War Astrofotografie früher anspruchsvoller?

  • Hallo,


    mal eine Frage in die Runde: Seit ihr auch der Meinung, dass die Astrofotografie früher anspruchsvoller und aufwändiger war als heute?


    Nur mal als Vergleich:


    Früher: Ggf. Filme hypersensibilisieren, Langzeitbelichtungen, bei denen man in kalten Nächten zum Teil sehr Lange am Leitrohr verharren musste um manuell über die Wellen nachzuführen, dann ggf. spezielles Entwickeln und immer wieder Hoffen, dass alles geklappt hat.


    Heute: Digitalkamera ans Teleskop, Laptop aufbauen, Steuerung und Kamera verbinden, Belichtungsserien festlegen und ab ins Bett. Am nächsten Tag die Aufnahmen auswerten, stacken, bearbeiten --- fertig.


    Bin auf eure Meinungen gespannt.


    Gruß


    Carsten

  • Hallo Carsten,


    natürlich. Und du kannst dabei auch noch unterscheiden zwischen Amateur- und Profiaufnahmen. Denk z. B. mal an die Glasplattenfotografie, wie komplex das war. Filme mussten erst entwickelt werden, spezialisierte Software wie Sand am Meer gab es früher auch nicht.


    Ich mach es ja als Hobby, weswegen mein Herz nicht an den perfekten Fotos hängt sondern daran, dass ich sie gemacht habe und sie die Objekte auch deutlich zeigen, aber nicht unbedingt ohne Farbfehler, kleine Artefakte, zu viel Rauschen etc.


    In den letzten Jahren habe ich mir hier ab und zu Fotos anschauen dürfen von Anfängern (zumindest behaupteten sie das), allerdings mit relativ guten und teurem Equipment, was jetzt auch nicht besser war als meins, aber die Fotos waren trotzdem für mich nicht in Qualität, Farben und Auflösung erreichbar, was wohl v. a. auch an meinen verhaltenen Bedingungen liegt.


    Gute Astrofotos kann man heute auch ohne große Erfahrung und Aufwand machen, wenn man entsprechend ausgestattet ist.


    VG, Micha

  • EDIT und caveat: Alle meine Ausfuehrungen beziehen sich auf Deepsky-Astrofotografie. Planetenfotografie wurde durch Digitalkameras ebenfalls revolutioniert, sogar noch staerker!




    Hi Carsten,


    das ist definitiv so! Vorteile heute:


    - Hoehere Quanteneffizienz (Fotoplatte 1-2%, CCD bis zu ca. 90%)
    - Kein Schwarzschildverhalten
    - Linearitaet des Empfaengers
    - Sofortige Verfuegbarkeit des Resultates --> Korrekturen von Fehlern instant moeglich
    - Digitales Signal und damit die Bildverarbeitungsmoeglichkeiten
    - Moeglichkeiten der Kalibration, z.B. Flatfielding
    - Automatisierungsmoeglichkeiten
    - Stacken von Bildern - rauscht der Satellit durch, ist nur eine einzige Belichtung und nicht die ganze Aufnahme im Eimer (auch wenn Elon Musk an diesem Punkt arbeitet), und die Anforderungen an die Nachfuehrgenauigkeit (Mechanik, Durchbiegungseffekte etc) sind deswegen geringer.


    Ich mache Astrofotografie seit 1984, und ich sage immer gerne: "Vergiss die ersten 20 Jahre". Die besten chemischen Bilder sind heute gegenueber typischen digitalen Bildern "so lala". Und dabei verwende ich nur eine digitale Spiegelreflexkamera.


    Also ganz klarer Fall - und noch nie war es fuer Einsteiger so einfach, in die Astrofotografie einzusteigen. Es bleibt eine steile Lernkurve und lehrt Geduld und Frustrationstoleranz. Aber kein Vergleich zur Astrofotografie auf Film.


    Auch kann man heute mit kleinen Instrumenten Bilder machen, die frueher nur Sternwartengeraeten vorbehalten waren. Ich bin manchmal erstaunt, was ich mit meinem 200er Newton so aufnehmen kann. Und dann lebt da unten im Dorf der aeltere Herr mit seinem 70mm-Winz-ED-Refraktor, der dank Highendkamera und Bildverarbeitungserfahrung meinen Newton wiederum alt aussehen laesst.

