Frage zu den Spiegeln

  • Hallo liebes Forum,


    ich bin absoluter Neuling was das Thema angeht, und habe mal einige Fragen an die Experten hier (ist nicht neagtiv gemeint, verglichen mit meinem Wissen ist jeder der ein Teleskop besitzt ein Experte).


    Ich habe einige YouTube videos zum Thema Spiegel gesehen. Und es sind immer diese Kiloschweren Glasspiegel die ja aufwendig geschliffen und poliert und versilbert bzw aluminisiert werden müssen.


    Meine erste Frage zielt son bissl darauf ab ? Warum muss der Glaskörper so schwer sein ? Und gibt es nicht noch alternativen dazu ? Ich hatte zwei drei Videos gesehen wo jemand über Unterdruck eine Mylar Folie so gezogen hat das sich eine Wölbung ergibt. Es war auch die Rede davon das man diese u.u. als Teleskopspiegel verwenden könnte. Mich würde mal interessieren was dagegen spricht, bzw warum das so nicht funktioniert, da es sonst ja jeder so machen würde, und ob es nicht doch möglichkeiten gibt mit solchen Spiegeln zu "brauchbaren" Ergebnissen zu kommen. Falls diese Frage(n) schon irgendwo behandelt werden bitte ich dies zu entschuldigen, aber ich habe, nachdem ich mir zu dem ganzen Thema eine Reihe von Fragen gestellt habe gedacht das ich mich mal hier in einem Forum anmelde und einfach mal nachfrage. Wenns ok ist kommen noch mehrere Fragen in dieser Richtung. Ich muss dazu sagen das ich technisch sehr interessiert bin und denke ich auch eine ganz gute Auffassungsgabe habe. Mir geht es primär erstmal um Teleskope, deren bau und wie und warum Begrenzungen zustande kommen. An einem Selbstbau würde ich mich ohnehin erst wagen wenn ich genug Wissen und Zeit habe, falls ich das jemals haben werde. Ansonsten werde ich eher ein stiller mitleser sein der sich daran erfreut was andere schaffen. Man muss ja auch gönnen können :) In dem Sinne hoffe ich auf viel Input und wie gesagt viel Expertisenwissen das ich für einen möglichen teleskopbau, aber auch für andere Dinge einsetzen kann ...


    LG

  • Hallo Rene,
    ich bin zwar kein Spiegelexperte, habe aber auch Newton Spiegelfernrohre und Maksutovs.
    Die Spiegel müssen nicht sauschwer sein und sie werden heute auch dünner und leichter wie früher. Z.B. hat der Tal2 noch einen 150 mm Spiegel mit 3 cm Dicke (oder sogar etwas mehr). Die neuen GSO Parabolspiegel haben 153 mm Durchmesser und nur 22 mm Dicke. Da ist der Spiegel dünner und damit leichter geworden.
    Der Weg geht also in Richtung leichterer und dünnerer Glasspiegel.
    Zu Mylar: Da ist die Frage wie formstabil so eine Mylarfolie ist und wie sich die bearbeiten lässt. Ich vermute, dass die es schwierig wird die Folie in die exakte Form zu bringen und diese Form zu halten und das bei einer extrem guten Oberfläche.
    Es ist nur eine Vermutung und die Frage ist auch ab welche Oberfläche es sich vom Gewicht her lohnt. Beim Tal2 ist der Tubus deutlich schwerer wie der Glasspiegel, vor allem wie der 22 mm dicke Spiegel.
    Ich bin natürlich gespannt, was die echten Spiegelexperten dazu sagen und ob jemand es schon ausprobiert hat mit Mylar eine Optik zu erzeugen.
    Servus,
    Roland

  • Hallo Rene,


    ich habe meine halbe Jugendzeit mit der Erforschung von Membranspiegeln verbracht. Bin gefoerdert worden, bekam bei "Jugend forscht" und bei "Jugend und Technik" ein paar Preise und ich habe viel gelernt. AAAber: Es funktioniert nicht! Wer schonmal versucht hat, einen Ball als Geschenk zu verpacken, kennt das Problem: Es geht nicht faltenfrei.


    Ich habe mit duennen Brillenkunststoffscheiben (d=100mm, Dicke 1mm) experimentiert, dann mit Hoechst Hostaflon (das war ein Ueberdruckspiegel, vordere Flaeche durchsichtig und die hintere Flaeche verspiegelt). Zuletzt dann (Dank an Leybold zur Spende einer richtigen Vakuumpumpe) Mylar.


    Die Probleme:


    - Geometrie: Die Flaeche laesst sich nicht faltenfrei transformieren. Diese Falten sieht man nicht unbedingt, aber im Foucaultbild (das ist ein Spiegeltest) sind sie genauso erkennbar wie ber der Verwendung von durchsichtigen Folien im polarisierten Licht.


