Eine tolle halbe Stunde zwischen zwei Regengüssen

  • Hallo Deepskyfreunde,


    Seit Dienstag haben wir hier in Schleswig-Holstein Dauerregen. Gar nicht schlecht für die Böden, die sind seit dem Sommer immer noch zu trocken. Aber natürlich schlecht für Astro.
    Gestern Abend war ich um halb sieben mit dem Hund draußen und sah, dass der Himmel teilweise aufgerissen war. Ein Blick auf das Satellitenbild zeigte, dass eine große Wolkenlücke im Anmarsch war. Die Transparenz ist bei solchen Lücken ja oft sehr gut, deshalb habe ich nach dem Spaziergang schnell den 6“er in den Garten gebracht. Es dauerte noch eine gute halbe Stunde, dann war der Himmel soweit klar, dass ich loslegen konnte.


    Zuerst noch schnell einen Blick auf den Mond, Venus saß schon hinter dem Dach der Nachbarn. Die dunkle Hälfte war sehr schön zu sehen, aber das Seeing knapp über dem Dach war leider nicht gut, deshalb habe ich den Mond gelassen.


    Im Thread zum begeisternden 8x42-Fernglas hatte ich ja schon angedeutet, dass ich mal den Fuhrmann abgrasen wollte. Der stand fast im Zenit, also gute Bedingungen. Die Transparenz war wirklich sehr gut, auch wenn der Himmel durch Mond und Stadtrandlage deutlich aufgehellt war. Dennoch war eindeutig Nebelzeit. [:D]
    Ich habe mich zuerst mit dem 24er Panoptic ohne Filter orientiert. Die drei Messierhaufen M36, M37 und M38 boten wie immer einen schönen Anblick und sind hervorragende Orientierungspunkte in diesem Gebiet. Ich dachte neulich, ich hätte mit dem Fernglas eine leichte Aufhellung beim Flaming Star Nebula IC405 gesehen. Die stellte sich im Teleskop aber als NGC1893 heraus, einem aufgelockerten offenen Sternhaufen. Der Flaming Star ist woanders.


    Also Astronomik OIII-Filter rein und los gings. NGC1893 ist assoziiert mit dem Emissionsnebel IC410 der im Teleskop deutlich zu sehen war und Ansätze von Struktur zeigte. Das war ein fantastischer Anblick, der für sich schon den Aufbau gelohnt hat. IC405 ist ganz in der Nähe und mit Filter meine ich eine leichte Aufhellung an der Grenze der Wahrnehmung gesehen zu haben. Aber da bin ich mir nicht 100%ig sicher. Der Interstellarum Deepsky Atlas empfiehlt einen UHC, der hat mich aber auch nicht wirklich weiter gebracht. Vermutlich zu wenig Öffnung bei zu hellem Himmel.
    Ganz in der Nähe von M36 und M38 befindet sich eine helle Sterngruppe um 24Aur. Sie ist im Fernglas und Sucher unübersehbar und birgt auch ein paar kleine Schätzchen. Zu allererst ist da der Emissionsnebel IC417 zu nennen, der mit 6“ und OIII bei meinem Himmel zwar eine harte Nuss ist, aber erst einmal gefunden sicher als diffuse Aufhellung zu halten ist. Der IDSA zeigt in der Nähe noch den hellen Reflektionsnebel NGC1931. Also Filter raus und aufgesucht. Nach einigem Starhopping konnte ich die Position sicher festmachen und tatsächlich zeigte sich eine kleine diffuse Aufhellung. Das ist ein Nebel, der von einem guten Himmel sehr profitieren würde. Er hat anscheinend auch eine kleine Emissionskomponente, von der ich mit dem OIII allerdings nichts sehen konnte.


    Ich bin dann auf die andere Seite der gedachten Linie, an der die drei Messier-Haufen liegen, gewechselt. Da gibt es rund um den großen, aber schwachen Sharpless 2-232 auch ein paar kleine helle Emissionsnebel, die ich noch nie zuvor beobachtet habe. Dank zwei Sternpaaren, die auch im IDSA eingezeichnet sind, fällt die Orientierung hier überraschend leicht. Sh2-232 blieb wenig überraschend unsichtbar. Aber der kompakte, helle Sh2-235 war schnell gefunden und lies sich auch sicher halten. Ein sehr schöner, lohnender Anblick. Sh2-233 war nicht sicher auszumachen, das gleiche gilt für Sh2-231, ein kleines Nebelfetzchen. Vielleicht würden die bei besserem Himmel gehen.


