Rauch aus 10.000km Entfernung

  • Hallo zusammen,


    schon gegen 20:30 erreiche ich nach 30min Anfahrt meinen Beobachtungsplatz an einem Windrad in der fränkischen Schweiz. Der Platz ist heute aber schon von der Dorfjugend anderweitig belegt und ich beschließe daher auf den nahen Wanderparkplatz auszuweichen. Dort bin ich leider auch nicht ganz ungestört, ein Wohnmobil steht am Parkplatz und zwei Personen sitzen davor. Der zweite Ausweichplatz – an einer nahegelegenen Feldscheune – kommt heute auch nicht in Frage, denn schon aus der Ferne habe ich dort einen Traktor mit Scheinwerfern bei der Arbeit gesehen. Ich bleibe daher mangels Alternativen am Wanderparkplatz und parke möglichst abseits vom Wohnmobil. Vor dem Aufbauen grüße ich die Camper aus der Ferne und gehe dann auf sie zu um kurz mit Ihnen zu sprechen. Sie haben kein Licht an und ich habe daher nicht gesehen, dass sie einen großen Hund dabei haben, der nicht angeleint ist. Der Hund interpretiert den fremden Mann, der im Dunkeln auf sein Rudel zukommt, als Gefahr und sprintet wild bellend auf mich zu. Kurz bevor er mich erreicht, pfeifen ihn die Camper zurück. Ich gehe weiter und unterhalte mich kurz mit den Leuten. Ich erzähle, was ich vor habe, damit sie sich später nicht wundern, was ich da im Dunkeln treibe. Ihre Frage, ob sie dann auch „mal reinschauen“ können, bejahe ich freundlich.


    Nach dem Aufbau des 10“ Dobson ist es noch nicht richtig dunkel und so beginne ich mit Saturn und Jupiter. Das Seeing ist nicht schlecht, 200x gehen gut und so ergeben sich nette Anblicke mit einigen Details. Aber leider weiß ich das an diesem Abend nicht so richtig zu würdigen, denn die Erinnerung an den Anblick der beiden Planten in der Ausnahmenacht – zwei Tage zuvor – bei exzellentem Seeing mit 400x und Binokularansatz am C14 ist noch zu frisch.


    Die beiden Camper kommen dazu und ich erkläre, dass es sich bei den „beiden hellen Sternen“ im Süden um Planeten handelt. Sie haben zunächst ein wenig Schwierigkeiten den richtigen Einblick zu finden, sind dann aber begeistert, insbesondere den Saturn zu sehen. Sie bieten mir noch ein Glas Rotwein an, räumen alsbald ihr Campingstühle zusammen und ziehen sich in Ihr Wohnmobil zurück. Es kommt nur noch ein sehr gedämpfter Lichtschein aus dem Wohnmobil, der mich kaum stört und bald ganz erlischt.


    Inzwischen ist es 21:30 und die astronomische Dämmerung ist vorüber. Trotzdem ist der gesamte Himmel ungewöhnlich hell. Es ist merkwürdig dunstig und die Transparenz ist mäßig. Der Südhorizont ist heute durch das 20km entfernte Nürnberg völlig unbrauchbar. Ich wundere mich, denn normalerweise sind die Verhältnisse hier viel besser. Zenitnah komme ich gerade mal auf 5m5. Ich ärgere mich erst ein wenig, da sich die Anfahrt nicht wirklich gelohnt hat, versuche anschließend aber das Beste aus dem Abend zu machen.


    Ich beschließe die kürzlich gebraucht erworbenen Neuanschaffungen (Astronomik OIII in 1,25“ und Meade Narrowband in 1,25“) im Vergleich zu meinen bisherigen Nebelfiltern (Thousand Oaks OIII in 2“ und Astronomik UHC in 2“) an einigen Standardobjekten zu testen. Als Vergleichsobjekte müssen daher Cirrus, Nordamerika, Pelican, Pacman, M27 und die Nebel um Sadr herhalten. Die visuellen Eindrücke der Filter stimmen mit meiner Erwartung auf Basis der im Netz zu findenden Transmissionskurven überein.
    Mead Narrowband und Astronomik UHC unterscheiden sich visuell – wenn überhaupt - nur in Nuancen. Mal sehen, ob ich den Meade als 1,25“ Alternative zum Astronomik behalte, oder wieder abgebe.
    Die beiden OIII Filter zeigen dagegen deutliche Unterscheide. Der Thousand Oaks zeigt (wohl durch die geringe Halbwertsbreite) konsistent einen höheren Kontrast. Der Astronomik scheint hingegen bei kleiner AP hier und da einen Hauch mehr Struktur zu zeigen. Das ergänzt sich ganz gut und so beschließe ich den Astronomik zu behalten.