    - Rauhigkeit: Auch die Baaderfolie hat noch eine schlechtere Mikrorauhigkeit als eine optisch polierte Oberflaeche. Der Unterschied ist nicht gross und faellt in Transmission nicht auf (deshalb sind die Baaderfoliensonnenfilter auch so gut), aber in Reflexion sind die Anforderungen hoeher.


    - Stabilitaet: Das Vakuum muss stabil genug sein, dass sich die Brennweite durch Druckschwankungen nicht verstellt.


    - Umwelteinfluesse:


    * Die Folie dehnt sich mit der Temperatur aus. Wird es also kaelter, wird sie strammer und die Brennweite nimmt bei gleichem Druck zu.


    * Aendert sich der Luftdruck, aendert sich die Brennweite. Der Membranspiegel ist ein schoenes Barometer.


    * Wind kann groessere Spiegel in Schwingungen versetzen. Das ist sogar schon bei klassischen Grossteleskopen ein Problem: Der Spiegel wird zum Segel.


    Mein Testteleskop mit 200mm Durchmesser und angeschliffener, voll justierbarer Zelle hat so gerade die Maria auf dem Mond zeigen koennen. Das Aufloesungsvermoegen war also nicht besser als das eines blossen Auges.


    Meine Konklusion damals war, dass sowas vielleicht fuer laengere Wellen geeignet ist, wo aus Beugungsgruenden die Ortsaufloesung sowieso niedriger ist. Beispielsweise als Radioteleskop, das vorzugsweise in einem vollklimatisierten Radom eingesetzt wird. Also einer geschlossenen Kuppel, in der Temperatur und Luftdruck konstant gehalten werden waherend das Kuppelmaterial fuer die Wellenlaengen, die beoachtet werden sollen, durchsichtig ist.


    Oder man geht in den Weltraum. Meine Vision war eine Art Ballon, eine Seite verspiegelt, als ultraleichter Fluss-Sammler.


    Ich bin nie 100% dahintergekommen, welche Form der Spiegel hatte. Die Abweichungen waren fuer einen Foucaulttest viel zu gross, es war also meilenweit von einer Sphaere entfernt. Ich vermutete den Cosinus Hyperbolicus ("Kettenlinie"), habe mir da auch per Heimcomputer einen zurechtgefittet, aber die Juroren konnte ich damit nicht ueberzeugen. [:D]


    Die Idee das Membranspiegels ist uebrigens schon sehr alt, und immer wieder gibt es neue "Erfinder". Ich lese gerade das Buch "The Aha-Moment" von David Jones (der englische Professor, der in den 1980ern in "Kopf um Kopf" im WDR-Fernsehen immer die skurrilen Experimente machte), und auch er forschte auf diesem Gebiet. Ich habe so mit einigen Experimentatoren gesprochen, wovon einer lustigerweise eine Zelle entwickelte, die meiner damaligen Version 4 verblueffend aehnelte.


    Aber unterm Strich funktioniert es halt nicht.

  • Hallo Jürgen,


    sehr interessante Informationen die Du lieferst.


    Was mich interessieren würde, wenn es denn dann funktionieren würde, wo lägen denn dann die Herstellungskosten für solch eine
    Teleskopfolie?

    Gruß und CS

    Mathias

    :alien: .


    | Refraktor FH 120/600 | Refraktor FH 120/1000 | Celestron C8 SC XLT 203/2000 | iOptron AZ Pro GoTo | EQ-6 R | ZWO ASI224 |

  • Hallo Mathias,


    das ist schwer zu sagen. Unter der Annahme, dass die neue Astro-Solarfolie von Baader eine hinreichend kleine Mikrorauhigkeit aufwiese, um in Reflexion bildgebend verwendet zu werden, waeren die Kosten wirklich klein. Ein halber Quadratmeter kostet ja irgendwas unter 100 Euro.


    Dazu kaemen dann die Kosten fuer eine geeignete Zelle, die eventuell angeschliffene bzw. polierte Schmiegflaechen haben muesste - so nannte ich die Kontaktflaechen, an denen der Spiegel von der Zelle in das freie Haengen uebergeht. Und die Vakuumpumpe. Und Sensorik, um entweder ueber die Ueberwachung von Temperatur und Luftdruck oder durch einen Bildsensor einen Regelkreis zu bilden, der den Spiegel konstant haelt.


    Dann ist der Spiegel ja weder sphaerisch noch parabolisch, sondern "irgendwas". Da bedarf es noch einen Korrektor, um zumindest in Achsnaehe ein passables (=beugungsbegrenztes) Bild hinzubekommen.


