Eine kurze Nacht ...

  • in mehrfacher Hinsicht. Einerseits wird es erst sehr spät Dunkel, andererseits bleibt dann nur noch wenig Zeit zum Schlafen. Anbei ein Beobachtungsbericht ...



    Bericht vom 18/19.05.2020; 22.50h – 02.20h
    Ausrüstung: Newton-Teleskop, Öffnung 428mm, Brennweite 1830mm, (f/4,25) Adler
    Dobsonmontierung


    verwendete Okulare: 21mm (87-fach) ; 13mm (140-fach), 10mm (183-fach), 8mm (228-fach), 6mm (303-fach) – Ethos-Serie; 9er Nagler mit 2,5-fach Powermate (508-fach);5er Nagler mit 2,5-fach Powermate (915)
    Ort: Freies Feld bei Beerbach, ca. 405m üNN
    Temperatur: 22.40h +15, C ; 02.30 +12 C
    Seeing: anfangs 2, zum Ende der Beobachtung 1 (-)


    Wetter: tags erst wolkenlos, Nachmittags einzeln hohe Schleier die mit zunehmender Dämmerung abziehen


    Beobachtete Objekte:
    Kometen: -
    Planetarische Nebel: NGC6543 (Katzenaugennebel), M57
    Gasnebel: -
    Quasare: HS1700+6416
    Planeten: Jupiter, Saturn
    Kugelsternhaufen: M5, PAL5, M13
    Sterne: UX Draconis
    Galaxien: M61
    Supernovae: SN 2020jfo


    Die Nacht zum Montag hatte ich noch gekniffen, diesmal will ich es mir die klare Nacht nicht entgehen lassen. Nils geht es ähnlich, so treffen wir uns – noch vor Ende der astronomischen Dämmerung - kurz vor 23h an meinem Standardspechtelplatz. Es ist sehr mild, absolut windstill, die Luft ist sehr trocken (auch beim Abbauen kein Hauch von Tau auf der Autoscheibe). Ich genieße die Stimmung, die Ruhe, das Sternenzelt leuchtet schon, tief in O / NO dämmert es noch. Wir bauen auf, plaudern etwas. Nils fällt ein sehr heller Satellit auf:


    die <b>ISS </b> – an die hatten wir nicht gedacht. Schnell das 21er Oku rein, und drauf halten. Erst kurz nach der zenitnahen Kulmination habe ich diese stabil im Blickfeld. Hell! Deutlich die großen Solarpanel, der Korpus dazwischen merklich kleiner. Ich kann fast 1 Minute nachführen –wow- was für ein spektakulärer Einstand!


    Beim Justieren an Polaris (es ist nur wenig anzupassen) zeigt sich: sehr gutes Seeing! Nur ganz langsames Wabern, der Begleitstern erscheint wie mit der Nadel gestochen.


    Ich starte mit einem Carbonstern – da ist die Restdämmerung egal, es geht zu


    <b>UX Draconis </b> – mag 6,3 (veränderlich; mag 5,9 … 7,1)
    Ein roter Stern mit der Spektralklasse C7,3, der Farbindex von 2,8 (rot) ist deutlich erkennbar, im 13er Oku mit deutlich orangem Farbeindruck. Der Stern steht ca 5 Grad östlich von Tau Dra und fällt sofort zwischen anderen Feldsternen auf. Diese Sonne ist ca. 1300LJ von unserer entfernt, im visuellen Bereich etwa 400 mal so hell wie unsere.


    In der Vorbereitung bin ich auf eine relativ helle aktuelle Supernova gestoßen, jetzt – gegen 23.30 steht diese fast genau im Süden, innerhalb der prominenten GX


    <b>M61</b> mit SN2020jfo - GX - Vir (mag 9,6 – sbr 13,4; 6,5’ * 5,9’) SQM21,20
    wow! Sehr selten habe ich bisher diese GX beobachtet, dabei verdient sie Aufmerksamkeit. Bei den gegebenen sehr guten Bedingungen wunderschön: ein heller, bei niedriger Vergrößerung fast stellarer, heller Zentralbereich der in einen länglichen Innenhalo übergeht, dieser dann in zwei gegengleich schnell abknickende GX-Arme, in Face-On. Am Rand des rundlichen Außenhalo etwa auf 2h ein Feldstern, Mag14,0; etwa 2‘ unterhalb ein weiterer, schätze Mag 14,5 (entgegen der Katalogangabe von 14,2) etwas schwächer, in der Verlängerung nochmals ca. 1‘, im Spiralarm die Supernova. Für mich etwas heller, um 14,2 und für mich damit heller als derzeit angegeben. Genieße im 10er bei 180-fach die GX, die SN ist dabei stabil und relativ einfach zu sehen.


