Selbstbau Tubusentlüftung

  • Hallo liebe Sternfreunde,


    ich habe in der Galerie ein Photoalbum zum Thema "Selbstbau einer Tubusentlüftung" angelegt und möchte damit zur Nachahmung anregen.

    In der Beschreibung des Albums bin ich auf Probleme einer Newtonoptik eingegangen, die mittels saugendem Lüfterkonzept größtenteils in den Griff gebracht werden können.

    Mich würde interessieren ob ich Punkte vergessen, falsch interpretiert, unverständlich formuliert habe oder ob etwas schlicht falsch ist. Kritik am Verfassten ist also ausdrücklich erwünscht - es wird sogar darum gebeten! :)


    Hier die Albumbeschreibung und der Link zu selbigem:


    Den Tubus mit einem Lüfter zu versehen mag auf den ersten Blick für jemanden der noch nie mit einem Teleskop zu tun hatte, etwas abstrus anmuten. Macht aber - wie so vieles - Sinn, wenn man sich näher mit der Materie beschäftigt.

    Der Lüfter soll drei vom HS, sowie ein weiteres vom Tubus ausgehendes Problem reduzieren.


    1.) Die Warmluftblasen, verursacht durch das Auskühlen des HS auf nahezu Umgebungstemperatur, was größtenteils in der ersten Stunde passiert

    2.) Die Hauptspiegelverformung, verursacht durch die hohe Änderung der HS Temperatur in der ersten Stunde.

    3.) Stetige Abwärme des HS durch dessen nachkühlen während der ganzen Nacht.

    4.) Die durch den Tubus abgegebene Wärme während der ganzen Nacht.


    Betrachten wir zuerst den Hauptspiegel, der von der warmen Wohnung raus ins Freie gebracht wird und je nach Größe und Stärke des HS etwa zwei Stunden braucht um sich der Umgebungstemperatur bis auf etwa 1°C anzunähern. Dieser Temperaturgradient ist verantwortlich für die ersten beiden genannten Probleme.


    zu 1)

    Ein Sternfreund hat mich auf diesen Artikel der Royal Astronomical Society zum Thema Spiegelseeing aufmerksam gemacht. Die dort gezeigten Photos sind sehr anschaulich, man sieht wunderbar wie sich die Warmluftblasen von der Spiegeloberfläche lösen und die dadurch entstehende turbulente Luftschicht.

    In der ersten Stunde gibt der Spiegel viel Wärme ab, die vor dem Spiegel aufsteigt, am Tubusrücken Richtung Fangspiegel wandert und sich dort langsam abkühlt.

    Das Licht muss bei einem Newton 2x durch diese turbulenten Luftschichten, welche die Wellenfront des Lichts, die ja schon durch das atmosphärische Seeing verbogen wurde, weiter verbiegt.


    zu 2)

    Je nach Spiegelmaterial verformt sich der HS mehr und länger oder weniger und kürzer, was zu einer weiteren Deformation der Wellenfronten des Lichts führt.

    Das Material BK7 verformt sich mehr, Pyrex oder Borofloat (beides Borosilikatglas) verformt sich weniger, Zerodur oder Quarz fast gar nicht mehr.


    Der Spiegel muss vor dem Beobachten also so weit wie möglich auf die Umgebungstemperatur runter kühlen, was man i. d. R. macht, indem man das Teleskop eine Stunde vorher zum Beobachtungsplatz bringt oder es gleich bei Umgebungstemperatur (Garage, Schuppen, etc.) lagert.

    Durch einen Lüfter, der hinten am Tubus angebracht ist und Frischluft von oben durch den Tubus saugt wird ein linearer Luftstrom erzeugt, welcher zum einen die Warmluftblase des HS bestmöglich nach hinten abgesaugt und zum anderen die Abkühlung des HS beschleunigt, die Zeit in der sich der Spiegel verformt also verkürzt.


    zu 3)

    Der HS wird sich allerdings nie vollständig der Umgebungstemperatur angleichen, da es Nachts in aller Regel kontinuierlich abkühlt und das Spiegelglas über die ganze Nacht nachkühlt.


