Pulsar im Krebsnebel No.2

  • Hallo,


    angespornt durch die tolle Darstellung des Pulsierens des Pulsars im Krebsnebel im Thread:
    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=257999
    habe ich nochmal eine etwas ältere ultrakurzbelichtete Bildserie vom Februar 2017 bildbearbeitungstechnisch durchgesehen und ich habe auch das Problem gefunden, warum ich damals ohne Ergebnis aufgegeben habe. Aber zuerst das Resultat:
    (Leider sind alle Bilder in x und y gespiegelt, ich bitte um Entschuldigung)


    Bild1: Krebsnebel M1 mit Pulsar NP 0532 (rechts oben), Aufnahmedatum 21.01.2017. Pulsarperiode 33,371ms, dargestellt mit jeweils 3,4ms Einzelbildern, welche aus jeweils phasenrichtigen Stacken von 7600 Einzelbildern mit 5ms Belichtungszeit (38s pro Phasen-Bild) entstanden sind.



    Bild2: 3x Vergrößerte Darstellung


    Die Aufahmebedingungen waren damals:
    Aufnahmedatum: 21.01.2017
    Teleskop: Meade 12" ACF mit 3000mm Brennweite
    Kamera: ANDOR IXON 897D EMCCD (16µ Pixel, 90%QE, -80°C Kühlung) mit 300x EM-Gain, nur Luminanz
    Einzelbelichtungszeit: 5ms
    Bildserie: ~76000 Einzelbilder
    Bildfolge/Kadenz: 34,99ms (Bildfrequenz bei 256x256 und 5MHZ Auslesefrequenz)



    Bild3: Bildfolge von 100 Einzelbildern zur Veranschaulichung, Bei 5ms Belichtungszeit ist nur 1 Stern mit etwa 11mag links unten zu erkennen. Der Bildausschnitt wurde extra so eingestellt das dieser Stern gerade noch mit drauf ist, da das die einzige Möglichkeit für ein Alignment ist.


    Bild4: Summenbild ohne Alignment



    Bild5: Summenbild mit Alignment, Grenzgröße ist etwa 19mag bei 380s Gesamtbelichtungszeit. Der Hintergrund ist etwas "wellig", die Kamera fühlt sich bei solch extrem kurzen Belichtungszeiten nicht so ganz wohl.



    <b>Wo war 2017 der Fehler und wie habe ich es jetzt gemacht?</b>
    Kurzum habe ich nicht gut genug zum Pulsar recherchiert und es war auch eine ganzschöne Datenschlacht mit vielen Fehlversuchen. Es ist nämlich extrem wichtig, dass die Periode des Pulsars und das Bildaufnahmetiming bei den tausenden Bildern auf Bruchteile von µs bekannt ist und auch ausreichend stabil über die Aufnahmedauer (~2700s) bleibt.


    Nach neuerlicher Untersuchung sind folgende Parameter herausgekommen:


    <b>(Berechnete) Pulsarperiode (21.01.2017): 33,371ms</b>
    (habe ich per Excelsheet und den aktuellen Timingparametern gerechnet, ändert sich schon merklich, aktuell ist sie bei 33,378ms)


    <b>Bildfolge/Kadenz: 34,98285ms</b>
    (musste ich exakt mittels FFT bestimmen, alles andere funktioniert nicht)


    Damals hatte ich mit ungenauen und auf 2 Nachkommastellen gerundeten Werten gerechnet. Das geht dann nur über einige 100 Bilder gut, dann läuft das Stacking aus der Phase. Es ist halt leider eine doch recht lange Bildfolge über 76000Bilder notwendig.


    <b>Praktisch, bzw. Softwaretechnisch habe ich das unter Verwendung von ImageJ (bzw. AstroImageJ) realisiert. [Ich liebe das Programm :)]</b>
    - alle Bilder sind abfolgerichtig in einem TIFF-Bildstack von insgesamt 9,2GB gespeichert
    - ich lasse ImageJ per skript die Bilder durchzählen und das Programm berechnet die jeweilig Phase des Bildes mittels der exakten Pulsarperiode sowie der genauen Bildkadenz und der Position des Einzelbilds im Stack
    - das Programm schreibt dann in die Einzelbilder des TIFF-Stacks den Label als Metadaten, wobei im Label die ausgerechnete Phase steht
    - anschließend kann ich die Bilder automatisch nach dem Phasenlabel sortieren, bzw. in Bins eingruppieren
    - Stacken und fertig
    - kann man mit dem ImageJ alles komplett skripten und vollautomatisiert durchlaufenlassen


