Wie Wernher von Braun den Mars erobern wollte

  • Eine Stadt im Orbit, eine Militärbasis auf dem Mond, ein Trip zum nächsten Stern - in den Kindertagen der Raumfahrt schien nichts unmöglich. Der Raketen-Pionier Wernher von Braun etwa wollte den Mars erobern. Die Astronauten hätten seinen Plänen zufolge vor 23 Jahren eintreffen sollen.
    Zwist kennzeichnete die Gemeinde der Planetenforscher am Ende des 19. Jahrhunderts. Kriegsgott Mars hatte Unfrieden unter den Wissenschaftlern gesät.


    Waren die schnurgeraden Linien, die Astronomen wie Giovanni Schiaparelli und Percival Lowell emsig in ihre Marskarten einzeichneten, real oder nur ominöse optische Täuschungen überanstrengter Forscher am Fernrohrokular? Handelte es sich womöglich um Kanalbauten einer in globaler Dürre siechenden Mars-Zivilisation? Fragen, die über Jahrzehnte kein Experte beantworten konnte und den Nachbarplaneten zum Schauplatz von allerlei Schauergeschichten machten.


    Auch Wernher von Braun erlag der seltsamen Anziehung des Planeten. Schon als Jugendlicher richtete er den Blick zu den Sternen und jagte Modellraketen in den Berliner Himmel. Mit einer zur Geheimsache erklärten Dissertation über Raketenphysik wurde er, gerade 25 Jahre jung, technischer Direktor des V2-Projekts in Peenemünde - und damit zu einer der wichtigsten Figuren im "Vergeltungswaffen"-Programm der Nazis.


    Tausende starben durch Brauns Raketen


    Tausende Zwangsarbeiter wurden zu Tode geschunden, um Hitlers Vision vom Endsieg durch Wunderwaffen zu verwirklichen. Tausende Zivilisten starben bei den deutschen V2-Attacken auf Städte in England, Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Braun und seine Kollegen nahmen dies billigend in Kauf, um ihre Forschung voranzutreiben.


    Doch nach der Kapitulation Deutschlands waren die Berufsaussichten des Ingenieurs nur kurzzeitig getrübt: Die Amerikaner, in der Raketentechnik weit hinter den Deutschen zurück, sicherten sich die Dienste des Deutschen. Braun stieg bald zum obersten Raketenentwickler der USA auf und brachte es 1970 gar zum stellvertretenden Direktor der Nasa.


    Anders als in der Peenemünder Raketenschmiede hatte Braun im Frieden des Kalten Krieges mehr Zeit für Visionen. Sein Mars-Projekt entstand: eine Gewalttour zum Roten Planeten auf Basis der Fünfziger-Jahre-Technik. Dabei schöpfte er aus dem Vollen, wie es nur Theoretikern vergönnt ist. Mit insgesamt zehn Raumschiffen sollten sich die Planeten-Pioniere den Weg bahnen.


    Aus seiner Skepsis gegenüber automatischen Sonden machte Braun keinen Hehl, bei der Eroberung des Alls setzte er auf Astronauten. "Der Mensch ist der beste Computer an Bord eines Raumschiffes", bemerkte er süffisant, "und im Übrigen der einzige, der ohne besondere Kenntnisse in Serienproduktion hergestellt werden kann." Siebzig Mann sollten die Mars-Invasion bewerkstelligen.


    Flottenmontage im Erdorbit


    Als Aufmarschgebiet der Forscher-Flotille sah Braun die Erdumlaufbahn vor. Rund 950 Flüge mit Transportraketen waren nach seinen Vorstellungen nötig, um dort die Raumschiffe für die Mars-Truppe zusammenzubauen. Nach der monatelangen Reise zwischen den Planeten und eingehender Suche nach geeigneten Landegebieten sollten drei geflügelte Raketen zur Oberfläche des Roten Planeten herabsteigen.


    Astronomen hatten zwar Marskanäle erspäht, von Rollbahnen wusste hingegen niemand zu berichten. Deshalb ging der Raumfahrtpionier von einer horizontalen Landung auf Kufen aus. Ein ruppiges Unterfangen, denkt man an die felsigen Ebenen, die Landesonden mittlerweile vor Ort abgelichtet haben. Nach mehr als einem Jahr auf dem geheimnisumwitterten Planeten begeben sich Brauns Marsflieger auf den Rückflug zur Erde. Gesamtdauer der Mission: zweieinhalb Jahre.


    Die Großtat würde nicht billig werden, das war dem Raumfahrtpionier bereits 1952 klar. Nach seinen Berechnungen sollte der Aufwand immerhin "einer kleineren militärischen Operation auf einem begrenzten Kriegsschauplatz" entsprechen.


    In den kommenden Jahren feilte Braun immer wieder an seiner Mars-Vision und verabschiedete sich vom anfänglichen Hang zu Übergrößen. Kurz nach der gelungenen Mondlandung von "Apollo 11" schlug er US-Präsident Richard Nixon eine aus der Apollo-Technik weiterentwickelte Mission vor: Sechs bis sieben Flüge der umgebauten Mondrakete "Saturn V" hätten ausgereicht, um das Marsschiff für ein kleines Team im Erdorbit zu montieren.


    Für Planetenmissionen sei die "Saturn V" mit "einer dritten Stufe mit Atomkraft zu verstärken", schrieb Braun damals. Die Ankunft von Armstrongs Erben auf dem Mars sah er für das Jahr 1982 vor. Nixon, bereits von schwer kalkulierbaren finanziellen Verpflichtungen in Vietnam geplagt, lehnte ab.


    Es sollte 22 Jahre dauern, ehe ein politischer Enkel Nixons die amerikanische Vision einer bemannten Mars-Mission wiederbeleben sollte: US-Präsident George W. Bush gab der Nasa pünktlich zum Wahlkampf 2004 den Auftrag, bis 2020 Astronauten zum Mond und später zum Mars zu schicken.
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