    Ich schwenke zurück in Draco will die Nacht abwechslungsreich gestalten und wähle daher nun einen Planetarischen Nebel:


    <b>NGC6543</b> - PN - DRA (mag 8,3 – sbr 5,0; 22‘‘ * 16‘‘) SQM22,26
    Wow – ganz schön hell. Das auch als Katzenaugennebel bezeichnete Objekt wirkt bei geringer Vergrößerung bläulich-hell, leicht oval. Es liegt auf halben Weg zwischen Delta und Zeta Dra; einer der hellsten Planetarischen Nebel überhaupt. Ein Mag 10 Feldstern in der Nähe hilft beim Fokussieren und zeigt recht deutlich: heute geht was. 10er, 8er, 6er … immer noch punktförmig und fein der Feldstern. Bei 300-fach ist der Zentralstern schwach aber deutlich erkennbar, bei 508-fach dann recht deutlich (9er + Powermate). Nun wird der Feldstern auch etwas aufgeblasen, aber noch durchaus im Rahmen. Jetzt lasse ich es krachen: 5er Nagler plus Powermate = 915-fach. Wow … tatsächlich noch einen Tick besser, Fokussieren ist nun mit dem HC-2 Auszug kniffelig. Da der PN dicht am Pol steht wandert das Objekt nur langsam aus, nachführen ist kein Problem. Es zeigen sich neben der ovalen Kontur auch Strukturen, relativ scharfer Übergang zum Hintergrund, Helligkeitsvariationen die sich in der Nachbereitung als überlagernde Schalen entpuppen. Lohnt sich!


    Jetzt wird’s anders extrem, bleibe im Draco und suche nach HS1700+64, einem Quasar.


    <b>HS1700+64 </b>– QSO – DRA (mag 16,1) SQM 21,36
    mit z=2,7 bewegt sich das Objekt mit 260.000 km/s von uns weg, d.h. mit 86% der Lichtgeschwindigkeit. Die absolute Helligkeit wird mit -26,7 angegeben – wahrlich krass.
    Die Zielregion nicht weit von HR6360 ist schnell eingestellt, aufsuchen wird trotzdem zeitraubend. Ich habe einen DSS-Ausdruck dabei. Nahe des QSO befindet sich eine Trapezförmige Sternengruppe, um mag 13,5 … 14,5 Komponenten, diese wenige Grad neben HR6360. Etwa 5‘ von der Gruppe ein Mag 11,4 Feldstern der zur Orientierung helfen soll. Im Aufsuch-Oku ist die Sternengruppe gerade erkennbar aber schwach. Irgendwie klappt die Orientierung nicht richtig, mehrmals versuche ich es neu, lande immer an der gleichen Stelle, bis der Groschen fällt. Ich halte den DSS-Ausdruck verkehrt herum, bei einem Trapez fällt das kaum auf, gegenüber ist auch ein Mag11-Stern, der auf meinem Kartenausschnitt aber nicht mehr zu sehen ist. Nun wird’s einfach. Schon im 6er ist ein Lichtfünkchen ca. 2‘ links neben der unteren Trapezspitze indirekt stabil erkennbar, bei 500-fach dann 70% sogar direkt zu sehen. Dunkler Himmel und sehr gutes Seeing – besser geht kaum.


    Was fehlt noch? Kugelsternhaufen.


    <b>M5 </b>– GC – SER (mag 5,7 – sbr 11,0; 20 * 20‘) SQM 21,40
    warum wir dieser Kugelsternhaufen so selten erwähnt? M5 ist sogar einen Ticken heller als der prominente M13 (0,1 mag), die Flächenhelligkeit sogar 1mag größer. In dieser Nacht mit bloßem Auge erkennbar. Ich bin ganz erstaunt, als ich das Objekt einstelle. Prachtvoll, es prasselt nur so an Sternen, überwiegend kalt-weiß, aber auch einige leicht orange angehaucht, Ehrfurcht ergreifend, wunderbar. Zwischen Eta Ser und 109Vir gelegen war das Aufsuchen relativ einfach.


