Da für meine Beobachtungsplätze ab 22 Uhr Cirren vorhergesagt sind, beschließe ich in der Nähe eine Wanderung zu machen, aber diesmal mit meinem 10x50. Als ich nach einer halben Stunde Fahrzeit von München-West aus dem Auto steige, geht gerade der Mond an den Tannen am Horizont unter. Schnell den Feldstecher raus und draufgehalten! Das aschgraue Mondlicht ist toll zu sehen, und das am Horizont! Zu meiner Überraschung steht links, auch auf fast gleicher Höhe ein großer Kugelsternhaufen - M22! Der Wahnsinn. Jetzt geht der Mond hinter den Zweigen der Tannen unter und beleuchtet diese von hinten. Das aschgraue Mondlicht ist auch noch zu sehen!
Ich schaue mir die Planeten an. Verflixt, ohne Stativ sehe ich da nichts. Ich stütze die Arme auf das Autodach auf und lehne mich mit meinem Körper gegen das Auto. Jetzt kann ich den Feldstecher ruhig halten. Jupiter hat rechts (westlich) 3 Monde, der innere ist nur blickweise zu sehen. Links steht ein Mond. Ob meine Beobachtung stimmt, weis ich nicht. Saturn ist länglich in Richtung der Ekliptik.
Die letzten Lichtstrahlen des Mondes verschwinden, und ich gehe auf die Brücke, wo ich den Geräuschen des Wassers im Bach lausche. Auf der einen Seite der Brücke ist es ein Gurgeln, und auf der anderen Seite ein helleres Plätschern. Angeblich sind ja alle Frequenzen im fließenden Wasser vorhanden?
Nach dieser tollen Einstimmung mache ich mich auf den Weg. Rechts im Gehege röhren die Hirsche. Am Waldrand beginnt jetzt die Finsternis. Auch der Boden des Forstweges ist stockdunkel. Zur Orientierung schaue ich nach oben: Da, wo eine helle Schneise in den Bäumen zu sehen ist, ist der Weg. Bald muss der Abzweig zum Weiher kommen, oder bin ich schon vorbei? Ah, da ist er ja. Ich gehe rechts im Wald den Berg hinauf. Ich umgehe die Schranke, die leicht zu sehen ist. Es lichtet sich, und der Weiher, mein "kanadischer Bergsee", taucht rechts auf. Ich gehe bis zum Badeplatz. Es ist wirklich klar! Allerdings ist der Himmel hell, nicht pechschwarz. Die südlichen Teile der Milchstraße sind schon untergegangen. Die Schildwolke ist sehr hell, auf einem hellen Himmel. Ach, was für eine Pracht, als ich nach oben entlangfahre. Die 3-teilige Höhle ist auch gut zu sehen, der Sternhintergrund nördlich davon atemberaubend! Und wieder nach Süden: M16, M17 und 18 heben sich deutlich vom Milchstraßenhintergrund ab. Was machen M13 und M92? Sie sind noch da. Das Zittern bei Freihandbeobachtung lässt sich fast ausschließen, wenn man den Himmel langsam abfährt. Den Ringnebel sehe ich nur als Stern. Jetzt lege ich mich auf den Rücken, mein Parka ist warm genug. Der Nordamerikanebel brennt herunter. Auch vom Pelikan ist etwas zu sehen. Und die Sternwolke beim Nordamerika ist prachtvoll! Es ist vielleicht die hellste Stelle des Nordhimmels. Ob man auch den Cirrusbogen sieht? Tatsächlich! Ohne indirektes Sehen, aber nicht so gut wie am Sylvensteinsee, der dort ins Auge springt. Es geht weiter mit dem Hantelnebel, dafür muss ich mich etwas auf die Seite drehen und mit dem Ellenbogen abstützen. Doch die Milchstraße zieht mich wieder in ihren Bann mit ihren hellen Sternfeldern und den Dunkelnebeln, die sich bis in die Cassiopeia hineinziehen. Da steht auch der schöne große Sternhaufen – ihr wisst schon, welchen ich meine. Nein, nicht den Doppelsternhaufen im Perseus, den ich natürlich auch anschaue. Was ich vorher vergessen habe: Meine Inspektion vom Milchstraßenband rechts vom Hauptband, das oft (zumindest bei mir) zu kurz kommt. Völlig zu Unrecht: Sternwolken mit einem großen Sternhaufen (sorry, ich weiß nicht mehr, welcher das war).
Jetzt wird es mir tatsächlich etwas kalt, vor allem an den Händen. Ich stehe auf und bewundere die Spiegelungen des Sternhimmels im Weiher. Unendlichkeit oben und Unendlichkeit unten. Ich bin diesen Sommer bei warmen Wasser und warmer Luft nachts unter der Milchstraße im Weiher geschwommen. Auf dem Rücken liegend mit dem Universum über mir. Aus einer relativ warmen Umgebung mit nur ein wenig Atmosphäre über mir in die Kälte des interstellaren Raums. Reisen, während ich auf dem Rücken im See schwimme!
Meine Gedanken unterbricht der Andromedanebel, der jetzt zwischen den Bäumen erscheint. Oben am Haus werde ich ihn besser sehen, da habe ich Sicht bis zu den Horizonten. Ich mache mich auf den Weg und finde die Abzweigung, die einen steilen Wiesenhang hinaufführt. Der Pfad ist im Gras kaum zu sehen. Ich greife nach unten ins Gras, um zu prüfen, ob es gemäht ist oder hoch steht, um nicht zu viel Schaden zu machen, wenn ich vom Weg abkomme. Es ist nur ein paar Zentimeter hoch. Schnaufend komme ich oben am Haus an. Vor dem Haus (eine Art Almhütte, ein Geräteschuppen) ist ein Balken, auf den man sich setzen und sich mit dem Rücken an die Wand lehnen kann. Davor ist eine Feuerstelle, die ich am schwarzen Boden erkenne. Hier bin ich ca. 780 m hoch, am Weiher waren es 700 m. Formalhaut leuchtet hell herüber. Es ist bis zum Horizont schon absolut klar, nur die Helligkeit des Himmels ist nicht optimal. Ich kann den Helixnebel nicht sehen. Auch der Meropenebel ist nicht zu sehen, er ist ungefähr so hell wie der Himmelshintergrund. Auf der anderen Seite im Tal leuchten Ortschaften. Zurück zum Andromedanebel: Er zeigt sich unspektakulär, steht er doch auch in Richtung München. Mit bloßem Auge ist er aber gut zu sehen. M33 ist aber mit freiem Auge nicht zu sehen. Nach meinen Maßstäben ist der Himmel nicht klar, wenn man M33 nicht sieht. Eventuell kommen jetzt auch die vorhergesagten Cirren. Der Himmel ist nicht mehr so knackig wie unten am Weiher.
Also bedanke ich mich beim Universum und laufe den Grashang hinunter, tauche in die tiefe Schwärze des Waldes ein und finde meinen Weg zurück. Links im Gehege stehen dicht bei mir Rehe, die mich beäugen, aber nicht für gefährlich halten und weiter äsen. Röhrende Hirsche höre ich wieder in der Ferne. Jetzt zeichnen sich die Umrisse meines Autos im Gegenlicht eines Scheinwerfers aus der Dunkelheit ab. Der Scheinwerfer beleuchtet die Terrasse des ersten Hauses und wäre einem Stadion angemessen. Noch mal kurz den Bach hören, dann geht es nach Hause.
Als ich daheim auf fotowebcam meine Beobachtungsplätze anschaue, sehe ich Wolken – also nichts falsch gemacht. Auch hier in München zieht der Himmel zu.