerung ist natürlich attraktiv > also mehr Öffnung kaufen :) .


    Grüße - Oliver

  • Hallo Heiko,

    Es wird schon seinen Grund haben, warum auch in Deutschland gute Astrofotografen 10/12-Zoll und darüber sogar für Deep-Sky verwenden.

    wobei wenn man sich die Ergebnisse anschaut die mit diesen großen Optiken gewonnen wurden dann sind die oft nicht besser als die mit deutlich kleinerem APO.

    Ein für gutes Seeing ausreichender Abbildungsmaßstab/ Pixel für den APO natürlich vorausgesetzt.

    Da ist es denke ich auch oft der Glaube an die große Öffnung und weniger das Ergebnis das damit erreicht wird das Leute bei uns zu einer so großen Optik für DS Foto greifen lässt.


    Grüße Gerd

  • Hallo Gerd,


    ja, ich denke das ist sicher ein wichtiger Punkt. Mein Verständnis ist hier: da beide Teleskope dasselbe Öffnungsverhältnis f/7 haben ergibt sich in der Sensorebene dieselbe Leistung / Fläche. Da jedoch in der Variante 2 die Pixel größer sind wird mehr Energie / Pixel (nicht jedoch pro Fläche) gesammelt und somit ergibt sich bei gleicher Belichtungszeit ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis und somit ein "tieferes" Bild. Um diesen Vorteil zu nutzen ist es also unbedingt erforderlich eine Kamera mit größeren Pixeln zu verwenden.


    CS - Oliver

  • Hallo Oliver,


    richtig. Wenn Du alles geometrisch skalierst, solltest Du natürlich auch den Sensor geometrisch skalieren, um vergleichen zu können. Ziel ist es ja ein Objekt, z.b. ein Galaxie, abzubilden. Und wenn die plötzlich nur noch teilweise auf dem Sensor oder Pixel ist, kann man das nicht mit einem Bild vergleichen, wo das Licht der ganzen Galaxie auf dem Sensor ist. Die Frage ist also, wieviel Photonen bekomme ich in das Abbild meines Objektes und was kann ich da auflösen und das ist bei größerer Öffnung natürlich mehr.

    Ob man das dann wegen Seeing und Pixelgröße auch realisieren kann, ist dann erst der zweite Schritt und hat mit der eigentlichen Optik nichts zu tun. Ob man eine kleine Öffnug, APO oder Spiegel nimmt hat m.M.n. mehr was mit praktischen und budgetären Überlegungen zu tun und natürlich auch Vorlieben - keine Frage. Die Abbildungsgröße des gewünschten Objekts spielt ja auch eine Rolle. Und qualitative Unterschiede gibt es ja auch immer, egal was man verwendet.

    Ich nutze auch vergleichsweise kleine Optiken. Aber nicht weil ich denke, daß eine größere Öffnung in Deutschland nichts bringt.


    Gruß


    Heiko

  • Danke Dir, Heiko :thumbup:

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!