Kleine Exkursion mit Feldstecher

  • Ben findet meinen Vorschlag gut, dem Hochnebel, welcher in typischer Form wie ein großer Halbmond vor den Bergen im Vorland liegt, ein Schnippchen zu schlagen. Kurz nach 15:00 geht es mit dem Auto nach Süden, der dichte Nebel bremst das Tempo.
    Erst knapp vor dem Pass lassen wir den Nebel hinter uns. Ein monstermäßiger Publikumsbetrieb ist hier. 5 Euro sind zu löhnen und das trotzdem mit der Drohung ab 24:00 das Auto kostenpflichtig abzuschleppen.


    Wir steigen zuerst an der falschen Stichstraße auf und müssen 20 Höhenmeter wieder abgeben, um den richtigen Weg in Angriff zu nehmen. Noch erreicht die goldene Sonne die östlich gelegenen Berggipfel. Mein Leicht-Rucksack hat heute etwa 8kg. Kein Schlafsack, 0,75l Pfefferminztee, 0,5l Wasser und etwas zum Essen, zwei Jacken und eine Überhose und, sehr wichtig, eine Faltmatte, plus die diversen Optiken des modernen Menschen sind darin. Das trage ich mit Würde den nicht so steilen, breiten Weg hinauf. So viele Leute kommen mir entgegen und ich grüße alle. Die anderen wollen Corona auch zum Besten halten, das muss ich verstehen. Bald kommen wir zur ersten Wiese und der Waldrand im Norden sieht einladend aus, mit einigen schönen, liegenden Baumstämmen. Doch ich überrede Ben weiter zu steigen. Ich will mich noch ein wenig fordern und eine spannende Perspektive bekommen. Es ist das kleine Abenteuer, welches so wertvoll ist!
    Das Tempo verlangsamen wir, um nicht zu sehr ins Schwitzen zu kommen. An der unteren Firstalm geht es steiler bergan, dort liegen in der saftigen Sumpfwiese Steinplatten auf dem Weg. Wir sind 280hm aufgestiegen und damit auf etwa 1380m Höhe gelangt, nicht schlecht, finde ich. Ich hatte Ben ein wenig in die Irre geführt, da ich bei der Verabredung nur von einem Spaziergang gesprochen hatte. Im gefällt allerdings das ausgedehnte, steinige Grasplateau hier oben gut. Dort geht der Blick zur steilen Wiese des Brecherspitz-Vorgipfels und den einzelnen Nadelbäumen im Südosten und Süden. Schnell ist eine gute Liegestelle gefunden. Mars leuchtet schon hellorange über den Bäumen. Mars ist das Gestirn dieses Herbstes!
    Ben hat heute keine Lampe dabei, da er nicht mit einer Exkursion gerechnet hatte, und bekommt von mir die kleine 25g e+Lite Notlampe. Kleiner, leichter, und auch noch praktisch, geht Lampe kaum.
    Die Plejaden sind gerade zur Hälfte aus dem Schatten des Abhangs der Brecherspitz emporgestiegen. Die funkelnd aufgehenden Sterne vor dem schwarzen Scherenschnitt des baumbestanden Berghangs sind eine Freude.

    Ben hat seinen edlen 8x42 dabei und schaut sich den Bogen von NGC 6992 / 6995 im Cirrusnebels an. Ich tue es ihm mit dem uralten Minolta 10x50 gleich. Bens Gerät zeigt die Nebulosität merklich besser, sie ist aber in beiden Geräten leicht wahrzunehmen. Unweit steht der auffällige Sternhaufen NGC 6940, eine nahezu gleichmäßig helle, wie ausgeschnitten wirkende Form, in der einige wenige hellere Sternchen auszumachen sind.
    Die Milchstraße leuchtet sanft und angenehm strukturiert. Im Feldstecher fallen die Dunkelnebel darin sofort ins Auge.
    Im Norden steht der Große Wagen im Taleinschnitt. Dort ist der Himmel sehr aufgehellt. Vom Spitzingsee selbst geht kaum eine Lichtstörung aus. Über dem Rotwandgebiet ist der Horizont vom Inntal her merklich hell.