    Ich hatte damals auch davon getraeumt, mal ein wirklich grosses Teleskop zu bauen. "Gross" war fuer mich um 40cm Oeffnung, und damals um 1990 war sowas gross. Aber die Realitaet hat mich eingeholt.


    Ich fing dann spaeter an, klassische Teleskopspiegel zu schleifen und die machen nun wirklich eine brauchbare Abbildung. Und das ohne Pumpen und Sensoren.

  • Hallo JSchmoll,


    erstmal danke für deine fundierte Antwort. Ich hab mir schon fast sowas gedacht. Wenns so einfach wäre hätte man es ja schon gemacht :)


    Aber vllt nochmal eine Frage dazu :


    Es geht sich ja darum die Unebenheiten möglichst auszugleichen. Wenn man ähnlich wie bei den großen Spiegeln wie z.b. beim LBT, wo ja das Glas geschmolzen wird, und in Rotation versetzt wird um über die Zentrifugalkraft eine sphärische Form zu bekommen das Prinzip mit einem Mylar bzw einer unter Vakuum gezogenen Folie nutzen würde.
    Sprich : Mit dem Vakuum wird die Folie grob "vorgezogen", die Konstruktion in Rotation versetzt und mit einem Polymer oder Epoxyd versetzt, sodass die Zentrifugalkraft für eine glattere Oberfläche sorgt (je nach Material was da in Rotation versetzt wird). Es hängt natürlich von dem Material ab, es muss ja aushärten können, aber gleichzeitig solange flüssig bzw viskos sein damit die Zentrifugalkraft über die Rotation das Zeug "in Form" bringen kann.
    Wäre das nicht auch eine Möglichkeit ?
    Obwohl ich vermute das auch diese Idee wahrscheinlich schon ausprobiert worden ist und für unbrauchbar befunden worden ist.


    LG
    Rene

  • Hi Rene,


    wenn Du eine Fluessigkeit in Rotation versetzt, bildet sich eine Parabel. Also eigentlich die beste Spiegelform fuer viele Teleskopsysteme.


    Du brauchst dann aber keine Folie mehr und kein Vakuum, sondern nur ein zylindrisches Gefaess.


    Es gibt experimentelle Fluessigspiegelteleskope, die mit Quecksilber arbeiten. Irgendwo in Kanada steht so ein Teil, 6m Durchmesser. Der Fluessigspiegel ist sehr vibrationsempfindlich, sodass der Motor mit der rotierenden Form ueber ein sehr duennes Band (aehnlich dem Band aus einem Audio- oder Videorekorder vergangener Tage) verbunden werden muss. Abgesehen von der Giftigkeit des Quecksilbers ist das Kardinalproblem, dass sich das Fernrohr nicht schwenken laesst (okay, es liesse sich schwenken, aber dann wuerde der Spiegel "ausgeschuettet"). Es ist also ein reines Zenitteleskop, das sich nur im Transitmodus verwenden laesst.


    Und dann gibt es Roger Angel im Steward Mirror Lab in Arizona, der grosse Spiegel bis 8.4m Durchmesser aus Borsilikat giesst. Der Ofen rotiert, und die entstehenden Wabenspiegel sind im Prinzip parabolisch. Aber die Oberflaechenguete ist nicht optisch, und muss noch weiter geschliffen und poliert werden. Das ist hier auch gar nicht beabsichtigt, aber durch das Vorformen durch die Rotation wird vermieden, dass nach dem Erkalten eine grosse Menge Glas abgeschliffen werden muss. Das spart Zeit, Geld und Glas.


    Ach ja, noch ein Schwank aus vergangenen Zeiten: Mit einem Kumpel haben wir nach der Lektuere eines Artikels ueber Quecksilberspiegel ("Sterne und Weltraum", um 1986) auch mit Fluessigspiegeln experimentiert. Eine Haushalts-Tupperform auf einem Plattenspieler musste dafuer herhalten. Mit Wasser ergab sich ein Spiegel, der eine Gluehwendel einer Taschenlampe gut an der Zimmerdecke abbilden konnte. Aber nur 4% Reflexion. Wir machten dann Spiegel aus Gips und aus Gelatine, aber beide waren nach dem Erstarren zu rauh, um als optische Oberflaeche zu dienen. Wir hatten damals die Phantasie eines essbaren Teleskopspiegels ... natuerlich voellig ernsthaft, ist ja klar. [:o)]

  • Coole Sache, Jürgen! Da hast Du Dich ja wirklich reingekniet und hast das spannend für uns zusammengefasst!


    Im Raumfahrtbereich gibt es diverse Aufgaben für leichte Spiegel. Aktuell werden sie z.B. für LCTs (Laser Communication Terminals) gebraucht, dort müssen die Spiegel schnell und exakt bewegt werden. Je leichter die Spiegel, um so einfacher ist das zu realisieren.


