Woher kannte Kepler die Planetenabstände?

  • Hallo, mich treibt gerade die Frage um, wie Kepler seine Gesetze zum Umlauf der Planeten auf Richtigkeit überprüft hat. Klar, aus seinen Gesetzen kann man die Abstände der Planeten von der Sonne ermitteln, zumindest in der Relation zueinander. Um die Richtigkeit seiner meinetwegen intuitiven Theorie zu prüfen, muss er aber Kenntnisse über die tatsächlichen (relativen) Abstände der Planeten gehabt habe. Leider finde ich dazu nichts, was damals über die Abstände bekannt war und wie das ermittelt wurde.
    Ich wäre dankbar für ein paar Tipps zu Links oder Literatur, was ich bisher gefunden habe, dreht sich logisch irgendwie im Kreis.


    Stefan

  • Ah, jetzt wo ich die Frage formuliert habe, glaube ich eine Lösung selber gefunden zu haben:
    Die Umlaufdauer um die Sonne konnte Kepler mit einfachen Überlegungen aus der beobachtoeten synodischen Umlaufdauer herleiten.
    Dann beobachtet er im Abstand von z. B. einem Monat den Winkel, um den sich der Planet am Fixsternhimmel bewegt hat. Den Weg, den der Planet in dieser Zeit auf seiner Bahn zurückgelegt hat (als Winkel) kennt er ja, es ist 36° *1/12 * Umlaufzeit_Planet/Umlaufzeit_Erde. Es gibt nur einen Radius der Planetenbahn, zu dem die Verschiebung am Fixsternhimmel passt. In der Realität sicher noch sehr kniffelig (ohne Computer!) aber vom Prinzip her könnte es passen?
    Da ich ganz neu im Thema bin, würde mich trotzdem die Einschätzung von Fachleuten interessieren, ob ich richtig liege.

  • Hallo Stefan,
    es waren zu Keplers Zeiten die Umlaufzeiten der Planeten schon mit hoher Genauigkeit bekannt, d.h. sie waren es bereits in der Antike. Die Beobachtungen überspannten ja schon Jahrhunderte.
    Für die Ermittlung der Keplerschen Gesetze ist die Kenntnis absoluter Abstände (d.h. in Kilometern o.ä.) nicht notwendig.
    Die Frage der tatsächlichen Dimensionen des Sonnensystems konnte dann erst später beantwortet werden, Stichwort: Sonnenparallaxe.
    Kennt man einen einzigen Abstand, so folgen die übrigen aus den keplerschen Gesetzen.
    Die Entfernung Erde-Sonne war dieser erste fundamentale Abstand, den die Astronomen zu ermitteln versuchten. Viel Aufwand wurde betrieben, um anläßlich der seltenen Venusduchgänge 1874 und 1882 die Sonnenparallaxe zu bestimmen. Mit größerer Genauigkeit gelang dies später mit der Parallaxe des Eros (1941) bzw. mit Radarmessungen.
    Gruß Lars

  • Moin Stefan!


    Wie schon geschrieben wurde: die Umlaufzeiten der Planeten waren zu Keplers Zeiten gut bekannt. Man wußte also schon, welche Planeten innerhalb und außerhalb der Erdbahn ihre "Kreise" zogen. Der Trick war nun dabei, aus rein erdgebundenen Daten auf die wahre Gestalt des Planetensystems zu kommen. Die Bahnformen an sich und die absoluten Planetenabstände waren bis dahin nicht bekannt.
    Kepler bediente sich der Positionstabellen von Tycho Brahe, um die Marsbahn zu rekonstruieren. Mathematisch äußerst schwierig - vor allem, wenn man ohne Vorbilder arbeitet, un das auch noch alles zu Zeiten des 30jährigen Krieges (und einem massiven Augenfehler, der eigene Beobachtungen nahezu unmöglich machte).
    Als Kepler seine Bahnhypothesen aufgestellt hatte - die auch noch praktischerweise mit der Erfindung der Teleskope einherging, waren nur noch die genauen Abstände im Planetensystem unklar (die Sonnenparallaxe wurde schon genannt). Aber damit hat man sich nochmal fast 400 Jahre lang abgemüht.
    .