  • Hallo Carsten nochmal,


    eine weitere Evidenz ist die alter Quellen. Beispielsweise Buecher ueber Astrofotografie aus der Vordigitalzeit. Eins meiner Buecher von fruher ist "Karkoschka, Merz, Treutner; "Astrofotografie", Kosmos-Verlag. Gibt es teils fuer ein paar Euro gebraucht zu kaufen. Wenn man die dort dargestellten Schwarzweissbilder mit heutigen Resultaten vergleicht, weiss man wieder, wie gut man es eigentlich hat.


    Auch aeltere Magazine sind gut geeignet, um z.B. Amateurfotos von frueher in Kontext zu heute zu stellen. Viel mehr in Schwarzweiss, und damals in der Tat stundenlange Belichtungen, um das zu erreichen, was eine Digitalkamera in ein paar Minuten schafft.


    Den digitalen Durchbruch schaffte in der Amateurszene die digitale Spiegelreflexkamera. CCDs gab es zwar auch schon seit ca. 1990 (z.B. SBIG ST-4), aber sie waren sehr teuer und sehr klein. Auslesen dauerte sehr lange, und alleine das Fokussieren oder das Auffinden des Objekts waren damals eine Wissenschaft fuer sich. Die DSLR hingegen wurde dank Massenfertigung vergleichsweise bezahlbar, man konnte durchschauen und der Chip war relativ gross. Objektsuche und Fokussieren wurden so stark vereinfacht - letzteres vor Allem nach Einfuehrung des Livemodus zum Scharfstellen. Und dank Intervallometer muss man auch nicht mehr fuer jede Belichtung auf die Uhr schauen oder sich einen Kuechenwecker zulegen wie noch in alten Zeiten.

  • Hallo,


    vergesst nicht das Internet und die schnell verfügbaren Informationen darin. Wenn man heute eine gute Astrofotografieausrüstung samt dazugehöriger Aufnahme- und Bildbearbeitungssoftware kauft, dann gibt es im Netz die Kochrezepte dazu, wie man daraus schnell annehmbare Bilder zaubert. Zu fast allem gibt es Online-Tutorials und Youtube-Videos. Wer eine kurze intensive Lernkurve nicht scheut, kann dann innerhalb kurzer Zeit auf einem Stand sein, der früher Jahre an Ausprobieren gebraucht hätte.


    Gruß


    Heiko

  • Ja, Fotografie ist heute einfacher geworden. Aber leider fehlt vielen Fotografen der Bezug zum Himmel. Da wird unter Toppbedingungen nur noch auf grelle Displays gestarrt. Oder die Nacht (bestenfalls) im Bett verbracht, weil die Ausrüstung ja automatisch arbeitet und Dazen erzeugt. Irgendwie traurig.


    CS,
    Stefan

  • Hallo In die Runde
    Ja ich denke auch das die Astrofotografie sehr viel einfacher geworden ist.
    Es gibt sicherlich ,wie immer, zwei Seiten der Medalie.
    Das gute ist das viele Menschen durch die Astrofotografie auf die Schönheiten des Nachthimmels aufmerksam werden, aber das ist nicht gleich zu setzten mit Interesse daran.
    Es geht da rein um die Fotografie.
    Das Wissen um die Astronomie wird dadurch nicht in gleichem Maße wie die Anzahl der Bilder gesteigert.
    Es liegt sicherlich daran das es sehr einfach geworden ist ein vorzeigbares Bild des Sternhimmels zu machen, der Technik und dem Internet sei Dank.
    Wenn ich mich daran erinnere wie ich so um 1977-78 meine ersten Bilder mit einer Pentax MEsuper und 50mm f1,7 Objektiv gemacht habe, oh man.
    Da war doch zwischen Bild machen und Ergebniss sehen fast ne Woche vergangen. Heute.. auslösen 1..2..3 Vorschaubild ..ah passt laufen lassen.
    Früher war doch die Überlegung, Objekt...Bel.Zeit hmmm...Blende ok weit offen da man noch keine Nachführung hatte.
    Also Film ISO 400...die von Kodak sollen gut sein als den 36er für..6,50DM oder so.
    Dann am besten mit div. Belichtungszeiten den Film füllen. Bilder Stacken…..hä..was soll das den sein...nie gehört.
    Also ab mit dem Film zum Händler in der City.
    "Bitte nur die Negative entwickeln". 3 Tage Später..tut mir leid mein Junge..auf den Bildern ist nix drauf....
    Moment...einmal den Negativstreifen gegen das Licht halten...doch da die kleinen Punkte, oder auch Striche. Bitte alle entwickeln,
    ok macht dann noch mal X,XX DM und die Woche war gelaufen.
    Dann lernte man sehr schnell wie das entwickeln von SW Bildern geht...ah da wurde es dann schon günstiger und schneller.
    Na ja und ohne Grundkenntniss des Sternhimmels ging fast nichts, also ab in die Stadtbücherei und Literatur gesucht.
    Da gabs meist nicht so viel egal es gab ja den Kosmos Verlag und Weihnachten.
    Ach ja und den Quelle Katalog mit den Revue Teleskopen gab es ja auch noch...Begehrlichkeiten wurden geweckt.
    Ja so manche Geschichte könnte man erzählen von klaren DUNKLEN Nächten mit Mückenstichen oder auch saukalten Füßen...
    Da ist Astrofotografie heute doch wesentlich leichter und natürlich auch erfolgreicher auf Grund der Möglichkeiten die es gibt.
    Klar ist sicher auch das wer sich für Astronomie begeistert sich auch das wissen um den Nachthimmel aneignen wird, aber ein muss ist es nicht mehr.
    Ich bin natürlich froh das wir die Technik und unsere PC`s heute haben, keine Frage.
    Vielleicht wenn man am Schluss so alles mal betrachtet, ist es mit der Aussage das es heute leichter ist mit der Astrofotografie sicher richtig.
    Aber ob es früher Anspruchsvoller war....hm...aufwendiger,schwieriger ok..aber wenn dann auf dem Bild was zu erkennen war..prima.
    Heute..ich glaube wir die Betrachter sind Anspruchsvoller geworden.
    Sind die Sterne in den Ecken auch noch rund, passte die Nachführung, ist das Objekt in der Bildmitte, sind Flats Darks Bias gemacht, sind die Farben getroffen.
    macht der Filter Reflexionen, sind die blauen Ringe um die Stern so ok, ist das Rauschen erträglich, und und und.
    Die Ansprüche haben sich verlagert, würde ich sagen.
    mfG
    Andreas

