Unsere Sonne 3 (7) - Das "Gewicht" der Sonne

  • Das "Gewicht" der Sonne oder die Gravitationskonstante G


    Jetzt hatte man ja zufriedenstellend genaue Werte für Entfernungen im Sonnensystem. Für die Bestimmung der Masse der Sonne war es aber mit der Bestimmung ihres Abstandes zur Erde alleine noch nicht getan. Um das genauere "Gewicht" der Sonne festzulegen, brauchte man die Masse eines Körpers, der an die Sonne gebunden ist, und da lag ja unsere Erde am nächsten. Also mußte erst mal die Erdmasse so genau wie möglich "gemessen" werden.


    Und das kann man nur mit Hilfe der sogenannten GravitationsKonstanten G. Die Erdmasse kann man natürlich nicht "messen", die GravitationsKonstante aber doch. Sie ist eine der drei fundamentalen Naturkonstanten, unveränderlich wie die Lichtgeschwindigkeit c und das WirkungsQuantum h.
    Die Konstante G bestimmt die Stärke der Gravitation und hat heute den Wert G=(6,67430 + 0,00015) 10-11 [m³/(kg s²)]. Eingesetzt in Newtons Gravitationsgesetz ergibt sie direkt die Kraft, die zwischen zwei Körpern wirkt im Verhältnis zu deren Abstand: F=G m1 m2/r2 [kg m/s²] und in Einsteins ART bestimmt sie die Krümmung der Raumzeit.


    Wir wissen ja, daß die Gravitation die schwächste der vier Naturkräften ist, und das sieht man an dem Faktor 10-11. Besonders anschaulich wird das, wenn man das Verhältnis der Anziehungskraft zweier Protonen zu deren abstoßenden elektrischen Kraft betrachtet: F(grav) ~ F(elektr) 10-34. Sowas kann man ausrechnen.


    Die G Konstante zu messen ist natürlich wahnsinnig schwer und kompliziert und so ist auch der heutige Genauigkeitsgrad verglichen mit den anderen physikalischen Größen immer noch viel, viel kleiner. Wenn man zB heute das Massenverhältnis Erde-Sonne auf 10 Stellen genau kennt, so wird es für G schon nach der vierten/fünften Stelle hinter dem Komma ungenau.
    Und das hat seine Gründe. Man kann ein "genaueres" G nur im Labor messen mit Hilfe von perfekten Kugeln. Himmelskörper eignen sich nicht dazu. Schon die Fallbeschleunigung g auf der Erde variiert. Die Erde ist also alles andere als eine perfekte Kugel.


    1798 machte der Engländer Henry Cavendish als erster den Versuch, die Anziehungskraft zwischen zwei Körpern mit Hilfe einer Gravitationswaage zu messen und das mit sehr gutem Erfolg.
    Eine Gravitationswaage ist schon in sich ein kompliziertes Ding. Es handelte sich dabei um eine befindliche Drehwaage, die er für seinen Zweck erheblich verbessern mußte. Grob beschrieben, so ziehen zwei 300kg Kugeln zwei 1,5kg Kugeln an, die letzteren aufgehängt, horizontal drehbar, an einem sogenannten Torsionsdraht. So einen Draht kann man eichen, so daß die Drehkraft Ft einem Drehwinkel entspricht, den man ablesen kann.
    Der gute Cavendish brauchte ein Jahr, bis er zufrieden war. Der geringste Atemzug oder die geringste Temperaturänderung verfälschte schon das Ergebnis. Dieses las er mit einem Fernrohr ab. Und es lag nur ca 1% über den heutigen besten Messungen. Alles um die Meßanordnung herum beeinflußt die Messung. Ein PKW, der auf den Parkplatz fährt, ergibt schon ein anderes Resultat.


    Jetzt hätte ja Cavendish mit Hilfe der gemessenen Torsionskraft Ft die Konstante G direkt ausrechnen können, dem war aber nicht so. Man wendete damals immer noch Newtons Gesetz in Proportionalitäten an und das sah dann so aus:
                                           Ft/FE = (Mt/ME) (rE²/rt²)
    und in Worten: Die Drehkraft Ft verhält sich zur Gewichtskraft der kleinen Kugeln FE wie die Massen der größeren Kugeln Mt zur Erdmasse ME und umgekehrt proportional zum Quadrat ihrer Mittelpunktabstände Erdradius rE und dem Mittelpunktabstand große Kugeln-kleine Kugeln rt.


    Damit ist die Erdmasse ME die einzige Unbekannte und kann ausgerechnet werden. Damals sprach man ganz allgemein davon, daß Cavendish die Erde gewogen hätte. Und die Sonne hatte er ja damit auch "gewogen", denn man hatte ja das Massenverhältnis und das auch schon ziemlich genau.