    Der nächste GC ganz anders, auch eine Nummer 5, aber statt aus dem Messier, aus dem Palomar-Katalog, nur wenige Grad unterhalb M5 zu finden:


    <b>PAL5 </b>– GC – SER (mag 11,7 – sbr 11,0; 8 * 8‘) SQM 21,40
    Es wird schwer, so schwer, dass ich mir nicht sicher bin das Objekt identifiziert zu haben. Daher mache ich eine Skizze, füge Feldsterne ein und schraffiere den Bereich, der einen Hauch von Aufhellung aufweist. Im GF Richtung 7h unterhalb des Mag9 Sterns HD135660 ist meine Schraffierung, das passt recht gut. Betrachte einen DSS-Ausdruck: ‚hellere‘ Einzelsterne gibt’s in dem GC nicht (wie vermutet). Beobachtet hatte ich mit dem 21er und 13er Oku. Das Objekt befindet sich im äußeren Halo unserer Milchstraße und ist ca. 76k Lichtjahre von uns entfernt.


    Um es etwas abzukürzen: beim Tollen Seeing zeigt M57 – wenn auch widerwillig ;) den Zentralstern, in unmittelbarer Nähe auch Feldsterne um Mag 16.


    <b>M101 </b>– GX – UMA (mag 7,9 ; sbr 14,9; 28‘* 28‘) SQM 21,46
    zeigt sein visuelles Potential. Ob der Ausdehnung kann ich die GX im 8*50-Sucher als Schemen erkennen, im Oku dann – wow! Am besten im 13er Ethos, das GF fast füllend. Herrlich die Spiralarme um das merklich versetzt gelegene Zentrum; nicht zu erahnen, zu sehen! Auffällig Lichtknoten in den Armen neben einer Reihe schwächer Feldsterne im Vordergrund der Galaxie. So gut hatte ich diese noch nie. Der Durchmesser von M101 ist mit 170k LJ etwa doppelt so groß wie bei unserer Milchstraße, gehört damit zu den größten bekannten Spiralgalaxien.


    Die Zeit ist fortgeschritten, ich fühle mich eigentlich noch wohl, doch die Konzentration lässt merklich nach. Einstellen von Objekten geht zäh, ich mühe mich bei dem prominenten, großen und hellen Hantelnebel, breche damit ab und peile – von Nils inspiriert - ganz niedrig, nur 7 Grad über den Horizont


    <b>Jupiter </b>– Mag -2,5
    Überraschung! Ich habe nur einen matschigen, hellen, großen Fleck erwartet. Durch starke Refraktion ist die obere Seite bläulich, gegenüber orange eingefärbt, Meist sind die Staubbänder im 21er und dann im 13er bei 140fach gut zu sehen, blickweise sogar richtig scharf. Auch der GRF ist blickweise deutlich erkennbar. Viel Besser als erwartet. Eingefasst durch die 4 hellen Monde; rechts Ganymed und Kallisto, links Io und Europa.


    <b>Saturn </b>– Mag +0,5
    Ist ebenfalls aufgegangen, noch einen Ticken niedriger, mehr gen Ost. Der Refraktions-Effekt ist hier deutlich schwächer wahrnehmbar, Durch Seeing-Effekte wird der Ring immer wieder richtiggehend verbogen.


    Morgen muss ich arbeiten, auch wenn ich – wegen Homeoffice – nicht so bald raus muss. Wir bauen ab, um 02.30 geht es Richtung Heimat. Es hat richtig Spaß gemacht, eine gelungene Nacht.


    Clear Skies und gute Gesundheit Euch und euren Lieben wünscht


    Achim

  • Hallo Achim,


    auch mal wieder ein BB von dir, sehr schön, gefällt mir.
    Ich bin ja seit Samstag jeden Tag draußen aber nicht ganz spät bis 1 Uhr dann ist Schluß. So einige neue GX gesehen. Und viele Doppelsterne.


    Ja das seeing ist mir die Tage auch aufgefallen, super gut. 267x beim 8" ging super, die Kaffebohne M57 (ohne ZS) schön sichtbar. Hätte gerne noch höher vergrößert, habe aber nicht mehr. [:p]


    M61 hatte ich die Tage auch drinnen, mit 8" werden da leider noch nicht die Spiralenarme sichtbar.


    M5, M13 und M92 waren herlich anzusehen, schon schön aufgelöst.


