Unsere Sonne 2(7) - Die Sonnenparallaxe

  • Der mittlere Abstand Erde-Sonne oder die SonnenParallaxe


    Wie die Sonnenmasse MSo ist auch der mittlere Abstand Erde zur Sonne eine astronomische Maßeinheit und wird Astronomische Einheit AE oder AU (engl. unit) genannt. Die rechnerischen Vorarbeiten, um diese Maßeinheiten zu ermitteln, hatten Keppler und Newton geleistet.
    Man hatte damals aber nur eine ungefähre Ahnung von Größen und Abständen der Himmelskörper. Man konnte nur auf das sehr Ungefähre das "Gewicht" unserer Erde abschätzen und für den Abstand zur Sonne galt ein Wert aus der Antike, der dann von Jeremia Horrocks und seinem Venustransit 1639 erheblich verbessert wurde, aber exakt war das nicht und das wußte man.
    Und was die Masse der Sonne betraf, half auch nicht Newtons Gravitationsgesetz, das nur Proportionalitäten beinhaltet: Die Gravitationskraft ist proportional zu der Größe von zB zwei Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes der beiden Massen.


    Man wußte aber, daß die Sonne viel größer als die Erde sein mußte. Horrocks nahm einfach an, daß die Venus ungefähr so groß wie die Erde ist. Als er dann das Venusscheibchen in der Sonne sah, sah er ein, daß diese ganz riesig sein mußte, und damit hatte man eine gewisse Auffassung von den Größenordnungen im Sonnensystem. Die Erde war ja sehr groß, die relativen Planetenabstände waren bekannt seit Kepler: die Sonne mußte also wahnsinnig riesig sein.


    Und weil man in der Wissenschaft immer alles so genau wie nur möglich wissen will, wurde die Bestimmung dieser Größen zur Hauptaufgabe der Astronomen im 17:ten und 18:ten Jahrhundert.


    Mit der Berechnung von Entfernungen im Sonnensystem fing es an. Johannes Kepler war der erste, der Himmelsereignisse überhaupt genau berechnen konnte und das auch tat mit den Venus- Merkur- Transiten 1631. Merkurtransite kommen mindestens einmal per Jahrzehnt vor, Venustransite sind aber selten und kommen alle Jahrhunderte vor und dann immer gleich zweimal. Der Venustransit von 1631 ging der Astronomiegemeinde unbemerkt vorbei, weil er in Europa kaum beobachtbar war. 1639 kam doch schon der nächste Venustransit, der diesmal Spuren hinterließ.
    Jeremiah Horrocks war es, der erstmalig so einen Durchgang durchdacht beobachtete und als erster einen "realistischen" Abstand zur Sonne entsprechend ungefähr 95 Millionen km errechnen konnte. Er hatte ja das Venusscheibchen gestochen scharf in der Sonnenscheibe und konnte dessen Winkelausdehnung (scheinbarer Durchmesser) zu ca 70 Bogensekunden bestimmen. So besonders genau war das nicht und es wurde ja auch nicht besser, daß er gar nicht wußte, wie groß die Venus war. Er nahm einfach an, daß sie ungefähr so groß wie die Erde war, hatte damit beinahe recht, und heraus kam dann der Erdabstand zur Venus entsprechend 38 Millionen km. Und da er wußte, daß das Verhältnis des Abstandes Erde/Venus zu Erde/Sonne 2 zu 5 war, laut Keplers drittem Gesetz, kam er zu dem oben genannten Ergebnis.


    Schon bald war man gar nicht mehr zufrieden mit Horrocks Wert, der doch aber immerhin den bisher allgemein geltenden Abstandswert von AE=7,3 Millionen km, der noch aus der Antike stammte, erheblich verbesserte.
    Keplers Planetengesetze setzten sich mehr und mehr in der Astronomiegemeinde durch. Außer dem Venustransit hatte er auch den Merkurtransit für 1631 berechnet, der sogar in Frankreich beobachtet wurde. Einen Merkurtransit kann man aber mit bloßem Auge kaum wahrnehmen und es war der berühmte Astronom Edmond Halley, der den Merkurtransit abschrieb, nachdem er 1677 Vermessungen, so genau wie nur damals irgendwie möglich, vorgenommen hatte. Die Venus eignet sich viel besser, weil ihre Scheibe größer ist. Ihr Durchgang ist aber ein sehr seltenes Himmelsereignis.


