Uralte Linse

  • Merkwürdiges Rätsel ... bekam heute dies gefasst wohl schon sehr alte Objektiv: Durchmesser 92mm, Brennweite ca. 600mm +/- und unvergütet.


    Die optischen Maße sind etwas ungewöhnlich und mir so noch nicht untergekommen. Vom "Design" der Fassung würde ich dann schon Anfang bis Mitte letzten Jahrhunderts schätzen ... irgendwelche Gravuren auf der Fassung sind nicht erkennbar. Die Fassung wird an den Tubus eingeschraubt (Gewinde ist ja auch auf einem der beiden Photos zu erkennen und dies erinnert einen ein bischen an Zeiss-Einschraubobjektive á la AS ....)





    Schwarmwissen: kennt jemand von Euch ggf. dies Objektiv bzw. dessen Herkunft?


    Bei Steinheil bin ich bislang nicht fündig geworden ... welcher "alte" Optikhersteller hat gefasste Objektive mit 92mm Durchmesser prduziert?


    Greetzle Hannes

  • Hi Hannes,
    ist das denn Zollgewinde oder metrisch? Das könnte einen Hinweis geben.
    Und ist es ölgefügt oder geht da der Kitt kaputt?
    Ein Zeiss sollte eine Gravur haben. Auch ist die Fassung etwas dünn für Zeiss. Messing nehme ich an.
    Und die Fügung muß sowieso erneuert werden. Da kannst Du es auch gleich zerlegen. Denn wird das Design deutlicher.
    Wie ist denn die Optik gehalten? Schraubringe?
    Beste Grüße
    Axel

  • Moin Axel & all,


    ich denke mal ... metrisches Gewinde.
    Und ob das Objektiv gekittet ist bzw. ölgefügt - keine Ahnung ;) Wie gesagt, gerade vorgestern erst gekommen, der Vorbesitzer hatte Null Ahnung. Fassung könnte aber durchaus in Zeiss-"Dimensionen" liegen, ich hab das mal mit dem AS80er verglichen. Die Optik wird mit einem Schraubring gehalten, der natürlich noch fest sitzt. Muss mal sehen, wie ich das hinbekommen.
    Brennweite konnte ich heute ermitteln; sind ziemlich genau 650mm; bei dem Durchmesser von 92mm ist es also ziemlich genau ein f/7er.


    Greetzle Hannes

  • Hallo Hannes,
    von der Machart her ist die Linse wahrscheinlich erste Hälfte voriges Jh. Vom Öffnungsverhältnis wäre das ein Kometensucher, bei astronomischer Verwendung. Ich würde eher auf terrestrische Verwendung tippen. Es sieht so aus, als ob sich da eine Verkittung löst. Astroobjektive waren ja für gewöhnlich mit Luftabstand (Astrooptiker wollten wohl nicht so gerne kitten, wie man mir mal erzählt hatte, gab es bei Zeiss wohl auch Diskussionen, als der Vorschlag gemacht wurde, das Telementorobjektiv als Kittgruppe auszulegen). Es gab sehr viele solche Optiken mit militärischer Verwendung. Besonders bei der Marine gab es da großen Bedarf. Es gab ja noch kein Radar, keine Satelliten, Aufklärungsflugzeuge wenig, so daß jedes Schiff selber gucken musste, was in der Umgebung so los war - im Kriegsfall unter Umständen überlebenswichtig. Auch Artillerieentfernungsmesser hatten auf Schiffen größere Optiken.
    Der Hans Seeger hat mal ein umfassendes Buch darüber geschrieben: https://www.amazon.de/Milit%C3…&sr=8-1&tag=astrotreff-21


