Natürliches Fernglas findet Baby-Galaxie auf kosmischem Karussell

  • Hast du schonmal versucht, Vögel zu beobachten? Wenn ein Vogel zu hoch auf einem Baum oder zu weit weg ist, ist es schwer, seine Farbe oder Form klar zu erkennen - und dann braucht man eventuell ein Fernglas, um das kleine Tier zu vergrößern. Denn je weiter ein Objekt von uns entfernt ist, desto schwieriger ist es für uns, es zu sehen. Astronomen stehen vor derselben Herausforderung: Galaxien und Sterne, die sehr weit entfernt sind, erscheinen kleiner und schwächer. Das macht es extrem schwierig, zu sehen, was sich in ihnen befindet. Je weiter wir in den Weltraum schauen, desto mehr "sehen wir in die Vergangenheit", da das Licht selbst Zeit braucht, um uns zu erreichen (selbst wenn es sich mit der unglaublichen Geschwindigkeit von 300.000 km/s bewegt!). Wissenschaftler glauben, dass die meisten der kleinen und schwachen Galaxien zeitlich näher am Urknall entstanden sein könnten.


    Einem Team von Forschern ist es gelungen, das Licht einer sehr weit entfernten und kleinen Galaxie mit dem Namen RXCJ0600-z6 zu sehen. Sie wurde geboren, als das Universum noch sehr jung war, fast eine Milliarde Jahre alt (das Universum ist heute 14 Milliarden Jahre alt). Die Wissenschaftler nutzten das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), hatten aber auch große Hilfe von einem "natürlichen Fernglas", oder besser gesagt, einem natürlichen Teleskop: dem Gravitationslinseneffekt eines gigantischen Galaxienhaufens namens RXCJ0600-2007. Dieser Haufen ist so unglaublich massereich (das Tausendbillionenfache der Masse der Sonne, selbst für Astronomen schwer vorstellbar, wie groß er ist!), dass seine starke Schwerkraft die Raumzeit um ihn herum krümmt und das Licht der Objekte hinter ihm wie eine riesige natürliche Linse oder ein Vergrößerungsglas verstärkt (wie in diesem Video). Dieser Effekt hat dazu beigetragen, das Licht der Baby-Galaxie RXCJ0600-z6 zu verstärken.


    Das Bild zeigt den Galaxienhaufen RXCJ0600-2007 (die Gravitationslinse), aufgenommen vom NASA/ESA Hubble Weltraumteleskop, kombiniert mit Gravitationslinsenbildern der entfernten Galaxie RXCJ0600-z6 (die "Babygalaxie"). Bildnachweis: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Fujimoto et al., NASA/ESA Hubble-Weltraumteleskop

    Da die Galaxie auf den Bildern aufgrund der Gravitationslinse selbst gekrümmt erscheint, nutzten die Astronomen Daten von anderen Teleskopen wie dem Hubble Space Telescope und dem Very Large Telescope, um die tatsächliche Form der Galaxie zu "rekonstruieren" und den Linseneffekt zu beseitigen. Weißt du, was sie noch gefunden haben? Die betrachtete Galaxie rotiert; fast so als würde sie auf einem Karussell im Vergnügungspark fahren! Das ist ziemlich merkwürdig, weil Gas in jungen Galaxien nicht in eine bestimmte Richtung strömt - es bewegt sich zufällig, fast wie ein verängstigtes Huhn im Hühnerstall. Dies ist das erste Mal, dass Astronomen die innere Bewegung einer Baby-Galaxie mit so schwachem Licht tatsächlich sehen können. Die Forscher hoffen, dass ein besseres Verständnis der Funktionsweise dieser Galaxie ihnen wichtige Hinweise auf die Galaxienentwicklung und das frühe Universum geben kann und uns alle dem Urknall einen Schritt näher bringt.


    Fun Fact: Wissenschaftler beobachteten den Gravitationslinseneffekt zum ersten Mal im Mai 1919 während einer Sonnenfinsternis. Diese ist heute weltberühmt, weil sie bewies, dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie richtig war. Ein Team in Sobral im Nordosten Brasiliens und ein weiteres auf der Insel Príncipe (vor der Westküste Afrikas) beobachteten dieselbe Sonnenfinsternis und sahen, dass die Sterne im Sternbild Stier nicht genau dort waren, wo sie sein sollten - wegen des Gravitationseinflusses der Sonne!


    Die deutschsprachigen Space Scoops werden vom Universe-Awareness-Team am Haus der Astronomie in Heidelberg erstellt. Den Originalbeitrag gibt es unter http://www.spacescoop.org/de/s…auf-kosmischem-karussell/

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