Hype um Beteigeuze

  • Hallo zusammen,


    jeder von euch hat sicherlich die Veränderung bei Beteigeuze mitbekommen oder hoffentlich schon selbst beobachtet.


    Was ich ein wenig belächeln muss ist, dass ein jeder diese Beobachtung mit einer anstehenden Supernova in Verbindung bringt und was daraus alles im Netz gemacht wird. Wäre sicherlich einmalig und spektakulär.


    Wie geht ihr mit dem Hype (in der Vorweihnachtszeit) um?


    Tobi

  • Hallo Tobi,


    was erwartest Du als Antwort:
    "Das hat mich sehr betroffen gemacht und wir schließen Beteigeuze in die Fürbitte in der Weihnachtsmesse ein."?
    Meldungen wie die anstehende Supernova, der verschwindende rote Fleck oder interstellare Raumschiffe die sich als Komet tarnen, gibt es ständig - kommt und geht.


    Gruß


    Heiko

  • Hallo Heiko,


    das mit der Fürbitte ist eine gute Idee (wenn es denn hilft). Eine Nichtantwort bzw. ein Ignorieren sind auch selbsterklärende Reaktionen.


    Die Erwartungen unter den Leuten sind doch sehr groß und die anschließende Enttäuschung könnte Größenordnungen höher liegen.


    Tobi

  • Hype oder nicht, man könnte das zum Anlass nehmen um sich zu fragen ob man vorbereitet ist.


    Im Durchschnitt sollte eine SN in der Milchstraße etwa alle 100 Jahre auftreten. Mit etwas Glück tritt diese dann auch auf der richtigen Seite der Galaxie auf (nicht etwa am entgegengesetzen Ende der Scheibe) und in der "richtigen" Hemisphäre für einen gegebenen Beobachter und auch nicht so ungünstig dass sie von der Erde aus gesehen gerade zu nah an der Sonne ist.... alles zusammengenommen hat ein junger Amateurastronom eine Chance von (ich denke mal) besser als 1:10 in seinem/ihrem verbleibenden Leben die lang erwartete galaktische SN zu erleben. Und dann? Für die Profis wird es gar nicht so einfach sein ein evtl. extrem helles Objekt zu beobachten, und außerdem konzentrieren sich die Profi-Observatorien auf immer weniger Standorte (Chile, Hawaii, Süd-Westen der USA und Australien). Amateure könnten hier einen echten Beitrag leisten um möglichst viele und lücklenlose Datenpunkte zu sammeln... wenn sie schnell reagieren und ebenfalls auf sehr helle Objekte eingestellt sind! Es fängt schon damit an möglichst schnell benachrichtigt zu werden. Es kann schon mal nicht schaden sich bei SNEWS anzumelden, wodurch man evtl sogar schon vor der "optischen" Sichtbarkeit einer SN alarmiert wird:


    https://snews.bnl.gov/


    CS
    HBE

  • Hallo,


    da muss ich mich Marwin anschließen - persönlich habe ich nichts davon mitbekommen und frage mich, um welchen Hype es hier geht [:D] Ist das tatsächlich ein aktuelles wissenschaftliches Thema oder gehört es in die Super-Blut-Wolf-Mond-Kategorie?


    Viele Grüße
    Dominik

  • Ich habe es auf Facebook (eine natuerlich immer serioese Quelle [:D]) mitbekommen, mit einem Link zu einer astronomischen Veroeffentlichung. Offenbar hat die Helligkeit von Beteigeuze abgenommen.


    Das kann natuerlich viele Ursachen haben, aber da der Stern als Supernovakandidat gilt, weckt es naturgemaess Spekulationen. Eine detaillierte Beobachtung, speziell spektroskopisch, wird bestimmt helfen, Beteigeuze besser zu verstehen - und generell Prozesse in der Peripherie solch massereicher roter Riesen. Kaeme es wirklich zu einem Supernovaausbruch, waere der sternphysikalische Erkenntnisgewinn Gold wert. Aber die Wahrscheinlichkeit ist eher gering, wenn man die Zeitskalen eines Sternlebens in Betracht zieht. Es kann sich einfach um eine Umschichtung von Material handeln, eine kleine Instabilitaet im Sternwind. Bei roten Riesen gibt es ja starke Sternwinde, die einen Masseverlust verursachen. Bei kleineren roten Riesen ist dieser Masseverlust spaeter in Gestalt eines planetarischen Nebels sichtbar, waehrend der Zentralstern als weisser Zwerg (durch seine Oberflaechentemperatur schoen viel UV emittierend, was den Nebel leuchten laesst) ausglueht. Dafuer ist Beteigeuze zu massereich, aber den Sternwind wird es auch geben.