  • Hallo Carsten,


    wenn ich allein an die Nachführkontrolle oder die Abhängigkeit vom Schwarzschildkoeffizienten denke, ist die Antwort klar!


    Heutzutage braucht man auf ersteres eigentlich gar nicht mehr aktiv zu achten. Und Einzelbelichtungen von mehr als 20 Minuten im Deep-Sky-Bereich sind wohl auch nicht mehr die Regel. Ausnahmen mag es wohl, wie immer, geben.


    Grüße
    Torsten

  • Schoene Diskussion!


    Zum Thema Automatisierung und Bequemlichkeit: Klar, man kann natuerlich das Teleskop laufen lassen und dabei drinnen fernsehen. Oder schlafen gehen.


    Oder aber man hat ein weiteres Teleskop, mit dem man beobachten kann! Und in dem Falle bringt die Automatisierung auf alle Faelle etwas! Wenn ich an die Naechte denke, wo ich ausser defokussierter Sterne mit Fadenkreuz drin NICHTS gesehen habe, weil ich stundenlang das Kreuz anstarrend am Handrad drehen musste. Klar, sehr meditativ - bis das Fadenkreuz vor den traenenden Augen verschwimmt. Aber man sieht halt nix!


    Da ist ein automatisches Fernrohr mit visuellem Zweitrohr auf Zweitmontierung auf alle Faelle das Beste beider Welten. Ein Fernrohr fuer die Konserve, damit man in wolkigen Naechten was auszuwerten hat. Und ein Fernrohr zum Echtzeitgenuss. So laesst sich eine Nacht optimal nutzen.


    Frueher, mit Film, ging das nur sehr eingeschraenkt. Selbst wenn man reich genug war, sich einen Nachfuehrmotor leisten zu koennen (ca. 300 Mark fuer ein 500 Mark-Fernrohr - vom Frequenzwandler zur Rektaszensionskontrolle fange ich erst gar nicht an). Autoguider gab es halt noch nicht. Man war auf relativ kurze Brennweiten oder Aufnahmen mit stehender Kamera beschraenkt, da alles Andere Interaktion bedurfte.

  • Hallo Leute,


    ich gehöre zu den Newbies der Astrofotografie und ohne die heutigen Annehmlichkeiten wäre ich nie ins Hobby eingestiegen und hätte auch nicht angefangen, mich für die Astronomie im Allgemeinen zu interessieren. Wobei ich letzteres deutlich komplizierter finde[:)]


    Mein Beruf läßt es zum Beispiel überhaupt nicht zu, mir die ganze Nacht um die Ohren zu schlagen, um z.B. das Teleskop manuell nachzuführen. Und nur im Urlaub fotografieren und sich dann auf's Wetterglück verlassen?