    Die für die phasenrichtige Berechnung erforderliche Bildkadenz, bzw. die Phasenverschiebung habe ich mit ImageJ und QtiPlot bestimmt. Ist schon etwas trickreich, da faktisch nur einzelne Photonen ankommen:
    1. 4 Pixel an der Position des Pulsars pro Bild summieren
    2. in z-Richtung des Bilderstacks auswerten (plot z-axis profile)
    3. diese Zahlenreihe exportieren und mittels QTIPlot importieren und eine FFT drüberlaufen lassen.
    4. Position des/ bzw. der Peaks auswerten, siehe unten:


    Bild6: FFT Auswertung mit QTIPlot


    Mit der FFT kann man die Frequenz des Pulsars bezogen auf die Bildfolge superexakt auswerten. Die Messung ergibt, dass die Phase sich alle 1 / (0,037113 +- 0,00001) Bilder mit ausreichend hoher Genauigkeit wiederholt, nominell also alle 26,94473 Bilder. Thats it!


    Vg Tino

  • Super Tino,
    und dabei hast du nicht mal sonderlich gutes Seeing erwischt. Tja, was alles noch so in unseren Daten steckt ist schon toll. Freut mich für dich, dass das jetzt doch noch geklappt hat.
    Sollte ich es auch noch mal versuchen, dann schicke ich dir meine Bilder, du kannst das ja jetzt ;)
    Viele Grüße,
    ralf

  • Hallo Tino,


    große Klasse, auch von mir Respekt für die Ausdauer und die Durchführung des Projektes!


    Gruß, Gerd

    Es schaute mich an - und ich schaute Es an.
    Und errötend wich Es zurück - das Universum.


    Bresser 102/460 | Tasco 76/1200 | Tasco 60/1200 | Tasco 60/900 | Tasco 60/700 | Tasco 50/600 | Minolta Bino 10x42 | Kasai s'Gucki 2.3x40

  • Hallo Ralf, Gerd, Martin, Winni,


    danke für eure Kommentare. Man sollte immer neugierig bleiben und manchmal bedarf es einfach auch etwas Zeit, um alles richtig zu bedenken.
    Ich hatte die Bildserie damals vor 4 Jahren aufgenommen und hab auch Verschiedenes ausprobiert, die Pulsation war aber nicht herauszuarbeiten. Die Enttäuschung war daher schon recht groß und die Flinte lag dann auch recht schnell im Korn, leider wie sooft.
    Als Martin dann seinen tollen blinkenden Pulsar gezeigt hat, hat mich der Ehrgeiz nochmal gepackt. Die notwendigen Berechnungen habe ich damals aber im nachhinein nicht konsequent genug durchgeführt, hatte auch um ehrlich zu sein mit der falschen Pulsarperiode gerechnet. (Wikipediaangabe: 33.5028583 ms[2])) Habe schlauerweise den Kommentar überlesen, dass dieser Wert der aktuelle für 2006 war. Hatte auch die Größenordnung für den SpinDown unterschätzt, aber irgendwo muss ja die Leuchtkraft herkommen. Der Pulsar hat auch schon seit seiner Entdeckung in den 70ern 0,5Hz von etwa 30Hz eingebüsst.


    Btw. Interessant sind diesbezüglich auch die Untersuchungen und Erklärungsversuche für die sporadisch auftretenden "Anti-Glitches". Dh. der Pulsar rotiert normalerweise recht gleichmäßig immer langsamer, verursacht durch die stetige Energieabgabe aufgrund der schnellen Rotation und des starken Magnetfelds. Nach einem sogenannten "Anti-Glitch" teilweise aber um (10^-5)Hz schneller. Eigentlich genau andersherum, als man erwartet hätte. Dies wird derzeit durch eine differentielle Rotation des festen Kerns, einer suprafluiden Zwischenschicht und der festen Kruste erklärt. Dh. die Kruste wird mit der Zeit langsam abgebremst, der Kern rotiert aber noch schnell. Durch einen nicht bekannten physikalischen Effekt geht das nur bis zu einer bestimmten Differenz in der Rotationsgeschwindigkeit gut, dann wird die Kruste wieder mitgezogen. Richtige Glitches, also mit Verlangsamung der Rotation, tritt meisten nur bei Magnetaren auf und ist mit einem gigantischen Energieausbruch begleitet. Hier wird vermutet, dass durch die erhöhte Abbremsung (durch das tausendfach stärkere Magnetfeld der Magnetare), die geometrische Form des Neutronensterns (Rotationsellipsoid) sich den veränderten Parametern anpasst und durch die feste Kruste, dies katastrophal erfolgt. Dies erzeugt spezielle GRBs (Gamma-Ray-Burst), welche teilweise so stark sind, dass u.U. die obere Atmosphäre, bzw Ionosphäre und das Magnetfeld der Erde sogar messbar beinflusst wird. ( siehe auch https://en.wikipedia.org/wiki/SGR_1806%E2%88%9220 ). Wirklich sehr spannend. Das man diese Monster an der "Grenze der Physik" sogar als Amateur im Hobbymodus darstellen kann (zumindest den Krebspulsar), ist echt der Hammer.