    Fuer Spektroskopiker und Fotometriker ist das eine spannende Sache.

  • Das Ding ist einfach, dass Beteigeuze momentan ein langjähriges Minimum zeigt (dunkler als in den letzten ca 50 Jahren oder so). Für sich genommen ist das erstmal eine wissenschaftliche Tatsache, siehe z.B.


    http://www.astronomerstelegram.org/?read=13341


    Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das dann wohl (wie das heute nun mal so üblich ist ....) durch eine Twitter Meldung eines Studenten bekannt:


    Externer Inhalt twitter.com
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    Von der Art und Weise wie der Autor die Daten analysiert bin ich jetzt nicht so beeindruckt :-), aber es bleibt die Tatsache dass Beteigeuze gerade etwas macht was selten ist und deshalb genauer beobachtet werden sollte.


    Cheers
    HB

  • Man denke in diesem Zusammenhang nur an Eta Carinae. Dieser Supernovakandidat hatte im 19. Jahrhundert einen starken Helligkeitsausbruch, um dann wieder abzufallen. Wesentlich dramatischer als jetzt bei Beteigeuze, und auch nicht gleich explodiert. Das koennen auch Absorptionseffekte in der Sichtlinie sein, z. B. Staubwolken in der Peripherie des Sternes.

  • Moinmoin,


    nunja, jedenfalls hat es Beteigeuze bis auf meine Checkliste für Astrofotosessions geschafft. Zwischen "Alignment" und "Bahtinov!" steht "Beteigeuze checken!" [;)]
    Wäre ja schon der Knaller, das zu Lebzeiten mitzubekommen, so quasi vor der Haustüre, nur, bitte im Winter, bitte nachts, bitte bei klarem Himmel und Neumond! Und bitte dann, wenn ich auch gerade auf der Wiese stehe! [:D]


    3 Monate danach wäre halt Orions Schulter weg [:0]. Sieht auch doof aus... irgendwie... vllt wird O<u><b>r</b></u>ion dann umbenannt in O<u><b>n</b></u>ion [:D][:D][:D]


    Bemerkenwert ist der starke Abfall jetzt aber schon.... However, er ist auf der Checkliste [;)]


    Clear Skies!
    Okke

  • servus zusammen,


    um zum Thema und der Frage zurückzukommen: wie geht man mit der Nachricht um:
    ich habe unsere interne Mailing-Liste der Sternwarte genutzt, um alle dort aktiven Mitglieder auf die Sache aufmerksam zu machen. Denn Gott sei Dank hat die astronomische Fachpresse wie die "Wild-Zeitung" oder der "Süddeutsche Freiflug" das noch nicht spitz bekommen - wäre ja gerade rechtzeitg gekommen, um all die wichtigen und richtigen Horoskop- und Jahresausblicke nochmals zu aktualisieren.
    Die Fakten sind schnell erzählt:
    - Beteigeuze ist signifikant schwächer geworden, und hat eine so geringe Helligkeit wie seit der Aufnahme der kontinuierlichen Messung nicht mehr
    - es gibt allerdings Schätzungen von früher, die ihn damals noch schwächer gesehen hatten
    - insofern bemerkenswert, aber nichts außergewöhnliches.
    - ob ein Zusammenhang mit dem schrumpfenden Durchmesser besteht, bleibt zu klären. Der geht seit 1993 zurück. Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass der Durchmesser 10 Jahre zuvor halt nicht bekannt war, und man erst seitdem den Durchmesser überhaupt verlässlich durch Beobachtung verfolgen kann.
    - Die Helligkeitsschwankung geht höchstwahrscheinlich auf Ruß-Ansammlungen in der Atmosphäre (die sehr weit hinausreicht) zurück. Ein Zusammenhang mit einer möglichen SN-Explosion (und Beteigeuze wird definitiv in einer solchen enden, und das in den nächsten paar 100.000 Jahren) ist wahrscheinlich nicht gegeben.


    Übrigens: wenn mal in den nächsten Wochen ein Wolkenloch vorbeikommt (bei mir ist das ähnlich lange überfällig wie eine Supernova in unserer Galaxis), kann man Beteigeuze sehr schön mit seiner geringeren Helligkeit schätzen: Aldebaran hat 0.m87 visuelle Helligkeit, und Beteigeuze ist deutlich schwächer, aber gleichhell oder etwas heller als Pollux in den Zwillingen (1.m16).