    Was mich in solchen Diskussionen "früher zu heute" aber eigentlich immer umtreibt ist das <b>morgen</b>.


    Wie gut zugänglich ist der Sternenhimmel in ein paar Jahren aufgrund zunehmender Lichtverschmutzung (Starlink, LEDs, etc.) überhaupt noch?


    Also ich schätze mich sehr glücklich, dass ich heute Astrofotografie betreiben darf.


    CS Michael

  • Hallo Carsten,


    weil ich <b>vor 70 Jahren</b> an Mondfotos beteiligt war, <b>muss </b>ich antworten: Mein Vater hatte einen 300/2100er Newton und mit einer selbstgebauten Rollfilmkamera hauptsächlich den Momd fotografiert. Die Bilder zeigten max. 10% vom Visuellen, weil der Film (meist 17/10 DIN) nicht plan war und der mit Bowdenzug betätigte Schiebeverschluss rauh lief.
    Wir waren aber mit den Bildern zufrieden; ähnlich wie bei schlechten, aber eigenen Fotos von den Pyramiden, die persönlich wichtiger sind als welche aus einem Bildband. Weil unsere Ansprüche nicht so groß waren, war auch der Aufwand erträglich.
    Bie ernsthafteren Amateuren bzw. Profis (z.B. Hugh John Gramatzki) wird es wohl anders gewesen sein, doch denke ich, dass heute wirlich gute Bilder (z.B. von Unigraph, 30sec, Samson...) auch ihren "Preis" haben.


    es grüßt Lutz


    http://www.astrotreff.de/topic…HIVE=true&TOPIC_ID=125200

  • Hallo,


    obwohl ich mich schon lange für Astronomie interessiere, bin ich ja auch relativ spät zur Astrofotografie gestossen und profitiere deshalb auch von den Möglichkeiten heutzutage. Da ich aber handbuch- und anleitungsphob bin, habe ich diese Möglichkeiten auch nicht gleich genutzt, sondern erst mal eine Weile selber probiert. Geschadet hat es mir nicht, ich hatte viel Spaß dabei auf Sachen zu stoßen, die man eigentlich in einer halben Stunde googeln hätte herausfinden können. Deshalb finde ich auch den Vergleich früher/heute interessant. Es ist oft viel befriedigender etwas selber herauszufinden, als einem Kochrezept zu folgen.
    Aber Michael hat sicher auch recht. Es wird durch die bessere Ausrüstung, Tutorials und Automatisierung auch ein Zugang zum Hobby geschaffen für viele, die das sonst nicht machen könnten. Mit Familie, Beruf und bei dem schlechten Wetter nutze ich jetzt auch jede Möglichkeit, die wenigen geeigneten Nächte möglichst gut auszunutzen.


    Gruß


    Heiko

  • Wer diese Frage stellt, hat nie um 1970 in kalten Nächten am Teleskop zugebracht. Kodak Film 103 E in Meterware aus USA bezogen, oder Tmax in Wasserstoff hypersensibilisiert.
    Heute : Teleskop in Namibia ferngesteuert und im warmen Zimmer ein Gläschen getrunken.


    Wer kann so eine Frage stellen :(
    Kopfschüttel
    Peter

  • Hallo Peter, fragen darf man doch alles?!


    Wenn Du 1970 bereits aktiv warst: Hast Du auch die Filmware "Autolith" verwendet? Soll extrem feinkörnig gewesen sein, 200 Linien/mm. 13/10 DIN


    Apropos kalte Nächte: Im Winter 1959 Jupiter 2 Std. bei -17°C wegen mehrfacher Mondbedeckungen geguckt. Wenn's damals schon Stellarium gegeben hätte....


    Lutz

  • Hallo Lutz,
    ja fragen darf man. Für den Mond und die Sonne manchmal den Ortho25, sonst aber war der Schwarzschildexponent immer ausschlaggebend. Auch eine Tiefkühlkamera wurde gebaut und mit Trockeneis betrieben. Der Aufwand war schon gewaltig.
    Und heute wird die Sonne mit einem Coronado und 60 B/s aufgenommen und aus 1000 - 2000 Einzelbilder was gerechnet. Und wenn Oma und Tante die kleine Kamera für schlappe 5000.-€ zahlen dann geht auch DS.
    Die Zeiten ändern sich.

