Hallo,
ich schreibe ja eher selten Beobachtungsberichte, aber die Eindruecke aus der vergangenen Nacht muss ich mal loswerden. Wir hatten hier in Nordostengland wochenlang Flaute, was klaren Himmel anging. Zwei Vollmondnaechte (typisch ...) mal abgesehen. Gestern sollte es klar werden, und kalt. Auch wieder logisch, dass ich nach vierwoechigem Urlaub (Coronabedingten Ferientagsstau abfeiern, "Ruhestand auf Zeit") am naechsten Tag wieder arbeiten musste. Okay, dachte ich, schickste Mrs Parsons auf den Pferdekopf und testest die Nachfuehrung von LAN. Das Ganze eskalierte dann und wurde eine wirklich gute Nacht!
Ich habe eine Sternwarte mit vier stationaer aufgestellten Geraeten, die ich noch nie gleichzeitig betrieben hatte. Dazu noch eine kleine neue Zweitsternwarte fuer ein Sonnenfernrohr, aber auch nachts nutzbar. Dass ich alle fuenf ... aber gut, der Reihe nach.
Mrs Parsons - das ist mein 200/1000er Skywatchernewton, der einmal gestartet ohne Mucken stundenlang vor sich herkreist. Mit Komakorrektor und astromodifizierter Canon EOS 40D sollte es auf den Pferdekopfnebel gehen, nebst Flammennebel und Zeta Orionis. Habe ich schon oft versucht, aber immer hatte ich Streulichtprobleme wegen eingefrorener Optik. Also EQ6 angeschmissen, und erstmal Darks geschoben, waehrend ich LAN klarmachte. Dann auf Zeta Orionis gefahren und drei Stunden lang machen lassen. Mit 1m Brennweite und 3min klappt das ohne Nachfuehrkontrolle, worueber es hier schon Debatten gab. Aber es klappt einfach. Kiste laeuft.
LAN - das hat nichts mit Netzwerken zu tun, sondern steht fuer "LArge Newtonian" - ein 257/1140er Selbstbaunewton auf Selbstbaumontierung von 1996. Der Spiegel sieht verboten aus, da der Rohling, den ich gebraucht erwerben konnte, bereits ein paar Muschelbrueche hatte. Aber die Parabel stimmt, und was mir das Teil so gezeigt hatte - auch am Planeten, trotz Fangspiegel-Klodeckel mit 30% Obstruktion, ist erstaunlich. Leider verfiel das Geraet zusehends, es rostete und die Spiegel wurden fleckig. Dennoch habe ich eine Zweiachssteuerung einer EQ5 daran adaptiert (sie blieb von der Ruppmontierung uebrig, wo diese Motoren sich im wahrsten Wortsinn die Zaehne ausgebissen hatten). So habe ich eine rostigen halbblinden Newton, und die Nachfuehrung galt es zu testen. Canon 40D drangemacht, hm. Batteriedummy tuts nicht. Also drei Batterien, alle schon etwas geriatrisch und nicht geladen. In der Nacht etwa 20 Trips durch den Garten in die Garage zum Ladegeraet ... und gleichzeitig anhand der Bilder und der Drift die Montierung einjustiert. Klappte besser, als ich dachte. Die halbblinde und angerostete Oma brachte erstaunlich viel zustande. Naechsten Sommer steht die Verjuengungskur an: Neuverspiegelung, rostfreie Achsen, Kegelrollenlager.
Hier mal ein Bild der alten Dame, links. Halbrechts der 200mm-Refraktor, ganz rechts der inzwischen in der Sonnenwarte stehende 150/750er-Weitfeldrefraktor von Helios:
Und hier das erste Bild durch LAN nach 20 Jahren. Dank Batterieproblem stattliche 2x4sek ...
... und spaeter dann 33x30sek beim Einscheinern:
Da Mrs Parsons den Komakorrektor hatte, gibt es hier bei f/4.5 natuerlich selbiges. Und das Fernrohr war nur auf die Schnelle kollimiert.
Obelix: Nun waren beide Geraete am rattern. Es war saukalt (-1.5 Grad, und fuer England ist das kalt), und der Himmel war super klar. Ein bisschen aufgehellt, weil Schnee lag und ich nicht laendlich genug wohne, um die Rueckstreuung von weissen LED-Strassenlampen nicht in Betracht zu ziehen. Dennoch, ich muss visuell etwas machen. Mrs Parsons zwei Meter hinter mir, durfte ich mit Obelix nicht zu hoch, um die Fotos nicht zu ruinieren. Obelix ist ein 14" Meade SCT auf einer alten Rupp Typ 4-Montierung mit 70/63mm-Wellen. Allerdings noch mit barockem Synchronmotor, eine durchzugsstarke Zweiachsmotorisierung kommt bald. Da beim Loeten die heisseste Stelle immer mein Finger ist, kommt das von einem professionellen englischen Astroelektronikhersteller. So what? Orionnebel! Ohne Zenitspiegel, und der Nebel zeigte sich mit dem 32mm Ploessl schon recht schoen. Mit einem Erfle 26mm und Vixen LVW17mm waren die E+F-Komponenten im Nebel klar erkennbar. Das Seeing war gut. Dann den Lumicon-Nebustarfilter (ein [OIII]-Filter) rein, und was fuer eine Augenweide mit Veraestelungen und Verwirbelungen, bei geringerer Vergroesserung mit beiden Schwingen. Immer wieder ein schoenes Objekt! Spaeter habe ich dann noch (ohne Nebustar, da Reflexionsnebel) M78 gesehen. Nicht weltbewegend - zwei Sterne mit etwas Flaum drumherum, aber auch selten so gut.