    CDS
    Stefan

    visuell:

    ICS Dobson 14.5" f/4.7


    fotografisch:

    Lichtenknecker FFC 190/760mm f/4

    Galaxy RC 10" f/8

  • Hi,


    nur kurz zum Hype. Vielleicht ein wenig übertrieben, aber ich bin über den Blog vin Daniel Fischer darauf gestoßen.
    Daniel verlinkt schon seit einigen Tagen zu wissenschaftlich erstellten Lichtkurven. Aber unter dem Hashtag #Betelgeuse finden sich viele Erwartungen an das aktuelle Verhalten des Sterns.


    Danke an Stefan für die informative Zusammenstellung. Wollte mich auch gerade dransetzen. Ich hatte wirklich gedacht, dass fast alle hier Bescheid wüssten.


    Lässt sich eigentlich von außen entscheiden, ob ein roter Riese sich noch im Stadium der Heliumfusion oder schon in der Siliziumfusion befindet? Kann nichts darüber entdecken.


    Tobi

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Lässt sich eigentlich von außen entscheiden, ob ein roter Riese sich noch im Stadium der Heliumfusion oder schon in der Siliziumfusion befindet? Kann nichts darüber entdecken.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das ist eine ausgezeichnete Frage, und die Antwort lautet: Theoretisch JA!


    In dieser Phase werden spezielle Neutrinos produziert,und es gab mal die Idee den Super-Kamiokande Neutrino-Detektor so "aufzurüsten" dass er hierfür empfindlich wäre. Ich bin mir jetzt nicht sicher ob das tatsächlich schon beschlossen oder sogar gemacht wurde:


    https://ui.adsabs.harvard.edu/…8npa..confE.382S/abstract


    Wenn man den Links zur Publikation folgt findet man auch ein Poster mit Vorhersagen zu Beteigeuze: Vorwarnzeit von ca 1 Tag.



    Ich hab' mal einen Vortrag von dem "Vater" dieser Idee gehört: Im wesentlichen wird das Wasser in dem Detektor mit einer bestimmten Substanz versetzt, und er hatte das Zeugs kurzentschlossen einfach mal zu Versuchen irgendwo im Ex-Ostblock IIRC besorgt und wollte damit nach Hause fliegen....einem weißen Pulver....kam beim Zoll nicht so gut. Die Versuche zu erklären dass das etwas mit (Kern)physik zu tun hat haben dann auch nicht geholfen...muss spaßig gewesen sein.
    Der Typ war sehr cool drauf, er nannte das Projekt "GADZOOKS!" (Gadolinium Antineutrino Detector Zealously Outperform Old Kamiokande Super!)


    Details zB hier: https://www.sciencedirect.com/…cle/pii/S2405601415005398



    EDIT: Die beschriebene Aufrüstung hat wohl tatsächlich schon stattgefunden, Beteigeuze kann also loslegen: https://www.nature.com/articles/d41586-019-00598-9


    CS
    HBE

  • Hi,


    interessanter Weise könnten die Pre-SN Neutrinos vielleicht auch mit zukünftigen Dunkelmaterie - Suchexperimenten nachweisbar sein (z.B. ARGO). Aktuelle Beteigeuze-Lichtkurve --&gt; Da wir ja leider so richtig wenig über das typische Verhalten weit entwickelter Sterne vor der SN wissen, schwer zu sagen ob das in die eine oder andere Richtung interpretationsfähig ist...


    Viele Grüsse,
    Dominik

  • War gerade mal draußen und konnte durch eine Wolkenlücke Beteigeuze erspähen. Durch seine geringere Helligkeit erscheint er rötlicher als sonst.


    Des Weiteren ist seine Oberflächentemperatur um 150K gesunken. Eine mögliche Erklärung könnte das Zusammenfallen zweier Helligkeitsminima der Perioden mit 5,9 und 425 Tagen sein.


    Weiteres dazu im aktuellen astronomischen Telegramm:


    ATel

  • Mal eine praktische Frage, die mir öfters im Kopf rumgeht.
    Beteigeuze ist einer der hellsten Sterne. Wie würde man ihn als SN am Nachthimmel mit bloßem Auge sehen?
    Seine Leuchtkraft sollte sich auf Halb/Vollmond Niveau erhöhen.
    Jetzt ist er ja aber immer noch nur ein kleinster Lichtpunkt. Wie sähe man das? Würde er einen Schatten werfen?