  • Hallo Leute,
    ihr macht bei der Betrachtung einen wichtigen Fehler. Natürlich ist das heute alles viel einfacher zu einem Bild zu kommen, das man Laien zeigen kann oder im Vergleich zu den Fotos im chemischen Zeitalter. ABER: die Ansprüche sind ja auch andere geworden.
    Damals war ich stolz wie Oskar, dass ich den Zentralstern im Ringnebel sehen konnte und da war sogar noch ein Sternchen daneben. Das war der Hammer! wurde sogar veröffentlicht. Heute sehe ich das nach einer 1-sekündigen Belichtungszeit, aber wenn ich das Bild hier zeigen würde, dann würde keiner "Hammer" sagen. 1979 glaube ich war das, da wurde auf einer Tagung ausführlichst über ein Foto diskutiert auf dem Barnards-Loop zu erahnen war. Heute zieht das keinen Hering mehr vom Teller. usw. usw.
    Und ehrlich: ich mache kein Guiding (unter anderem), weil es mir zu kompliziert ist. Ein Astrofreund schafft es aber tatsächlich softwaremäßig seine Ausrüstung so zu steuern, dass er zwischendurch ins Bett gehen kann. Trefferquote 50%, also so ganz einfach scheint das auch nicht zu sein und statt am Leitrohr sitzt man heute am PC und kämpft sich durch PI durch.
    Die Dinge haben sich geändert, keine Frage, die Ansprüche aber auch.
    Viele Grüße,
    ralf

  • Hallo zusammen...


    Ich kann mich noch sehr gut erinnern an die Torturen in der Kälte und ein tränendes Auge am Doppelfadenkreuzokular, zaghafte Korrekturen mit Taster immer darauf bedacht ja nicht verkehrte Taste zu treffen...


    Gefolgt vom selber entwickeln des 1000 RS Dia-Films in der Dose, weil die Entwicklerfirmen immer alles zerschnippselten[:(]


    Aber ich bin den einfachen Weg gegangen und bin auf die dunkle Seite gewechselt: Nur noch gucken![:D][:D][:D]


    lg
    Winni

  • Nein, ich denke Astrofotografie war damals (ich verorte damals mal in die 70er) nicht anspruchsvoller.
    So ein Vergleich hinkt weil die zwischenzeitliche Entwicklung ignoriert wird. Der Anspruch steigt mit dem technologischen Fortschritt. Wo heute der Cirrus in Bicolor das letzte Nebelfetzchen zeigt, war man damals eher froh ihn überhaupt getroffen zu haben.
    Man ist damals an seine persönlich Leistungsgrenze gegangen, man geht heute an seine Grenze. Das macht keinen Unterschied. Wenn ich heute das Equipment zum Autoguiding hab setz ich es auch ein. Es nicht zu tun macht keinen Sinn. Und das trifft schon den zweiten Punkt. Es gibt nicht nur eine zeitliche Dimension, sondern auch eine finanzielle. Wer 1960 geboren wurde war in den 70ern Teenager. Mit Taschengeld versorgt, von Großeltern unterstützt und ggf mit Zeitungsaustragen schwerreich geworden. Soll heißen die Ausrüstung sah entsprechend aus. Geneigter Leser gesetzteren Alters möge mal in sein Teleskopzimmer gehen und schauen was da heute so zur Verfügung steht. Sprich was das gekostet hat. Kann sich das ein Teenager von heute leisten? Was hätten wir uns gekauft wenn wir damals so viel Geld gehabt hätten? Vermutlich die vom Feinmechaniker handgefeilte deutsche Montierung. Saupräzise und Sauteuer. Damals wie heute.



    Und wofür haben wir heute das Geld ausgegeben? Doch ein Stück weit um es uns bequemer zu machen. Aber wer will, es geht natürlich immer noch die Nacht am Fadenkeuzokular zu verbringen und selbst den Guider zu spielen. Man muss es nur wollen.[:D][:D][:D][:D][:D][:D]



    In diesem Sinne, auf das sich die Sterne mal wieder zeigen.
    Kay

  • Die Ausgangsfrage hat natuerlich ein semantisches Interpretationsproblem: "Anspruchsvoller sein", heisst das schwerer zu realisieren, oder anspruchsvoller im Ergebnis - letzteres entweder im Erreichten oder im Erwarteten? Die ersten Antworten (inklusive meiner) haben das wie im erstgenannten Fall interpretiert - schwerer zu realisieren. Und das war in der Tat so, aus den teils vielfach genannten Gruenden.


    Natuerlich steigen durch die leichtere Erreichbarkeit hoeher gesteckter Ziele auch die Ansprueche an selbige.