Da meine Objektwahl durch Mrs Parsons im Nacken recht eingeschraenkt war, kam nun Instrument Nummer vier zum Einsatz: Der 200/5000er Faltrefraktor. Mars zeigte sich im 17mm-Okular sehr scharf, das Seeing war gut. Die Phase klar erkennbar, zeigten sich insbesondere in einem Neodynfilter die Oberflaeche deutlich, obwohl der Mars ja im Vergleich zu letztem Oktober winzig geworden ist. Ich ueberlegte, mit der Kamera und Laptop ein Video zu machen, aber mit den beiden Deepskyinstrumenten am Werk wollte ich keinen hellen Bildschirm in der Sternwarte haben.
Spaeter schob ich den Refraktor auf den Orionnebel. Einfach mal gucken - und eine Ueberraschung. Ich konnte in diesem Geraet erstmals die E+F-Komponenten sehen! Und das mit 8 Zoll, und sogar feiner gezeichnet und kontrastreicher als mit dem 14" SCT! Da konnte ich nur schwer von wegkommen.
Dann benutzte ich noch einen 20x90-Feldstecher, um eine Vielzahl alter Bekannter abzugrasen. Gefolgt von einem Bresser-Exoten: Ein 7x50 mps, das mit austauschbaren Augenlinsen 7x50, 10x50 und 12x50 bietet. Ich hatte das Geraet erst vor einigen Wochen aus der Bucht gefischt, und es ist garnicht so schlecht. Da werde ich nochmal getrennt drueber schreiben.
E+F im Trapez mit 8" liessen mir keine Ruhe. Ich oeffnete kurzentschlossen die Sonnenwarte und versuchte es mit dem 6"-Heliosrefraktor bei f/5. Hier holte die Physik mich ein. Die vier Trapezsterne ja, aber die kleinere Oeffnung und die unvermeidliche chromatische Aberration mit ihrem Kontrastverlust machten E+F nicht erkennbar. Okay.
Aber dann ein anderes Highlight - der Rosettennebel! Mit dem Erfle32mm und Nebustar glaube ich meinen Augen nicht! Ca. 20 Jahre zuvor einmal die hellere Nordseite von Spanien aus gesehen, sah ich mit diesem Geraet fast die ganze Rosette als signifikante Aufhellung, die sich im Feld bewegte, wenn ich an der Montierung wackelte. Im Norden heller als im Sueden, der suedlichste Bereich nicht wirklich erkennbar. Ohne Zweifel, ich sah den Rosettennebel! Und das bei eine Grenzgroesse von vielleicht 5 mit einem schneebedingt aufgehellten Himmel.
Schliesslich stieg ich auf eine Leiter, um den Himmel als Ganzes zu sehen und nach dem Schneeschauer Ausschau zu halten, der nun - gegen Mitternacht - angekuendigt war. Mich am Dach festhaltend, das inzwischen einen Eispanzer hatte, schaute ich nach Osten, als mich auf einmal um 23.57 ein ca. -5mag heller Bolide anblitzte! Radiant Zwillinge, senkrecht nach unten Richtung Horizont durch Coma Berenices, zog diese Spur blauweiss aufblitzend etwa zwei Sekunden lang seine Bahn. Wenn man gerade denkt, es koennte nicht besser werden.
Schliesslich bahnte sich das Ende der Nacht nicht durch den Schneeschauer an, sondern durch zusaetzliche optische Frontelemente aus H2O, die sich auf meinen Objektiven, Schmidtplatten und Spiegeln niederliessen. Die Streuung und der Wellenfrontfehler dieser "optischen Elemente" liessen doch arg zu wuenschen uebrig. Kurz vor 1 war die Nacht vorbei, und ich machte die Sternwarten zu - nachdem ich alle fuenf Fernrohre fuer die Nacht heruntergefahren hatte.
Was mich nicht davon abbringen liess, um 7:30 morgens noch schnell ein Mondfoto mit LAN zu schiessen.
Ich hoffe, der Bericht war jetzt nicht zu technisch und er brachte ein bisschen das Gefuehl rueber, unverhofft neue Dinge zu sehen. Die feinen E+F-Komponenten des Trapezes im 200er Refraktor und der Rosettennebel im 150er Weitfeldrefraktor waren definitiv die visuellen Highlights der Nacht. Okay, dann war da ja noch diese Feuerkugel ...
Ach ja - beim Auswerten des Pferdekopfes zeigte sich natuerlich, dass das Fernrohr waehrend der drei Stunden irgendwo wiedermal vereist war. Alnitak mag das gar nicht gerne und giftet mit Streulicht herum. Ich muss mir wohl fuer Mrs Parsons eine Taukappe basteln ... okay, hier die ersten 10x3min, wo die Spiegel noch klar waren:
Trotz Flatfielding ein Gradient, wohl auch wegen einsetzenden Alnitak-Streulichts. Leider lassen sich Gradienten mit Canons Digital Photo Professional nicht korrigieren. Die Anschaffung von Pixinsight steht an. Ein nicht herauskorrigierbarer Mistknubbel im Bild wurde weggeschnitten und ist inzwischen auch physisch vom Chipfenster entfernt worden.