    James Cavendish war ein reicher, adliger Einzelgänger, der ein sehr bescheidenes Leben führte. Er beschäftigte sich mit elektrischen und vor allem chemischen Experimenten, veröffentlichte aber nur wenig. Bekannt war er vor allem wegen dem oben beschriebenen Gravitationsexperiment und der Entdeckung des Wasserstoffs. Man hatte von den Elementen noch kaum eine Ahnung. Im 18:ten Jahrhundert wendete man die sogenannte "Phlogistontheorie" an, um sich chemische Vorgänge erklären zu können. Phlogiston (altgriechisch: verbrannt) war eine hypothetische Substanz, die bei Verbrennung den Körpern entweicht und bei Erwärmung wieder in sie eindringt. Diese Substanz glaubte Cavendish gefunden zu haben, als er Experimente mit Säure auf Metallen durchführte. Er nannte es "brennbare Luft" und als er das Gas einsammeln konnte, machte er richtige Knallgasexperimente und stellte fest, daß das Restprodukt Wasser war. Damit war der Weg frei, die "brennbare Luft" Wasserstoff zu nennen und dem Sauerstoff kam man auch bald auf die Spur. Er selber hielt doch Zeit seines Lebens an dem Phlogiston fest.
    70 Jahre nach seinem Tode 1810 studierte James Maxwell, der "Vater" der ElektroDynamik, Cavendishs Nachlaß und stellte fest, daß viele seiner Arbeiten durchgearbeitet und veröffentlichungsreif waren und mehrere spätere Errungenschaften wie etwa das ohmsche Gesetz und das Prinzip der elektrischen Leitfähigkeit enthielten.


    Es dauerte noch bis 1873, bis die Konstante G allgemein eingeführt wurde und sie berechnet sich nach folgender Formel:
                                              G = Ft rt2 / (mt Mt) ,
    wobei ja noch mal Ft die Drehkraft war, rt der Mittelpunktabstand große Kugeln-kleine Kugeln, mt die Masse der kleinen Kugeln, Mt die Masse der großen Kugeln und als Einheit kommt dann [m³/(kgs²)] heraus.


    Jetzt hatte man die Sonnenmasse als ein Vielfaches der Erdmasse, aber man kann auch die erstere direkt ausrechnen mit Hilfe von G und Keplers drittem Planetengesetz.
    Dabei setzt man die Anziehungskraft Erde-Sonne gleich der Radialkraft der Erde um die Sonne herum. Die Erdmasse kürzt sich dann weg und übrig bleibt:
                          MSo = 4 π2 r3/( T2 G) = 1,9884 1030 kg .
    Keplers drittes Gesetzt erkennt am r³/T² =1= T²/r³ für alle Planeten, wobei T die Umlaufzeit in Erdjahren war und r die große Ellipsenhalbachse in AE, in der Formel natürlich eingesetzt in Sekunden und Metern, weil ja Kraft die Einheit [kg m/s²] hat.


    Dieser Wert für die Sonnenmasse ist der allgemein heute angegebene und hat eine Unsicherheit von +0,00025 1030 kg. Teilt man die Sonnenmasse durch 332.946,048 kriegt man den Wert für die Erdmasse = 5,9722 1024 kg und die Unsicherheit der Sonnenmasse ist dann ungefähr +42 Erdmassen.


    Die Berechnung der Sonnenmasse ist dabei noch relativ einfach, weil der Abstand Erde-Sonne ja riesengroß ist und die Erdmasse nur ein kleiner Bruchteil der Sonnenmasse ist. Und damit stimmt der gemeinsame Massenmittelpunkt mit dem Sonnenmittelpunkt mit guter Genauigkeit überein.
    Beim Erde-Mond-System wird das dann viel komplizierter, wo zB der gemeinsame Massenmittelpunkt nicht mit dem Erdmittelpunkt zusammenfällt, sondern sich nahe unter dem Erdboden befindet, und die Massen ziemlich vergleichbar sind.


    Betrachtet man Sonnen- Erdmasse als Zahl in kg, so sagt einem das eigentlich nicht viel. Selbst für den Abstand Erde-Sonne in km haben wir erst seit ein par Jahrzehnten eine mehr praktische Erfahrung bekommen auf Grund all der Satelliten und Raumsonden, die wir durch unser Planetensystem schicken.
    Nehmen wir an, unsere Milchstraße beinhaltet 200 Milliarden Sonnenmassen, könnte man auch schreiben

    2 x 1011 x 1,9884 x 1030 kg ~ 4 x 1041 kg. Für "OttoNormalRechner" ziemlich unbrauchbar.
    Deshalb wendet man gerne MSo, ME, AE und LichtJahr praktisch als astronomische Maßeinheiten an.

    Die Sonne erscheint uns als ein gestochen scharfer Ball am Himmel und außerhalb der Erdatmosphäre ist es genauso. Das liegt daran, daß das sichtbare Licht, das sie ausstrahlt, von der sogenannten PhotoSphäre her kommt, die nur einige 100 km dick ist. Man kann diesen scharfen Sonnenrand genau so gut als den Sonnendurchmesser definieren und den kann man relativ einfach ausrechnen. Die Winkelausdehnung mit dem Abstand 1 AE ergibt schon einen guten Wert mit 1.392.546 km.
    Der genaue, heutige Wert stammt von den Auswertungen langer Bilderserien der Merkurtransite von 2003 und 2006 und ergab 1.392.684 km ±130km, aufgenommen mit einem Satteliten SolarTeleskop.
    Hier das phantastische Bild von dieser Begebenheit: (Merkurtransit). (Weiter hier)



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