    Zurück zum Thema: Der ausschlaggebende Punkt für die neuerliche, nun doch einigermaßen erfolgreiche Bildbearbeitung, war die FFT-Auswertung der realen Daten. Hier bekommt man die zur Berechnung notwendigen Werte ziemlich genau auf dem Tablett serviert. Mit großem Fleiss, Ausprobieren und Rantasten kommt man bei den Datenmengen leider nicht mehr zum Ziel. Mit 300mm Apertur sind halt bei 16mag und 5ms Belichtungszeit nur noch durchschnittlich etwa 1-2Photonen am Start. Für ein einigermaßen gutes SNR müssen dann schon viele hunderte bis tausende Bilder phasenrichtig gestackt werden. Eigentlich erstaunlich, dass das trotzdem irgendwie funktioniert.


    (==&gt;)Ralf - Das Seeing war eigentlich ganz ordentlich, aber das Alignemt mit dem extrem verrauschten 11mag Sternchen ist halt dann mehr schlecht als recht. Und das Sampling ist auch mit nominell 1,1asec/Pixel ziemlich grob. Für einen Auflösungrekord hats also leider nicht gereicht. ;)
    Was macht eigentlich dein 16er Newton? Ich habe mir 2019 auch einen Gebrauchten für &lt;1k€ mit Carbontubus geschnäppert, mit f/4,5 ist das Ding aber schon sehr unhandlich. Es gab aber leider noch kein first Light, mache derzeit ziemlich wenig fürs Hobby.


    Genug geschwafelt.


    Vg Tino

  • Hallo Tino,
    ja, die Zusammenhänge und Hintergründe sind wirklich spannend und das sehen wir (also ein bisschen) mit unseren kleinen Teleskopen. Übrigens kann man auch bei dir, ganz knapp zwar, den Zwischenpuls erahnen. Dein Beitrag und auch der von Martin passen gut zu dem anderen Thema hier, ob nämlich die Astrofotografie einfacher geworden ist. Wer hätte vor 20 oder 30 Jahren gedacht, dass wir einem Pulsar beim pulsieren zusehen können. Exoplaneten sind ja auch gerade im Kommen.:-)
    Meinem 16er Dobson geht´s gut, er leidet nur an Unterbeschäftigung. Ein paar Tests konnte ich machen. F3,3 mit Reducer passt sehr gut. Hintergrundlimitiert nach 0,5s ! Also das Limit ist es nicht, aber ich habe schon 7 von 100 Graustufen. Die Optik ist zumindest keine Gurke. An den Krebsnebelpulsar werde ich aber wohl erst einmal nicht heran gehen, das Feld ist ja nun "abgegrast" :)
    Viele Grüße,
    ralf

  • Hallo,


    um das Projekt abzuschließen, habe ich nochmal die Parameter zur Phasenberechnung durchvariiert und der endgültige optimale Wert für die Kadenz ist:
    Bildfolge/Kadenz: 34,98270ms (anstatt der ursprünglich angewendeten 34,98285ms, also nur 150ns weniger)
    Dies hat einen deutlichen Einfluss auf die Sichbarkeit des schwächeren Interpulses und auch die Periode lässt sich nun durch insgesamt 20 Zwischenbilder darstellen.
    Dies entspricht dann einer zeitlichen Auflösung von 1,69ms, welche aber mit der 5ms Einzelbelichtungszeit gefaltet ist.



    Finale Bildsequenz der Pulsation des Krebs-Pulsars, Bildausrichtung ist auch korrigiert.



    Zeitlicher Verlauf der Helligkeit bei 34,98285ms Kadenz, ursprüngliche FFT Auswertung.



    Zeitlicher Verlauf der Helligkeit bei 34,98270ms Kadenz, optimierte Auswertung. Die Modulation und der Zwischenpuls ist nun viel besser aufgelöst.


    Vg Tino

  • Hallo, Tino,


    Riesenrespekt für Deine Mühen und prima, dass Du die optimalen msec und sogar nsec für das tolle Ergebnis gefunden hast! Sehr eindrucksvoll, und schön zu lesen, dass hierfür sogar schon ein 12" Teleskop, ohne Nachtsichtgerät als Signalverstärker, ausreichte.


    viele Grüße und endlich wieder cs für Alle
    Andreas

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