    Nun versuche ich mich am Cocoon Nebel im Schwan, da Jiri mich auf einen aktuellen Thread zum Thema im DeepSkyForum aufmerksam gemacht hat. Mangels Himmelsqualität und vermutlich vor allem mangels h-beta Filter sieht es aber leider schlecht aus. Mit dem Astronomik UHC bilde ich mir zwar ein, einen leichten Schimmer an der richtigen Stelle zu sehen, aber für eine sichere Sichtung reicht es nicht aus.


    Ich bleibe auf Grund der schlechten Transparenz bei Standardobjekten und schwenke noch auf einige Kugelsternhaufen (M2, M15, M71) und offene Sternhaufen (M39, M26, M15, M11, NGC7209).


    M31 steht inzwischen auf 60° Höhe und die Himmelsregion erscheint kurzzeitig recht klar, also nehme ich den Anblick noch mit. Die Galaxie erscheint ausgedehnt, die beiden Begleiter sind klar zu sehen, aber die Staubbänder zeigen sich heute nicht. Spaßeshalber noch ein Blick auf die tiefer stehende M33. Wie erwartet zeigt sich heute nur ein schwacher, strukturloser Nebelfleck.


    Gegen 23:45 beschließe ich den Abend so langsam zu beenden und halte zum Abschluss noch auf den Mars. Vom Anblick bin ich positiv überrascht, Polkappe und Albedo-Strukturen sind sehr schön zu sehen. Damit hatte ich heute nicht gerechnet und so genieße ich den Anblick noch eine Weile, der sich als unerwartetes Highlight des Abends herausstellt.


    Am nächsten Morgen werde ich auf folgenden Artikel aufmerksam. Wer hätte gedacht, dass fast 10.000km entfernte Waldbrände einen Beobachtungsabend vermiesen können?
    https://www.wetteronline.de/we…deutschland-2020-09-12-vl


    Am darauffolgenden Abend wundere ich mich dann kaum noch über die merkwürdigen Farben zum Sonnenuntergang und die Dunstglocke über dem gesamten Firmament. Sind es jetzt normale Cirren, oder ist es immer noch der Rauch?


    CS und viele Grüße,
    Matthias

  • Hallo Matthias,



    sehr schoener Bericht, der mich auch wieder daran erinnert, was fuer ein Vorteil die eigene Gartensternwarte hat in Bezug auf die Suche nach einem stoerungsfreien Beobachtungsplatz. Wobei die "Stoerung" durch die Camper ja durchaus angenehm war.


    Auch ein interessantes meteorologisches Phaenomen. Erinnert mich an eine Wetterlage vor einigen Jahren, wo eine gelbliche Nebelschicht ueber Nordengland lag, die teils Nebel und teils Rauch portugiesischer Waldbraende war - und Saharasand war auch noch mit dabei. War eine merkwuerdige Stimmung, und laesst vermuten, wie dieser "Marshimmel" in Kalifornien auf den Beobachter wirken muss.


    Donnerstagnacht (Sep 10) war bei uns klar, und waehrend das Seeing fuer Jupiter und Saturn traditionell (fuer die Zenitdistanzen) mies war, hatte ich eine hohe Transparenz und ich konnte mit dem 14" Meade wieder blickweise den Zentralstern in M57 sehen. NGC7009 (Saturnnebel) zeigte andeutungsweise diesen feinen Strich, der ihm den Namen gab. Wir muessen in der Nacht von den Rauchschwaden verschont geblieben sein.

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