    Der Andromedanebel nimmt etwas weniger als die Hälfte des Gesichtsfeldes des 10x50 ein, das könnten durchaus mehr als 3 Grad sein. Ben sagt, das sieht richtig galaxienmäßig aus, und so sehe ich das auch.
    Ich habe die E-PL7 mit dem 12mm/2.0 dabei, und widme mich den verschiedenen Motiven, die sich hier reichlich anbieten.
    Der Nordamerikanebel ist im 10x50 eine Pracht, die bekannten Konturen springen ins Auge. Die benachbarten kleinen Konzentrationen der Milchstraße sind nochmals deutlich heller und eng verwoben mit den hier kleinräumig verteilten Dunkelnebeln.
    Im November fangen die Sternennächte so früh an, es fühlt sich seltsam an, schon gegen 18:00 unter der Milchstraße zu liegen.
    Es wird mir trotz der warmen Kleidung etwas kühl, und ich decke noch eine Rettungsdecke über mich, was eine deutliche Verbesserung bringt. Inzwischen sind auch die Sterne der Hyaden zwischen Berg und Fichten aufgegangen. Daran arbeite ich mich mit der Kamera ab, so ein brillanter Anblick, diesen genial großen und nahen Sternhaufen so eingebettet zu sehen.

    Ben führt mich zum offenen Sternhaufen M39. Der ist im 10x50 schön kompakt und gut aufgelöst. Von dort kann man leicht zur Region des Kokonnebels navigieren. Den Nebel selbst sieht man im Feldstecher natürlich nicht, dafür aber den tiefschwarzen, sehr schmalen Dunkelnebel B168, an dessen Ende der Kokonnebel liegt. Ben beschreibt B168 als "Dunkle Zigarre", was den Eindruck gut trifft. Das ist schon ausnehmend schick, was man da mit den Feldstechern machen kann.

    Wir besuchen h+Chi Persei, und den etwa 1000 Lj. entfernten, und damit in unserem Spiralarm befindlichen, schön aufgelösten Sternhaufen Stock 2 ("Muskelmännchen") direkt daneben. Ein feines Dublett für Feldstecher ist das.

    Die Kühle, geschätzt etwa 4° C, wird mir jetzt doch etwas unangenehm. Darum machen wir einen kleinen Spaziergang, um in das Tal schauen zu können. Und da sehen wir den Fahrweg kurz unterhalb, und es kommt uns die Idee diesen später zu nehmen, um einen leichten Rückweg ohne Stolpergefahr zu haben.

    Beim Packen vermisse ich meinen 2.3x40 Gucki, Ben und ich leuchten herum, ich packe alles einzeln aus und einzeln wieder in den Rucksack. In den Taschen ist das Teil auch nicht, oh Mann. Doch was hängt da um meinem Hals…? Das ist typisch für die kritische Logistik im Dunkeln, immer wieder beeindruckend für mich. Etwa gegen 20:00 verlassen wir den schönen Platz und steigen mit der Lampe, auf die schwächste Stufe gestellt, abwärts. So bleibt die Sternenpracht beim Abstieg mein glitzernder Begleiter und genüsslich schlendern wir bergab.
    Kurz nach 21:00 kommen wir am Auto an, dieses steht jetzt alleine auf der großen Parkfläche. Zurück geht es in den Nebel, der sich inzwischen in die Täler zurückgezogen hat.

  • Hallo Ralph,


    du hast du unsere abendliche kleine Bergwanderung mit dem Fernglas sehr schön beschrieben, und wie gewohnt mit wunderbaren nächtlichen Stimmungsbildern untermalt ! Ja, ich hatte vorab gar nicht viel über die Tour nachgedacht, als Mitfahrer geht das ja auch: Halt bissl frische Bergluft schnappen und Sternhimmel genießen. Als du immer höher steigen wolltest, hat mir die Idee auch immer besser gefallen - wir waren ja fit, "liking by doing" [;)].


    Und oben auf der Isomatte unter dem klaren Berghimmel - Spechtlerherz, was willst du mehr [:)]. M33 konnte ich recht bald indirekt mit bloßen Augen erkennen, obwohl das Dreieck noch weit vom Meridian weg stand. Ja, die kleine Sichel der "Knochenhand" im Cirrusnebel kam mit 8x42 sehr deutlich, indirekt sowieso, ich konnte sie aber auch direkt ausmachen. Auch wenn sie erst durch den OIII-Filter im Fernrohr so richtig spektakulär herauskommt, ist die Knochenhand halt doch gar nicht so flächenschwach: Und im Feldstecher hebt sich das dann ziemlich kleine, komprimierte Objekt recht gut ab - dunkler und klarer Himmel vorausgesetzt.