    Wenn man also nicht raten will wie Horrocks mit seinem Venusdurchmesser, gab es und gibt es, abgesehen von heute, nur die Methode der Parallaxenvermessung und für die Bestimmung von AE ist dann die SonnenParallaxe notwendig.
    Die Sonneparallaxe ist definiert der Winkel ausgehend von ihrem Mittelpunkt auf die Erde zu mit dem Erddurchmesser als Basislinie und wird angegeben mit dem halben Wert, weil AE ja gleich der halbe Erddurchmesser geteilt durch den Tangens dieses halben Parallaxenwertes ist. Weil man aber diese Parallaxe nicht messen kann, die Sonne hat ja keinen Hintergrund, muß man den Umweg über die Planeten gehen.
    Jetzt kann man sich ja fragen, warum "Sonnenparallaxe" überhaupt, die man gar nicht messen kann. Die Antwort ist: damals gab es kein einheitliches Längensystem. Alle Länder hatten verschiedene Maßstäbe. Meter und Kilometer gab es noch nicht. Mitte des 17:ten Jahrhunderts wurde mal ein Versuch gemacht eine gemeinsame Länge zu definieren, indem man den Pendelschlag einer halben Sekunde maß, was ziemlich nahe an einen Meter herankam. Doch erst 1799 wurde der Urmeter in Paris festgelegt. Winkel aber sind und waren gleich für alle. So hat sich die Sonnenparallaxe als Maß für den Abstand bis heute gehalten.
    Am Himmel kann man ja nur Winkel und Zeiten messen, wenn man mal von Strahlung absieht. Die Planeten sind normalerweise zu weit weg für Parallaxenmessungen, weil es sich hier um Kilometer handelt und nicht um Lichtjahre wie etwa bei Abstandsmessungen zu anderen Sonnen. Nur Mars kommt hin und wieder sehr nahe. Venus und Merkur kann man gar nicht beobachten, wenn sie der Erde am nächsten sind wegen der Sonne. Und nur, wenn sie vor der Sonnenscheibe vorbeiziehen, sind sie in nächster Nähe und beobachtbar.


    Die Ableitung der Sonnenparallaxe über die Planetenvermessungen ist für uns "OttoNormalMathematiker" gar nicht so leicht und man benötigt schon vielleicht einen Tag dafür, um sich da rein zu knieen. Desto größer die Ehre für alle die Astronomen und Mathematiker, die das damals ausgeknobelt haben.


    Die Sonnenparallaxe hat Ahnen bis zurück in die Antike, als Aristarch (310/230 vChr) eine Entfernung 20 mal Erde/Mond ausrechnete. Das wurde dann erheblich verbessert von Hipparch (190/120 vChr), der eine Parallaxe von 3 Winkelminuten angab, was den schon oben erwähnten 7,3 Millionen Kilometern entspricht und sich bis ins 17:te Jahrhundert hielt. Dann stellte Kepler auf Grund von Tycho Brahes Marsdaten fest, daß man eine Planetenparallaxe gar nicht messen könnte, und daß die auf jeden Fall kleinere Sonnenparallaxe nicht größer als 1´ sein kann, was dann schon einem AE von mindestens 22 Millionen km entspräche. Und damit hatte er Recht, auf jeden Fall damals. Es gab ja noch kaum Uhren, und größere Basisabstände waren illusorisch.


    Es waren im Jahre 1672 zwei Franzosen, die es doch mit dem Mars versuchten, weil der gerade sehr nahe der Erde in Opposition stand. Sie beobachteten den Mars gegen den Hintergrund "gleichzeitig" von Paris und Französisch-Guayana aus. Das war natürlich verbunden mit Mengen von Ungenauigkeiten, doch konnten sie einen abgeleiteten Wert für die SonnenParallaxe von ca 9,5 Winkelsekunden bekannt geben oder 138 Millionen km. Sie überprüften gleichzeitig diesen Wert mit einer Methode, die schon Tycho Brahe vorgeschlagen hatte und die darauf hinausging, den Mars einmal bei Aufgang und dann beim Untergang zu vermessen. Die Basislinie auf Grund der Erdrotation konnte man ja ausrechnen und das Ganze bestätigte ungefähr den oben genannten Wert von AE. Spätere Werte, in den Jahren 1751/54 gemessen, von Mars und Venus ergaben ca 10,2 Bogensekunden, ca 10 Millionen km weniger.
    Erst 1877 mit viel besseren Teleskopen, genaueren Basisabständen und dem Mars sehr, sehr nahe der Erde wurde die Sonnenparallaxe zu 8,78 Bogensekunden berechnet, zu vergleichen mit dem heutigen Wert 8,749´´. (Weiter hier)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!