    Eine Möglichkeit ist es, ein anderes Trägermaterial als Glas zu verwenden. Also Composit-Spiegel zu bauen. Ich habe schon Wabenstrukturen gesehen, ich glaube aus Siliziumkarbid, denkbar sind auch 3D-gedruckte Strukturen. Es muss nur darauf geachtet werden, dass dann noch ein genügend fein polierbares Material aufgebracht werden kann.


    Noch gibt es diese Spiegel nicht in Serienfertigung. Spätere Generationen von Astronomen werden aber diese Entwicklungen nutzen können. Wie immer wird es anfangs eine Kostenfrage sein.


    Viele Grüße
    Sebastian

  • Die Folie würde auch nur dazu dienen eine "grobe" Vorform darzustellen, so meine gedankliche Spinnerei. Das eben nicht das ganze Material die Form übernehmen muss, sondern nur als "ausgleichsmasse" dient.


    Wichtig wäre eben das das zeug aushärten kann, damit man diesen Spiegel eben auch schwenken kann und nicht wie du es so schön beschrieben hast bei ner Bewegung auskippen kann.
    Die Idee dahinter wäre dann weiterhin wenn die Form gleichmäßiger ist und ausgehärtet ist, das diese dann vllt auch einfacher metallisiert werden kann, wenn die Form erstmal hart geworden ist, und das Vakuum für die Folie nicht mehr benötigt wird. Dann bräuchte man auch kein Quecksilber das bei flüssig sein muss um über Rotation die Form ergibt.

  • So eine Spiegeloberfläche muss auf so ~100 Nanometer genau (eher genauer) sein, sonst taugt der Spiegel nicht für ein Teleskop. Du kannst ja selbst mal ausrechnen, was passiert, was passiert, wenn du auf einen Gegenstand mal deinen Finger drauflegst und das Bauteil dadurch 5° C angewärmt wird ... sagen wir mal auf einer Strecke von 1 cm (=10.000.000 Nanometer). Die Wärmeausdehnungskoeffizienten kannst du auf Wiki nachschlagen für ein paar Stoffe ... https://de.wikipedia.org/wiki/Ausdehnungskoeffizient


    Fensterglas hätte 8,7 E-6 je Kelvin
    Pyrexglas hätte 3,25 E-6 je Kelvin
    Mylar hätte übrigens so um die 70 E-6 je Kelvin


    Dann kriegst du eine Vorstellung, warum viele Dinge einfach nicht funktionieren.

  • Hallo Rene,


    erst noch ein Willkommen hier auf Asterotreff.


    Wenn du z.B. mal auf diesen Link klickst- http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=242253 - da ist im ersten Beitrag ein Bild der noch verbliebenen Abweichungen eines selbst geschliffenen und polierten Spiegels zu sehen und der Kollege war damit noch nicht sehr glücklich.


    Bei dünnen Materialien verbiegt man bei Schleifen/Polieren den Spiegel, auch wenn er auf einer festen Unterlage liegt. Erwärmung durch den Schleif-/Poliervorgang führt auch zu Verformung. Und je dünner/leichter das Material ist desto größer die Auswirkung.


    gleiches gilt später für die Lagerung im Teleskop. Der Spiegel liegt nicht flächig auf, man nimmt nur eine gewisse Anzahl an Lagerpunkten. Und je nach Stellung des Teleskops, also ob eher flach oder steil zum Himmel zeigen, liegt der Spiegel mit unterschiedlichem Druck auf diesen Punkten. Je dicker desto weniger wirkt sich das aus. Ein Beispiel für eine Spiegelzelle (Lagerung) siehst du hier - http://www.astrotreff.de/topic…CHIVE=true&TOPIC_ID=66145


    Gruß
    Stefan

  • Erstmal vielen Dank an alle Kommentatoren.


    Das das ganze nicht einfach ist hab ich wie eingangs schon erwähnt mir ja schon gedacht. Mir war nur nicht ganz klar an welchen Punkten es alles genau hängt. Genau dafür habe ich diese Frage ja hier im Forum gestellt, wo es Leute gibt die sich schon lange damit befassen.
    Schade das es da nicht eine relativ einfache Methode gibt die man gut skalieren kann ohne das die Kosten exorbitant wachsen. Aber ich glaub deshalb kosten Teleskope wie das LBT ja auch etliche Millionen.
    Vielen Dank nochmals. Ich werd mich mal beizeiten einlesen. Wollte mir erst nurmal einen kleinen Überblick verschaffen bevor ich unausgegorene Ideen weiter spinne und schon der Spiegel das größte "Problem" ist. (ok, dafür das das die Hauptkomponente ist ist klar das da das größte Augenmerk drauf liegen muss).

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