    Das Schwanen-Zentrum um Gamma war wie immer ein funkelndes Gewimmel, und Albireo in deinem 10x50 Glas unschwer in zwei verschiedenfarbige Sterne zu trennen. Weiter nördlich kamen die beiden Fleckchen des Galaxie/Sternhaufen-Paares NGC 6946/6939 gut heraus. Und über M39 und die "dunkle Zigarre" hinaus bin ich noch in die Eidechse rüber gewechselt, um dort die Sternhaufen NGC 7209 und NGC 7243 mitzunehmen.


    Sehr reizvoll auch der Abstieg ins Tal auf dem breiten Forstweg, das gemütliche "Herunterrollen" unter dem klaren Berghimmel. Eine schöne Aktion, gute Idee von dir [8D].


    Servus
    Ben

  • Das sind ja mal wieder sehr schöne Eindrücke und stimmungsvolle Bilder!
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">...vermisse ich meinen 2.3x40 Gucki, ... ich packe alles einzeln aus und einzeln wieder in den Rucksack. In den Taschen ist das Teil auch nicht, oh Mann. Doch was hängt da um meinem Hals…?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ha, ha, der ist gut!


    Ich vermisste beim abbauen mal mein 7 mm Nagler. such... such... Okularkoffer komplett aus und wieder einpack, daneben, überall im Kofferraum, auf dem Boden... wohl wissend dass es als letztes im Teleskop steckte. Nach etlichen "Christo-Panagies" (griechische Flüche) war es wo? Es stecke natürlich immer noch ganz schüchtern im Okularauszug[:I]

  • Hallo Ben,
    sehr interessant fand ich noch den kleinen Milchstraßensporn im Cepheus, der an diesem Abend prominent hervorstach. Das wäre doch etwas für das nächste Mal unter dunklem Himmel! Ich möchte besser verstehen, wie die Objekte den Spiralarmen zugeordnet sind, was die OB Assoziationen dort treiben und wie es um die Dunkelwolken steht. Ich finde das Thema der Struktur der Milchstraße sehr spannend, und ich weiß, dass dich das auch interessiert :)


    Hallo Helmut,
    ich habe deinen letzten, schönen Bericht auch mit Freude gelesen, toll, dass Du so schöne Touren mit Landschaft und Sternen machst!


    Hallo Stathis,
    die Sache mit dem Okular ist kurioses Ding. Am besten wirkt das, wenn es das gerade neu gekaufte Ethos ist, wofür man die Vermisstenanzeige aufgibt! Gut ist es auch, wenn man die Lampe verlegt hat, mit der man etwas anderes suchen möchte, z.B. die Autoschlüssel oder anderes unwichtiges Zeug. Hab ich auch schon erlebt.

  • Hallo Ralph,


    Auch ich habe Deinen schönen Bericht mit Freude gelesen.


    Mit Sporn im Cepheus meinst Du den inneren Bereich des "schiefen Hauses" von Cepheus? Diesen Bereich finde ihn auch sehr spannend, und habe mich einige Jahre intensiv damit beschäftigt. Ein Ergebnis davon ist meine Präsentation von Cep OB2 hier: https://www.freunde-der-nacht.…ernassoziationen/cep-ob2/


    Jiri Gardavsky hat zum weiteren Bereich des Cepheus Flare, der weiter Richtung Polaris reicht, erst kürzlich eine bahnbrechende Zeichnung der Nebel in diesem Gebiet veröffentlicht: https://www.cloudynights.com/t…-interstellar-matter-ism/


    Beste Grüße, Christopher

  • Hallo Christopher,
    ja genau, ich meine den inneren Bereich des schiefen Hauses. Ich hatte vorgestern mit dem 100mm Bino das Gebiet kurz in Augenschein genommen, bin aber nicht in die Tiefe gegangen, es waren einfach zu viele spektakuläre Objekte am Himmel. Dein ausführlicher Report zu Cep OB2 ist überaus lobenswert und spannend. Der Bericht beantwortet schon viele meiner Fragen. Danke auch für den Link auf die Seite vom Cepheus Flare, das ist Neuland für mich. Sieht echt spektakulär aus, was J.Gardavski rausgearbeit hat.
    Dir wünsche ich weiter besten Erfolg beim Beobachten
    Ralph

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