    Ein Analogon:


    Man stelle sich eine Gruppe Laeufer vor. Sie rennen gern ihre 3000 Meter, und versuchen dabei, schon mal in bisschen schneller zu sein als Andere.


    Nun bekommen sie Fahrraeder. Die Gruppe wird sich ein bisschen aendern: Einige kommen mit dem Radfahren nicht zurecht, andere (die Laufen schon immer doof fanden) finden durchs Rad erst Zugang zu der Gruppe. Gefahren wird natuerlich schnell weiter als drei Kilometer, denn mit dem Fahrrad geht das muehelos. Da will man dann Ziele erreichen, die -zig Kilometer weit weg sind und dabei hofft man, wieder ein bisschen schneller zu sein als Andere, oder als man selbst im ersten Versuch. Ob man nun versucht, einen Platz auf dem Siegertreppchen zu erreichen oder es einem langt, sich selber zu verbessern, steht auf einem anderen Blatt.


    Wie in der Astrofotografie - entweder ist man erst zufrieden, wenn das eigene Bild auf der SuW-Titelseite erscheint oder gar beim "Astrophotographer of the year" einen Preis absahnt. Oder man erfreut sich einfach daran, was man mit seiner Ausruestung so zustande bekommt und wie man sich an einem Objekt ueber das Bilden jahrelanger Erfahrung steigern kann.


    Ich bin einmal den ersten Weg gegangen - nicht ganz ernsthaft und mit einem Augenzwinkern. Mit Keith im Nachbardorf haben wir um die Wette Bilder an englische Zeitschriften geschickt. Mal lag er, mal lag ich in der Anzahl publizierter Bilder vorn. Dann hat er mich eiskalt abgehaengt - er ist halt ein begnadeter Planetenfotograf (ich nicht) und die Astrozeitschriften drucken beim Deepsky nur noch diese knallbunten (Falschfarb-)Bilder ab, die meinem Stil nicht entsprechen. Da habe ich mich dann ausgeklinkt. [:)]


    Wohl auch deswegen publiziere ich selten Astrofotos auf dem Astrotreff. Es gibt immer sofort jemanden, der es besser kann und ein Bild postet, das einem mit den Ohren schlackern laesst. Es ist wichtig, sich davon nicht entmutigen zu lassen, sondern es als Motivation zu begreifen, was noch gehen kann.

  • Hallo Jürgen,


    das hat zwar nichts mehr ganz was mit der ursprünglichen Frage zu tun, aber ich sehe das ähnlich wie Du. Astrofotografie ist für mich kein Wettbewerb. Höchstens das Streben sich ständig selber zu verbessern. Ich habe Spaß am Objekt, welches ich aufnehme und auch am Verbessern der Ergebnisse mit einer gegebenen Ausrüstung. Und da macht es mir genausoviel Spaß Ergebnisse mit einem EdgeHD zu verbessern, wie mit einem Plastikspielzeugteleskop. Ich zeige das zwar (hauptsächlich im Nachbarforum), weil ich Spaß am Austausch darüber habe, so er denn zustande kommt, erwarte aber nicht fürs beste Bild bejubelt zu werden. Wahrscheinlich rollen sich bei vielen "ernsthaften" Astrofotografen die Fußnägel hoch, bei dem was ich so mache. Ich zeige Bilder auch auf Astrobin um von überall Zugriff darauf zu haben, habe aber die Option gewählt von allen Wettbewerben ausgeschlossen zu werden. Nicht daß ich ernsthaft annehme, daß ein Bild von mir jemals für eine "top pick nomination" ausgewählt würde. Ich will aber erst gar nicht der Versuchung erliegen, daß ich Bilder so mache, daß sie dem Geschmack irgendeiner Jury entsprechen müssten und brauche auch nicht in eine Materialschlacht gehen, um in der Jagd ums beste Bild bestehen zu können.
    Wobei wir aber wieder beim Thema wären. Durch Internet und Social Media setzen sich heute viele unter Druck in einem echten oder eingebildeten Wettbewerb bei der Astrofotografie bestehen zu können, denke ich. Vielleicht täusche ich mich, aber das stand früher wahrscheinlich nicht so im Vordergrund. Aus diesem Blickwinkel gesehen wird Astrofotografie heute anspruchsvoller gemacht.