    C.S. Frank

  • Moinsen allerseits,


    also ein paar Neuigkeiten: ich habe gestern das Objektiv ausbauen können; Fassung ist Messing, Brennweite wie gesagt um die 650mm, Objektiv ist verkittet und unvergütet. Leider löst sich der Kitt an einigen Stellen - wie man sehen konnte (ich hab zwar ein paar Bilder, mache die aber in den neuen Astrotreff ab übermorgen rein). Gibts Möglichkeiten der Reparatur bzw., "Neuverkittung"?
    Greetzles Hannes

  • Hallo Hannes,
    Du musst das Objektiv erst mal entkitten. Das ist sicher mit Kanadabalsam verkittet. Kanadabalsam ist alkohollöslich. Ich hatte das mal bei einem sich entkittenden AK 125/1300 gemacht. Das hatte ich etwa ein dreiviertel Jahr in Isoprop (Spiritus müsste genauso gehen, ich hatte Isoprop gerade da) liegen, dann hatten sich die Linsen gelöst. Gefügt hatte ich die Linsen dann mit Salatöl. Das ging nicht, das Öl ist rausgelaufen. Immersionsöl aus der Mikroskopie hat funktioniert. Du kannst die Linsen auch trocken aufeinanderlegen. Es könnte sein, dass es da Reflektionsverluste an zwei Flächen gibt. Ich bin mir aber da nicht sicher. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde uns mal in einer Vorlesung vorgerechnet, dass es bei Totalreflektion Nahfeldeffekte gibt (die Welle läuft noch etwas hinter die Grenzfläche, und kehrt erst dann um). Eventuell könnte es sein, das bei perfekt aufliegenden Flächen (keine Newtonringe) das Wellenfeld praktisch durchgekoppelt wird. Da stehe ich aber nicht mehr im Stoff, ist nun fast vierzig Jahre her, vielleicht liest hier aber ein kollege mit, der dazu was sagen kann.
    Falls die Optik aus einer terrestrischen Optik stammt, ist sie höchstwahrscheinlich mit Glasweg korrigiert. Sie müsste dann bei dem Öffnungsverhältnis im Ronchitest eine leichte Unterkorrektur zeigen, die bei Verwendung eines Glasprismas besser wird, bzw. bei richtigem Glasweg verschwindet.
    C.S. Frank

  • Hi Frank und Hannes,


    die Sache mit der evaneszenten Welle, die im Nahfeld transmittiert wird, kenne ich von optischen Fasern: Das Cladding (das ist die den Faserkern umgebende Schicht, mit einem etwas kleineren Brechungsindex) muss eine gewisse Dicke haben, damit die evaneszente Welle darin frei propagieren kann, ohne aussen im Fasermantel absorbiert zu werden. Die Regel besagt, dass das Cladding mindestens zehn Lambda dick sein sollte.


    Bei der Linse allerdings koennte ein Fuegen ohne Medium zum Ansprengen fuehren. Sind die beiden sich kontaktierenden optischen Oberflaechen wirklich identisch, koennte es zur molekularen Verbindung der Flaechen kommen. Das bekommt man dann nicht mehr los. Ich habe mich mal mit dem Ansprengen spezieller Slicerprismen fuer den SALT-HRS-Spektrografen beschaeftigt und es nie hinbekommen - ist eine Kunst fuer sich.


    Selber habe ich ein Objektiv nach Littrow (der durch den Spektrografenaufbau - Kollimator ist Kamera - bekannt ist). Hier liegen die Innenflaechen aufeinander, und sie lassen sich dann an den Newtonringen schoen zentrieren. Diese Ringe bedeuten aber auch, dass die Radien leicht voneinander abweichen. Eigentlich eine Kombination von Nachteilen - mehr Glasluftflaechen als bei Verkittung, und nicht die Freiheitsgrade einer Fraunhoferoptik. Einzig laesst sich dieses Objektiv guenstig fertigen, und es ist sehr zentrierstabil. Meines ist aus den 1960er Jahren, 117mm Durchmesser und ca. f/16, und der Refraktor war urspruenglich ein Leitrohr. Hersteller Luton Optics in UK.