    Die beiden PN im Hercules IC4593 und NGC6210 fand ich toll, da geht was bei 267x! Beide leicht grünlich und nicht ganz rundlich. Sind aber beide sehr klein &lt; 0,2'


    Harte Nüsse waren NGC5657, NGC 5735 und NGC5698 im Boo. Alle grenzwertig sichtbar. An UGC 9291 bin ich dann verzweifelt.


    cs
    Lothar

  • Hallo Achim,
    schön, von Dir wieder einen Bericht zu lesen.


    Wie von Dir gewohnt schön bildhaft und mit Begeisterung - wunderbar.
    Die ISS als Aufhänger einer Nacht, das kenne ich auch gut. Das Gesamterlebnis zählt ja nicht zuletzt auch, da gehört sowas ja dazu.


    Schöne bunte Nacht, und diese Nächte bieten sich tatsächlich für die Kugelhaufen an, das habe ich letzte Nacht auch so gehandhabt. Zum Abschluss noch mit dem ED72 auf Lagunen- und Trifidnebel gehalten, das war ein wieder mal überraschend schöner Anblick - alles in einem Sehfeld.


    Den Quasar HS1700+6416 konnte ich dank Deiner klasse Aufbereitung auf Deiner Homepage mit meinem 12"er auch schon recht einfach ausfindig machen.
    Hab mir bei meinen Notizen extra drangeschrieben, dass der einfach war, mit Ausrufezeichen. Also insofern ist die Helligkeitsangabe von 16m1 ggf. bisl zu pessimistisch. Wie schätzt Du die Helligkeit ein?


    Meine Sichtung war sicher auf einem Berg...Quasare bin ich seeingbedingt glaub ich immmer vom Berg angegangen.


    Schöne Grüße und CS
    Norman

  • Hallo Norman,


    mir war die QSO-Sichtung relativ einfach gefallen, allerdings bei mir mit 17-Zoll. Die Randbedingungen für meinen Standort auch nahezu ideal. Top Seeing und immerhin SQM um 21,45 - das ist noch kein Hochalpenhimmel, aber für meine Region sehr gut.
    Bei QSO-Betrachtung ist nach meiner Erfahrung gutes Seeing wichtiger als das eine oder andere zehntel an besserer Durchsicht.


    Zum Objekt: hier habe ich ein Abstact aus 2012 gefunden, in dem auf Basis von 8 Chandra und einer XMM-Beobachtung eine langzeitliche Variabilität eindeutig festgestellt wurde, was dies in visueller Helligkeit bedeutet ist jedoch nicht zu finden.


    Eben habe ich mir die Helligkeiten der Feldsterne nahe des QSO via Skymap.org angesehen, dort sind Sterne bis jenseits mag18 verzeichnet (meine Astrosoftware geht nur bis ~mag15,5 .. mag16). Einen Feldstern mit mag 15,8 hatte ich skizziert, der mir subjektiv ähnlich hell wie der QSO vor kam, das unterstützt die Vermutung, das dieser Quasar (aktuell) heller als die offiziell angegebenen mag 16,1 ist.


    Viele Grüße


    Achim

  • Hallo Achim,


    vielen Dank für Deinen ausführlichen und sehr informativen Beobachtungsbericht. Ich habe ihn mit Freude und Genuss gelesen. Auch wenn Du die Nacht als kurz empfunden hast, so war sie doch intensiv. Ein bisschen beneide ich Dich, wo es mir doch schwerfällt, mich nachts auf den Weg zur Sternwarte zu machen, wo ein Halbmeterspiegel auf mich warten würde.


    Die kurzen hellen Nächte haben aber auch den Vorteil, dass es warm ist und man sich nicht so dick anziehen muss. Und aktuell ist die Luftverschmutzung ja wohl auch geringer, solange die Aeroplanes am Boden bleiben.

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Astronomie</i>
    <br />Hallo Archim,


    SQM 22,26 ist auch ein super Himmel zum Beobachten..


    cs


    Jörg
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">

  • Hallo Jörg,


    da habe ich mich verschrieben, sollte 21,26 sein. Über 22 geht physikalisch wegen Airglow gar nicht.


    Viele Grüße


    Achim


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Astronomie</i>
    <br />Hallo Archim,


    SQM 22,26 ist auch ein super Himmel zum Beobachten..


    cs


    Jörg
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!