    Gruß


    Heiko

  • Hallo,


    ich denke, dass das Wort "anspruchsvoller" nicht wirklich den Kern trifft. Ich würde sagen "mühseliger" trifft es wohl besser. Dh. man musste damals ziemlich hohe Hürden überwinden, um überhaupt zu einem Ergebnis zu kommen, zumindest wenn man als Ergebnis ein vorzeigbares Foto sieht. Heutzutage ist die Eintrittsschwelle im Vergleich dazu sehr niedrig, hauptsächlich weil die Bildaufnahmetechnik sich extrem entwickelt hat. Früher waren die Unterschiede von Gut und Schlecht sehr von der "Kunstfertigkeit" des Fotografen und der verwendeten Fototechnik abhängig. Heutzutage unterscheiden sich die Ergebnisse bei handwerklich guter Ausführung nur noch wenig, hauptsächlich weil die Fototechnik bezüglich Empfindlichkeit nicht mehr viel Optimierungsspielraum hat, Quanteneffizienz fast 1 und extrem niedriges Rauschen, da unterscheiden nur Nuancen. Das Seeing und ein dunkler Himmel sind dann wohl eher die Qualitätskriterien.
    Die visuelle Astronomie dagegen ist meiner Ansicht nach ein Sonderfall, der Fels in der Brandung sozusagen. Am Detektor (Auge) ändert sich nichts, und ein guter Himmel sowie ein gutes und großes Teleskop, waren schon immer der Dreh- und Angelpunkt, außer man "Cheatet" mittels EAA ;)


    Wo geht es meiner Ansicht nach hin:
    - Teleskopgröße stagniert im Amateurbereich, 0,5m Apertur ist schon eine Ausnahme und entsprechend teuer
    - Kameratechnik entwickelt sich wohl eher in Richtung große Sensoren, bzw. Bildfelder und extrem schnelle Bildfolgen, bspw zur Kurzbelichtung, die eigentliche Empfindlichkeit ist wohl nicht mehr zu steigeren
    - Gemeinschaftsprojekte mit in Summe extrem langen Belichtungszeiten sind vllt. die Zukunft
    - Vllt auch Zusammenschlüsse von ambitionierten Amateuren in Bezug auf gemeinschaftliche Sternwarten in astronomisch gutgelegenen Regionen
    - die Goldgräberstimmung mit Zufallsentdeckungen von Kometen, Planetoiden, usw. gehören wohl der Vergangenheit an, spätestens wenn die Profis mit dem LSST (C.Rubin) den kompletten (Süd)himmel mit 24-25mag in 3 Tagen komplett abgrasen. Auf der Nordhalbkugel haben wir wohl noch etwas mehr Zeit und Supernovazufallstreffer wird es wohl noch weiter geben.
    - vllt. tritt auch die Amateur-Spektroskopie ein bisschen aus dem Schattendasein heraus


    Aber alles halb so wild, ich freue micht trotzdem über das schöne Hobby.


    Vg Tino

  • Hallo,


    mir ist bewusst, dass das Thema viel Spielraum für Meinungen und Spekulationen bietet. Aber dies ist auch so gewollt und die bisherigen Beiträge sind hochinteressant. Man kann gut erkennen, welche Sprünge die Fortschritte im Bereich Astrofotografie gemacht haben und wie dies von den Anwendern wahrgenommen wurde.


    Das Beispiel von Jürgen mit den Läufern und Fahrradfahrern finde ich übrigens sehr gut gewählt.


