Entstehung erdähnlicher Planeten unter der Lupe

  • <b>Die Entstehung von Planeten in der Nähe ihrer Zentralsterne durch Beobachtungen zu erforschen, war bisher eine große Herausforderung. Innerhalb einer internationalen Zusammenarbeit haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg ein neues Instrument namens MATISSE eingesetzt, das nun Hinweise auf einen Wirbel am inneren Rand einer planetenbildenden Scheibe um einen jungen Stern entdeckt hat. Er scheint sich auf einer Umlaufbahn um seinen Stern zu bewegen, ähnlich der Bahn des Merkur um die Sonne. Astronomen gehen davon aus, dass solche Wirbel Orte sind, an denen kleine Teilchen zusammenströmen und wachsen, um die Bausteine von Planeten zu produzieren. </b>


    Astronomen haben bislang mehr als 4000 Planeten aufgespürt, die um andere Sterne als die Sonne kreisen. Allerdings sind Wissenschaftler immer noch damit beschäftigt, die Prozesse zu erforschen, wie sich diese Planeten aus den Scheiben aus Staub und Gas bilden, die ihre Muttersterne umgeben. In den letzten Jahren haben leistungsfähige Instrumente Nahaufnahmen von solchen Planetenscheiben gemacht. Allerdings fehlt es ihnen im Allgemeinen an Winkelauflösung und Empfindlichkeit, um die inneren Regionen der Scheiben zu untersuchen. Dort entstehen die erdähnlichen Planeten aus Gesteinsbrocken, die mit der Zeit aus winzigen Staubkörnern wachsen.


    Einer umfangreichen Kooperation von Wissenschaftlern unter der Leitung von Jozsef Varga vom Leiden Observatorium, Niederlande, und unter maßgeblicher Beteiligung von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg ist es nun durch den Einsatz eines neuen Instruments namens MATISSE (Multi AperTure mid-Infrared SpectroScopic Experiment) gelungen, diese Grenzen zu überwinden. Die Beobachtungen bei infraroten Wellenlängen liefern Hinweise auf einen Wirbel, der in einen Ring aus heißem Staub am inneren Rand der protoplanetaren Scheibe des jungen Sterns HD 163296 eingebettet ist. Der mögliche Wirbel zeigte sich als heißer Fleck, der eine Asymmetrie am inneren Rand der Scheibe erzeugt. Unter Einbeziehung veröffentlichter Daten schlossen die Wissenschaftler, dass er den Stern etwa innerhalb eines Monats umkreist. Seine Bahn befindet sich in einem Abstand zum Zentralstern, der mit der Umlaufbahn des Merkurs um die Sonne vergleichbar ist.



    Das rekonstruierte Bild der Staubscheibe (links) um den jungen Stern HD 163296, gewonnen aus den MATISSE-Beobachtungen. Das Falschfarbenbild zeigt die Wärmestrahlung der Scheibe bei infraroten Wellenlängen. Die Beobachtungen zeigten eine starke Asymmetrie, die sich als heller Fleck im oberen rechten Teil des Bildes darstellt. Ein Wirbel, der Material in einer hufeisenförmigen Region in der inneren Scheibe (rechts) konzentriert, könnte die Ursache für diese Asymmetrie sein. Er umkreist den Zentralstern in einem Abstand, der dem des Merkurs um die Sonne ähnelt. Bild: Jozsef Varga (Sterrewaacht Leiden), Heloise Meheut (CNRS/Lagrange)


    Theoretische Berechnungen sagen das Auftreten von Wirbeln in Scheiben voraus, in denen Material wie ein Tornado herumwirbelt und Staub anhäuft. „Die höhere Staubdichte bewirkt ein schnelleres Wachstum der Staubkörner als irgendwo sonst in der Scheibe. Das könnte diese Wirbel zu effizienten Fabriken für die Herstellung der Bausteine zukünftiger Planeten machen“, erklärt Roy van Boekel. Er leitet die Protoplanetary Disk Science Group und managt das MATISSE-Projekt am MPIA. Einige der neu gebildeten Felsbrocken kollidieren unter hohen Geschwindigkeiten, wodurch das Material zu winzigen Körnern zermahlen wird. Diese können höhere Temperaturen erreichen als größere Steinchen, was der wahrscheinliche Ursprung des in den Daten gefundenen heißen Flecks ist.


    Dieses spektakuläre Ergebnis wird in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics als erste wissenschaftliche Publikation des MATISSE-Teams erscheinen. „MATISSE ist ein neues Infrarot-Instrument für das VLTI (Very Large Telescope Interferometer), das die Europäische Südsternwarte (ESO) an ihrem Standort Paranal in Chile betreibt“, sagt Michael Lehmitz, Ingenieur am MPIA. „Das MPIA hat zu einem internationalen Konsortium beigetragen, das MATISSE entworfen und gebaut hat. Wir haben die empfindlichen Optiken in einen Kryostaten integriert, der sie auf -235° C herunterkühlt.“ Die anschließenden Tieftemperatur-Leistungstests wurden ebenfalls am MPIA durchgeführt. MATISSE kombiniert das von bis zu vier einzelnen VLTI-Teleskopen gesammelte Licht und führt spektroskopische und bildgebende Beobachtungen durch. Damit simuliert die Anlage die Abbildungsleistung eines Teleskops mit einem Durchmesser von bis zu 200 Metern und ist in der Lage, die detailliertesten Bilder zu erzeugen, die es je im mittleren Infrarotbereich gab.


    „Wir haben MATISSE bewusst dafür entworfen, die inneren Zonen von planetenbildenden Scheiben zu erforschen, die bisher mit den verfügbaren astronomischen Instrumenten nicht zugänglich waren“, betont Thomas Henning, Direktor am MPIA und einer der leitenden Wissenschaftler des MATISSE-Programms. „Ich bin stolz und begeistert, dass die Entdeckung eines potenziellen Wirbels in der Scheibe von HD 163296 zeigt, dass wir die Prozesse untersuchen können, die erdähnliche Planeten in geringen Abständen vom Mutterstern erzeugen.“


    Die hier vorgestellte Studie gehört zu einem umfangreichen Guaranteed Time Observation (GTO)-Programm, das die Planetenbildungsmechanismen in den inneren Zonen protoplanetarer Scheiben untersucht. In den nächsten Jahren wird das GTO-Programm viele weitere Systeme wie HD 163296 unter die Lupe nehmen. Auf diese Weise trägt es zu einem besseren Verständnis bei, wie die Bildung von erdähnlichen Planeten um eine Vielzahl junger Sterne abläuft. Das MPIA erhielt eine garantierte Menge an Beobachtungszeit als Belohnung für seine Beiträge zur Entwicklung von MATISSE.


    Weitere Infos auf den Seiten des MPIA unter http://www.mpia.de/aktuelles/w…ft/2021-02-matisse?c=2279 und beim MPIfR unter https://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2021/1

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