    Ich wollte dann noch ein paar offene Sternhaufen in der Nähe aufsuchen und mich an NGC1985, einem weiteren Reflektionsnebel, versuchen. Aber auf einmal war im Okular alles gelb. Ein Blick an den Himmel zeigte eine geschlossene Wolkendecke, die sich innerhalb weniger Minuten über meinen ganzen Himmel ergossen haben muss. Die große Wolkenlücke war offenbar vorbei gezogen und der Himmel wieder dicht. Damit hatte ich schon gerechnet und habe deshalb Teleskop und Zubehör zurück ins Haus geräumt. Ein Blick auf die Uhr: die ganze Beobachtungsaktion vom Mond bis zu den Sharpless-Nebeln hatte mal gerade eine halbe Stunde gedauert. Das nenne ich Turbo-Deepskybeobachtung. Eine weitere halbe Stunde später ging draußen schon der nächste Regenguss nieder.


    Das war eine kurze, aber sehr schöne Deepskybeobachtung. Und der Beweis, dass auch bei mäßigen Bedingungen mit einem guten Filter und gutem Kartenmaterial mit einem 6“er sehr schöne Emissionsnebel beobachtbar sind, die abseits der hinlänglich bekannten Standardkerzen liegen. Und auch kurze Wolkenlücken können sich lohnen, da die Luft bei solchen Gelegenheiten oft sehr transparent ist und gute Bedingungen für schwache Deepskyobjekte herrschen.
    Es muss nicht immer gleich der 16“er sein. Allerdings werde ich bei nächster Gelegenheit und weniger Wolken auch noch mal mit dem großen Bruder meines 6“ers diese Region beobachten.


    Ich hoffe dieser kleine Bericht hat Euch nicht gelangweilt. Ich hatte sehr viel Spaß gestern Abend und wollte das gerne mit Euch teilen.
    Bis dann:
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hallo Marcus,


    danke für die Inspiration mit kleinem Gerät. Der günstig stehende Fuhrmann bleibt uns hier dieser Tage auch hinter den Regenwolken, und ein weiterer Grund für die seltenen Berichte aus dieser Region wird die Jahreszeit sein. Hoffen wir auf besseres Wetter. Die Erfahrung, dass in Wolkenlücken manchmal gute Durchsicht erhascht werden kann, habe ich auch schon gemacht. Man muss es drauf ankommen lassen, oft kommt Lohnendes dabei heraus.


    CS,
    Henning

  • Hallo Marcus,


    wer im Winter nicht jede Lücke ausnützt, ist arm dran!
    Da hast du alles richtig gemacht.
    Bei mir ist es nicht mehr möglich, denn bis ich mein Gerödel aufgebaut habe, ist jedes Wolkenloch schon wieder geschlossen..
    Das ist der Nachteil von übergroßen Dobsons. Man macht es nur noch bei garantierten langen Nächten.
    Jetzt warte ich einfach bis April, bis es wieder zu Hottie geht. Dann ist aber wieder volles Programm angesagt [8D]


    cs
    Timm

  • Hallo Timm, Henning und Alex,


    und alle anderen, die meinen Bericht gelesen haben. Es freut mich, dass er Euch gefallen hat. Ich mache öfters mal solche kurzen Beobachtungsaktionen im heimischen Garten, in denen ich mir ein Sternbild mit dem 6“er und dem IDSA vornehme. Es muss nicht immer eine ganze Astronacht sein, vor allem wenn am nächsten Morgen um 05:45 der Wecker klingelt. Solche kurzen, knackigen Aktionen bringen mir besonders viel Spaß und danach falle ich immer glücklich ins Bett.


    Aber so spontan in eine Wolkenlücke zwischen den Regengüssen hinein war auch für mich eine Premiere. Und dann auch noch erfolgreich ein paar exotische Sharpless und ICs beobachtet. Diesen Abend werde ich nicht so schnell vergessen.


    Bis dann:
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

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