    Gruß


    Carsten

  • Hallo Carsten und alle,
    ich erlaube mir mal das Thema etwas zu erweitern, wie Tino das oben schon angedeutet hat.
    Wie wird Amateur-Astrofotografie in 10 oder 20 Jahren gemacht? Wird sie überhaupt noch gemacht?
    Ich glaube ja und ich glaube es gibt ein paar neue Aspekte. Mal so als Brainstorming:
    CCD Kameras haben ausgedient, Cmos Kameras werden weiter entwickelt. Ein Ausleserauschen von unter 1 Elektron ist heute schon möglich. QE ist kaum noch zu steigern. Guiding gehört der Geschichte an, es werden möglicherweise schon direkt auf dem Chip die Bilder gestackt. Kurzbelichtung dann natürlich. Die Chips werden vllt. in Form von Kugelsegmenten gebaut werden und es lassen sich ganz neue Teleskopdesigns realisieren. Dann würde man ein Teleskop mit perfekt abgestimmter Kamera zusammen kaufen. F/3 wäre dann Standard vllt, auch 2,5 oder 2,0 oder so. Die Spiegel werden immer größer werden oder es wird einen Trend zum "Facettenauge" geben. Viele gleiche Teleskopspiegel nebeneinander deren Daten miteinander verrechnet werden. Nicht nur addiert, sondern intelligent verrechnet z.B. das schärfste der vielen Bilder dient als PSF zur Kalibrierung der anderen. Vielleicht gibt es auch bald eine Software die von vorne herein Abbildungsfehler selektiv aus dem Bild heraus rechnet. Aufnahmesoftwaren für Planeten zeichnen vllt. nur noch dann ein Bild auf, wenn es gut ist, das wäre vermutlich auch jetzt schon möglich.
    An den Erfolg von Gemeinschaftsbelichtungen glaube ich eher nicht. Zu sehr steht das "Werk" des Einzelnen im Vordergrund. Dafür wird es mehr Remote Teleskope geben so nach dem Motto "Klick and Play". Remote muss nicht Namibia sein, sondern vllt. in einem Sternenpark, in einer von zig vermieteten Parzellen oder ganz einfach auch im eigenen Garten. Ich glaube auch, dass sich Dobsons in der Astrofotografie durchsetzen werden. An Teleskopen in Umlaufbahnen wiederum nicht. Die Auswirkungen des Seeing werden vermutlich irgendwie reduziert, vermutlich eher schlecht als recht aber etwas bestimmt, und zwar durch Quasi-aktive und adaptive Optiken. Die Lichtverschmutzung wird als richtige Umweltverschmutzung anerkannt, nicht wegen uns paar Leuten sondern wegen der Insekten und wird (etwas) reduziert. Gleichzeitig wird es ganz neue Filter geben die viele sehr schmalbandige Durchlässe haben und so der Lichtverschmutzung (etwas) entgegen zu setzen haben. Der Belichtungsmarathon einzelner geht dabei sicher noch weiter. Satelliten stellen kein Problem mehr dar, sie werden "intelligent" erkannt und gar nicht erst aufgezeichnet. Vielleicht wird man auch Zugriff auf ehemaligen Profisternwarten bekommen, die als "Geschäftsmodell" ihre Belichtungszeit an Amateure verkaufen.
    Und wenn ich mal ganz, ganz weit in die Zukunft denke, dann brauchen wir nicht einmal mehr Spiegel. Die High-Tec-Sensoren liegen flach auf dem Boden und rechnen zu jedem Photon das herein kommt die Richtung aus, aus der es kommt und erstellen daraus ein Bild.
    Rumspinnen kann man viel, ich weiß.
    Was mich persönlich betrifft so liebe und hasse ich gleichzeitig meine kalten Finger und Füße, aber drauf verzichten geht auch nicht.
    Wenn es doch nur mal wieder dazu kommen würde :)
    Gruß,
    ralf

  • Hallo zusammen,


    ich finde solche Diksussionen haben etwas wie "früher hattten wir einen Kaiser" und "früher war mehr Lametta". Das geht ein bisschen in die Richtung, früher war alles besser. Und vielleicht auch ein bisschen Neid, früher war es nicht so einfach.


    Früher hatten wir Kohleöfen und keine modernen Heizungen. Früher mussten wir aufs Plumpsklo in den Hof. Das lässt sich beliebig fortsetzen. Da trauert niemand den alten Zeiten nach.


    Es gibt die einen, die nutzen jeden technischen Fortschritt. Ich auch. Mit dem eVscope spare ich erheblich Zeit. Seit Monaten war kaum klarer Himmel. An wenigen Tagen mal für 1-2 Stunden. Mit früheren Ausrüstungen wäre ich noch nicht mal mit dem Aufbau fertig gewesen und die Wolkendecke wieder geschlossen. Heute kann ich eben auch mal eine Lücke von 60 min nutzen, weil der Aufbau nur wenige Minuten dauert. Übrigens gibt es gerade ein Kickstarterprojekt für einen Stativkopf, der Astrofunktionen haben soll, so dass auch mit Kameras die Astrofotografie erleichtert wird.


    Und es gibt die anderen, die das handwerkliche lieben, eben das Aufbauen, das Ausrichten usw. Die selbst Teleskope bauen oder eben ihre Beobachtungen zeichnen. Und da staune ich wie ein kleines Kind, ich bewundere es. Es würde mir nie einfallen, zu sagen, brauche man doch nicht, ginge mit Fortschritt schneller und besser.


    Ja und so hat jeder seine Berechtigung. Aber da muss man nicht an mehr Lametta nachhängen. Sondern sich über sein Hobby freuen und jedem sein Pläsierchen lassen :)


    Viele Grüße bei dem trüben Wetter


    Jürgen

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