    Nach diesem Exkurs nochmal zum Verkitten: Es gibt synthetische Immersionsmedien von Cargille. Da koennte man sich beispielsweise eines fuer die Brechzahl von BK7 heraussuchen, was dem Kronglas im Objektiv nahe kommen sollte. Alternativ gibt es auch UV-Kleber von Norland, beispielsweise Norland 61, der ebenfalls dank seiner Brechzahl unsichtbar bleibt. Er ist dauerelastisch, kann also auch die Expansionsunterschiede der beiden Glastypen ueberbruecken. Von Norland gibt es eine ganze Reihe optischer Kitte, beispielsweise Norland 88 (gering ausgasend) etc. - das waere also auch eine Alternative.


    Die Frage bleibt, wie Du als Privatmensch an eine kleine Menge herankommmst. Eine Flasche Norland 88 kostet ca. 100 Euro. In meiner Doktorandenzeit hatte ich fuer erste Faserfuegeexperimente Rhizinusoel verwendet. Das waere auch eine Option, und es gibt es in der Apotheke. Wenn Du es schaffst, danach zu fragen, ohne zu lachen ... ich konnte mir damals ein Grinsen nicht verkneifen [;)].

  • Hallo Jürgen,
    das Verkitten mit nicht wieder lösbaren Synthetikkitten hat den Nachteil, daß sich die Linsen nicht mehr lösen lassen. Man hat nur einen Versuch. Da Objektive (zumal bei diesem Öffnungsverhältnis) sehr zentrierempfindlich sind, würde ich das nur versuchen, wenn ich das Kitten beherrsche.
    Das gleiche Problem beim Ansprengen. Wenn ich mich recht erinnere, klappt das Ansprengen wohl auch nicht bei allen Glaskombinationen. Auch hat man bei verkitteter Optik mitunter die zu verkitteten Flächen nicht vollständig auspoliert.
    Ich würde deshalb als erstes Immersionsöl aus der Mikroskopie versuchen. Das Zeug gibt es mitunter billig. Der Brechungsindex ist weitgehend egal, die Ölschicht ist ja praktisch ein ultradünner Meniskus mit gleichen Radien.
    Es könnte höchstens sein, dass die Fassungstoleranzen so groß sind, dass Ölgefugte Linsen nicht zentrierstabil gehalten werden. Da könnte man aber dünne Papierstreifen einlegen. Wenn man diese nicht zu breit macht, mussten sich die Linsen halten lassen, ohne, dass die Linsen bei Temperaturänderung verspannen. Papier und Pappe sind übrigens in der Optik übliche Hilfsmittel, sogar Zeiss-Jena hat mitunter Pappe in hochwertigen Optiken untergelegt (z.B. im Sonnenprisma).


    C.S. Frank

  • Hallo Frank,


    danke fuer Deine Antwort. Zur Brechzahl: Ich dachte an das Minimieren von Reflexionen durch Brechzahlanpassung. Aber schon klar, dass man da etwas Spielraum hat, sofern der Index irgendwo bei 1.5 liegt.




    (... und dies war meine erste Antwort im neuen Forum. Das muss ich erstmal mit einem neuen Smiley feiern: ;) )

  • Hannes, Du könntest ja auch mal den Wolfgang Grzybowski um Rat bitten. Ich habe aber schon lange keinen Kontakt mehr zu Wolle gehabt und weiss daher nicht, ob er noch Objektive "wartet"/repariert etc.


    Wäre aber ja fast bei dir um die Ecke....


    LG Michael

  • hallo,

    also bevor ich hier eine größere Reperaturaktion starten würde , wär ich erst mal interessiert ob es sich lohnt.

    Also einen provisorischen Aufbau basteln und schauen ob auch bei höheren Vergrößerungen noch eine erträgliche Abbildung existiert.

    Es könnte ja z.B nur ein Projektionsobjektiv sein oder auch nur ein Teil davon....

    Viel Spaß beim basteln

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