jedes Zeitalter hat seine Medien und seine Medienkritiker. Ich erinnere an Neil Postman oder Elisabeth Noelle-Neumann, die in den 1970er-90er Jahren die Schattenseiten des TV-Konsums erforschten. Da war von Sekundär-Erfahrung, Verlust der Kindheit und einem "getarnten Elefanten" die Rede. Und dennoch ist keine allgemeine Volksverdummung die Folge gewesen.
Hallo Christian,
von Verdummung würde ich auch nicht sprechen und auch nicht davon, dass die jüngere Generation weniger leistet als jemand, der noch die 70er und 80er Jahre miterlebt hat. Meine eigenen, mittlerweile erwachsenen, Kinder leisten mindestens genauso viel wie ich damals in dem Alter und die Freizeit ist heute spärlicher als in jener Zeit. Ich würde aber schon sagen, dass die rasante Entwicklung der Technologie, insbesondere des Internets und der frei verfügbaren Datenmengen, das Verhalten der Menschen und die Art, wie wir kommunizieren, massiv beeinflusst hat. So war man vor 40 Jahren regelrecht "gezwungen", sich vor Ort mit Freunden zu treffen oder beispielsweise zusammen Fußball zu spielen, weil die 3 Fernsehprogramme nichts hergaben und außer dem Telefon, das typischerweise unter Kontrolle der Eltern stand, keine Möglichkeit zur Fernkommunikation existierte. Informationen standen auch nur spärlich zur Verfügung, d.h. man musste erst einmal ein Buch kaufen oder ausleihen, und Fotografieren war erst recht ein Abenteuer. Aus heutiger Sicht kaum noch vorstellbar, dass man einen Film mit 36 Bildern kaufen musste, der nach der Belichtung zum Entwickeln geschickt wurde und man die eigentlichen Bilder / Abzüge erst 1-2 Wochen später zu Gesicht bekam.
Ich denke, dass genau diese Beschränkung an Möglichkeiten mehr Fokus gegeben hat und sehr viel weniger Ablenkung als heute existierte. Um bei den 36 Bildern zu bleiben: Man hat sich dann die schönsten herausgesucht und in ein Album eingeklebt, das man im Idealfall noch heute besitzt. Sozusagen eine kleine Zeitmaschine, mit der man sich noch nach Jahrzehnten an besondere Momente erinnern kann. Mit den ersten Digitalkameras war die Situation dann schon anders. Man konnte plötzlich hunderte oder sogar tausende Bilder an einem einzigen Tag machen ohne dass es zusätzlich etwas kostete. Die damit einhergehende Gefahr ist natürlich, dass es irgendwann so viele Bilder werden, dass man diese nie wieder richtig aufarbeitet, archiviert oder eine physikalische Kopie der Highlights erstellt, die auch bei einem eventuellen Datenverlust weiter existiert. Die nächste Steigerung kam dann mit der Smartphone-Ära, wo zum Teil nur noch ein schneller Schnappschuss oder ein Selfie geknipst und per WhatsApp o.ä. verschickt wird. Schade finde ich dabei, dass sowohl Daten als auch Bilder komplett volatil geworden sind. Das Selfie ist spätestens nach einer Woche vergessen und in ein paar Jahren oder Jahrzehnten ist man vermutlich traurig, dass man man keine Aufnahmen "von früher" hat.
Ich hoffe, dass ich nicht zu sehr vom Thema abgeschweift bin, aber die Informationstechnologie hat sich noch nie so schnell weiterentwickelt wie in den letzten Jahrzehnten, was natürlich auch massive Auswirkungen auf das Medienverhalten hat, wie Du ja auch geschrieben hast. Wichtig ist, mit den enormen Möglichkeiten "richtig" umzugehen, aber allein nur diesen Weg zu finden ist bei all den Möglichkeiten nicht immer einfach.
Kalle66: Die lila Kuh war eindeutig ein früher Vorläufer der Fake News!
Viele Grüße,
Marco