    Der Spiegel gibt also stetig Wärme ab, die wiederum als Warmluftblase vor dem Spiegel aufsteigt und am Tubusrücken Richtung Fangspiegel wandert um sich dort langsam abzukühlen. Die Wellenfront wird also auch nach Stunden weiterhin durch die warme Luft verbogen, was allerdings ein moderat laufender Lüfter verhindert, in dem er die Abluft weiterhin nach hinten absaugt.


    zu 4)

    Des weiteren, ist noch das Auskühlen des Tubus zu beachten, gerade wenn ein Blechtubus zum Einsatz kommt und dieser nicht isoliert ist. Denn ähnlich wie das Nachkühlen des HS über die ganze Nacht, kühlt ein nicht isolierter Tubus auch nie ganz aus, denn die IR-Strahlung, vom Boden ausgehend, erwärmt die Tubusunterseite (falls nicht gerade im Zenit beobachtet wird) und der Tubusrücken gibt die Wärme an den Nachthimmel wieder ab. Im Tubus entsteht so genanntes Tubusseeing. Was durch einen linearen Luftstrom, also einen saugenden Lüfter aus dem Tubus entfernt werden kann.


    Natürlich sind hier alle Zeitangaben nur ungefähre Richtwerte und sind abhängig von der Temperaturdifferenz und der Masse der verwendeten Spiegel.


    Wünsche viel Spaß beim Nachbauen und dem anschließenden "seeingfreiem" Beobachten.


    Gruß

    Markus


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    Über Feedback würde ich mich freuen

    Schöne Grüße

    Markus

    Skywatcher FT 16" f4.4 :dizzy:

    ... immer für ein Tuningvorhaben zu begeistern

    8 Mal editiert, zuletzt von Markus85 ()

  • Ich habe das vor einiger Zeit bei meinem 150/1000 auch gemacht und der Effekt ist am Anfang drastisch, aber auch nach ein paar Stunden unter dem Himmel noch deutlich vorhanden. Ich kam durch die Literatur darauf, weil ich neugierig war, was die Profis machen:


    http://adsabs.harvard.edu/full/1979MNRAS.188..249L


    Das Hauptproblem sind sich vom Spiegel ablösende Blasen warmer Luft. Eine laminare Strömung forciert die Ablösung warmer Stellen und verhindert die Blasen, so dass es vorwiegend zu einem Temperaturgradienten kommt, der die Qualität nicht mehr stark beeinflusst.


    Die Bilder im Paper sind toll. Genau den Effekt kenne ich visuell von hoher Vergrösserung am Mond: Wie platzende Seifenblasen.


    So gesehen ist das Absaugen von Luft nicht ideal, denn das wird die Spiegelmitte in Frieden lassen. Allerdings haben wir, anders als die großen Teleskope, einen Tubus. Das Absaugen verhindert auch Tubusseeing.


    Da ich aber keinen Platz fuer einen seitlichen Lüfter zur Umwälzung habe, bleibt es bei der Absaugung. Bei 10" könnte man hingegen beides machen.


    Ich verwende OnStep als Steuerung und habe den Lüfter durch OnStep gesteuert. Bei geringer Drehzahl hört man ihn kaum noch und es funktioniert sehr gut und ohne Vibrationen. Der Lüfter ist direkt auf ein Blech geschraubt, was durch die Zugschrauben der Spiegelzelle gehalten wird.


    Michael

  • Hi Michael,


    erstmal vielen Dank für dein Interesse und für den Link zu dem Artikel der Royal Astronomical Society. Ja, da hast du Recht. Die Bilder sind beeindruckend. Man sieht wunderbar wie sich die Warmluftblasen von der Spiegeloberfläche lösen und die dadurch entstehende turbulente Luftschicht.


    Den Hinweis von dir, dass die Spiegelmitte nicht abgesaugt wird, wenn der Lüfter hinten montiert ist, werde ich überprüfen. Wenn dem dann tatsächlich so ist, werde ich wohl noch seitliche Lüfter anbringen. Hast du eine Empfehlung zur Größe und dem Volumenstrom für die seitlichen Lüfter?


    Werde dann heute Abend meine Beschreibung für das Photoalbum anpassen und den Artikel dort verlinken und das Thema mit den seitlichen Lüften noch ergänzen.


    Ich nutze zur Regelung meines Lüfters ein Potentiometer, habe ich auch nicht erwähnt - werde ich auch noch ergänzen.


    Schöne Grüße

    Markus

  • Hallo Markus,

    Dein vorgeschlagener Weg hat sich auch bei mir bewährt (auch wenn auf meinem Avatar-Bild ein offener Tubus zu sehen ist, den ich bei Flugreisen einsetzte).