  • Hey Tobi,


    coole Sache, hab ich gestern erst durch diesen Thread mitbekommen und promt gab es eine Wolkenlücke spät abends.
    Tatsächlich erstaunlich abgeschwächt. Wegen der Farbe kann ich nix sagen, aber ich habe Vergleiche zu den hellen Nachbarsternen notiert. Ganz witzig, man muss einen ganzen Sektor des Himmels zum Vergleichen heranziehen.
    Mal sehen wie es weiter geht (wahrscheinlich jetzt für einige Zeit stabil so...?)


    Schöne Feiertage,
    Walter

  • Moin Hans!


    &gt; Mal eine praktische Frage


    Na, die Frage ist wohl eher bisher hypothetischer Natur...


    &gt; Wie würde man ihn als SN am Nachthimmel mit bloßem Auge sehen?


    ...auch weiterhin als gleißendes, weißes und sternförmiges Objekt. Und ja, man würde die SN ohne Probleme am Taghimmel sehen können. Natürlich würde sie nachts Schatten werfen (das macht die Venus mit ihren max. -4m5 Helligkeit auch.)
    Die "Vollmondhelligkeit" (-12m) als Punktlichtquelle ist aber schädlich für die Augen, ähnlich wie der kurze Blick in die Sonne.


    Das letzte ähnliche Ereignsi war die SN 1006 im Sterbild Wolf (-7m5), damals von Mitteleuropa aus nicht sichtbar. "SN 1006 dürfte das hellste natürliche punktförmige Himmelsobjekt gewesen sein, welches in der überlieferten Geschichte der Menschheit zu sehen war." (Wikipedia)


    Wer erinnert sich an die alte Quarks&Co-Sendung (WDR Fernsehen) zu dem Thema? Dort gab es eine fiktive "tagesschau-Sondersendung" zum "Beteigeuze SN-Ereignis". Natürlich sind auf diese gefakte Meldung so einige hereingefallen - der Bericht wurde Jahre später bei Quarks noch einmal gezeigt.[:)]
    .

  • Moin Winnie,


    warum wären -12m als Punktlichtquelle schädlich für die Augen? Klar würde es zu einer "Übersteuerung" der Rezeptoren kommen, aber wäre das irreversbel schädlich? Ist bei der Sonne nicht die konzentrierte Wärmestrahlung das Problem?


    Grüße,
    Karl


    PS: Ich frage aus Interesse, keinesfalls, weil ich es besser weiß (das ist definitiv nicht der Fall).

  • Gestern Nacht gabs klaren Himmel, aber Weihnachtsfeier.... Immerhin, ein paar Blicke waren möglich. Nun, er ist noch da [;)]


    Allerdings scheint er mir auf dem Helligkeitsniveau von Bellatrix angekommen zu sein, also dunkler als sonst gewohnt. (ja, er ist variabel, ok, aber liegt die Periode nicht so um 2070 Tage?)


    Gruß
    Okke




    edit: nicht 2335 sondern 2070 Tage Periodendauer

  • Moin Karl!


    &gt; warum wären -12m als Punktlichtquelle schädlich für die Augen?


    Kann ich dir nicht sagen, weiß ich auch nicht. Jedenfalls war die Warnung, direkt auf so eine Punktlichtquelle zu schauen, bei einem der letzten Berichte zu dem Thema gefallen.
    Vielleicht ist es so: eine 3-W-Kühlschranklampe ist harmlos, ein 3-W-Laser nicht, wenn du in den Strahl schaust.


    &gt; Ist bei der Sonne nicht die konzentrierte Wärmestrahlung das Problem?


    Eine äußerst hefige Blendung reicht auch, um ein Nachbild auf der Netzhaut zu erzeugen. Wo da der dauerhafte Schaden anfängt, ist die Frage.

  • Hallo,
    man kann die Helligkeiten vergleichen und abschätzen, wie hoch die Gefährdung ist. Nehmen wir an...gleiche Wärmestrahlung pro Helligkeit wie die Sonne. Und Beteigeuze hat einen, szintilliationsbegrenzten Durchmesser von 1". Sonne= 27 mag. Vollmond 12 mag. Differenz 15 mag...etwa das Millionenfache. Auf die Fläche gesehen..harmlos. Aber der Mond hat 1800x1800 x pi/4 Bogensekunden. Dieses auf eine Bogensekunde gerechnet...da mich grade mathematische Unlust befällt...rechnet es selber aus[;)]

  • Jetzt konnte ich Beteigeuze zum ersten Mal nach seinem Helligkeitsabfall selbst sehen. Der Stern ist zwar immer noch erkennbar heller als Bellatrix, aber trotzdem sieht Orion ungewohnt aus.

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