    Zwei Anmerkungen:

    - wenn es Nachts kontinuierlich abkühlt, sind Standort oder die Wetterbedingungen nicht ideal. Für gute Seeing-Bedingungen sollte sich die Temperatur in der Nacht kaum bis sehr wenig ändern, möglichst < 1°C pro Stunde.

    Im Winter ist das bei uns im Tal nicht gegeben. Da kommt ständig Kaltluft vom Berg herunter. Das Kältemaximum ist dann tatsächlich erst nach Sonnenaufgang erreicht. Es bildet sich eine Inversionsschicht und im Tal ein Kaltluftsee aus. Über die Inversionsschicht muss man möglichst drüber fahren. Oben am Berg hat es bei mir spätestens nach Mitternacht häufig sehr konstante Temperaturen. Im Sommer heizt sich die Umgebung bei uns häufig so stark auf, dass es nie zu einem Temperaturausgleich kommt, auch nicht oben am Berg. Dazu sind die Nächte dann einfach zu kurz.

    Am besten ist Seeing bei uns in den Übergangszeiten oder aber in Regionen, wo die Unterschiede von Tag und Nacht nicht so groß sind, sowohl im Hinblick auf Sonnenscheindauer als auch auf Temperaturunterschiede.

    Dickere Spiegel oder Linsen kann man bei den von Dir genannten Bedingungen gar nicht einsetzen, da diese mit dem Temperaturausgleich nicht hinterherkommen. Größere Teleskope werden deshalb untertags auf Nachttemperatur gekühlt über Klimaanlagen. Für uns heißt das, dass man ein Teleskop keinesfalls in der Sonne oder geheizten Räumen aufbewahren sollte. Ein kühler Kellerraum ist da besser. Ein Teleskop funktioniert nur bei guter Temperaturangleichung und die dauert! Zur Ermittlung des Temperaturangleichs haben sich Temperatursensoren bewährt. Ein günstiges Laserthermometer ist besser als nichts. Man sollte die Auskühlung jedenfalls nicht dem Gefühl überlassen.


    - seitliche Lüfter haben sich bei mir während Beobachtung nicht bewährt und verwirbeln die Luft vor Spiegel. Ein zentraler Lüfter läuft bei mir wie von Dir vorgeschlagen auch nach Temperaturausgleich im Tubus und am Spiegel immer mit. Hab über die Jahre mit verschiedenen Lüfterkonfigurationen gespielt. Ein Lüfter hinter Spiegel hat sich am besten bewährt. In Verbindung mit einem im Durchmesser ausreichend großen Tubus scheint mir das die wirkungsvollste Lösung zu sein. Die in dem Artikel beschriebene Abblasung von Luft über Spiegel ist eine Lösung, um Spiegel auch vorne schneller abzukühlen. Wie man an den Bildern sieht, wird damit die Abbildung damit keinesfalls so gut wie wenn der Spiegel angeglichen ist. Also lieber den Lüfter Vollgas saugen lassen, damit wenigstens die durch Lüfter erwärmte Luft nicht in den Tubus gelangt. Hohe Strömungsgeschwindigkeit hilft beim Kühlen.


    Zum Beobachten hat sich niedrige Lüftergeschwindigkeit bewährt. Bzgl. Effekt könnte man anstelle des sensiblen Spiegels eine Holz oder Syroporplatte einsetzten und bewußt Rauch oder ähnliches Ansaugen, damit man sieht, was da eigentlich im Tubus passiert. Verwirbelungen im optischen Weg sollte es möglichst keine geben. Wäre interessante Untersuchung.


    LG

    Robert

  • Ein seitlicher Lüfter soll kein Ersatz für die Absaugung sein, sondern nur eine Ergänzung zur Absaugung. Ich kann nicht sagen, ab welcher Größe der Effekt eintritt. Bei den Profis mit ihren riesigen Spiegeln von ein paar Metern Durchmesser ist es natürlich anders als bei uns. In meinem 6" Tubus ist schlicht kein Platz, aber mit der zentralen Absaugung ist das Bild besser als ich es jemals ohne Lüfter erlebte, von daher bin ich erstmal zufrieden.


    Inzwischen gibt es immer mehr Leute, die gute Erfahrungen mit einem Abblendring am Spiegel machen, der die Kante verdeckt. Wenn man den Ring auf die Halteklammern schraubt und ihn bis zum Tubusrand führt, dann wird die Luftströmung der Absaugung evtl. etwas zielgerichteter. Ich habe das aber noch nicht probiert.


    Michael

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