  • Hi Lars,


    die haben Radar Pulse auf die Sonne losgelassen? Die werden in der solaren Hölle reflektiert und angemessen? Wau!
    Auf die Schnelle konnte ich nix finden, hast Du einen Link oder kannst Du drei Zeilen dazu schreiben [:)]?


    CS,
    Walter

  • Die älteste bekannte Bestimmung des Abstands Erde-Sonne fand schon in der Antike statt durch Aristarchos von Samos. Dahinter stand folgende Logik:


    1. Erddurchmesser ergibt sich über Schattenlängen von Stäben/Brunnenschächten auf unterschiedlichen geografischen Breiten. (Eratosthenes von Kyrene) und dem bekannten Abstand der Orte (soweit sie auf dem gleichen Längenkreis liegen).


    2. Monddurchmesser ergibt sich aus Schattenwurflinie der Erde auf dem Mond bei einer Mondfinsternis. Aus Monddurchmesser einerseits und scheinbarer Größe andererseits folgt daraus der Abstand Erde/Mond.


    3. Man messe die Winkel zwischen Erde, Mond und Sonne bei Halbmond (einer ist 90°, damit ist das Dreieck über den zweiten Winkel eindeutig bestimmt.


    4. Die Größe der Sonne steht zum Verhältnis der Entfernung im Vergleich zum Mond.


    Leider war das Ergebnis der Messung arg falsch, weil man die Lichtbrechung in der Atmosphäre bei flachen Winkeln nicht heraus rechnete. Das war seinerzeit noch unbekannt. Daneben gab's ein paar erhebliche Messfehler auch bei der Bestimmung (eher Abschätzung) des Monddurchmessers.


    Die eigentliche Glanzleistung liegt aber darin, dass dem ein heliozentrisches Weltbild zu Grunde liegt. Ohne Teleskop war man nicht in der Lage, die Richtigkeit zu belegen.

  • Moin Walter!


    Natürlich wurde nicht die Sonne ins Radar genommen, sondern bspw. Kleinplaneten und Raumsonden. Zitat Wikipedia.en:


    "During the opposition of 1900–1901, a worldwide program was launched to make parallax measurements of Eros to determine the solar parallax (or distance to the Sun), with the results published in 1910 by Arthur Hinks of Cambridge.[8] A similar program was then carried out, during a closer approach, in 1930–1931 by Harold Spencer Jones.[9] The value of the Astronomical Unit (roughly the Earth-Sun distance) obtained by this program was considered definitive until 1968, when radar and dynamical parallax methods started producing more precise measurements.


    Eros was the first asteroid detected by the Arecibo Observatory's radar system."


    (Letzteres war übrigens 1975. 1940/41 war Eros in Erdnähe. die Meßergebnisse hier waren aber nicht besser als die des Venustransits von 1874.)
    .

  • Hallo, hier ist wieder der Fragesteller,
    vielen Dank an alle! Da ist einiges interessantes für mich dabei. Meine Kernfrage war, wie Keppler die relativen Radien der Planegtenbahnen ermittelte (also in AE).

    Ich denke immer noch, dass meine eigene Antwort oben das beantwortet. Oder war das zu Keplers Zeiten gar kein Thema mehr und die rel. Radien waren schon allgemein bekannt?


    Denn ohne die Kenntnisse der Radien macht auch sein Gravitationsgesetz keinen überprüfbaren Sinn.


    Es ist schon eine wahnsinns Leisung die Bahnen zu ermtteln, das Gravitationsgesetz zu entdecken und dabei noch schlecht sehen können.


    Stefan

  • Hallo Stefan,
    Kepler hatte ja Tychos jahrzehntelange Beobachtungsreihen des Mars zur Verfügung und aus diesem Material hat er seine Erkenntnisse gewonnen.


    In Wikipedia (Keplersche Gesetze) ist der entscheidende Weg so zusammengefasst:


    "So konnte Kepler annehmen, dass der Mars, obwohl seine genaue Bahn noch unbekannt war, nach jedem seiner Umläufe um die Sonne wieder die gleiche Position im Weltraum einnimmt, auch wenn er von der Erde aus gesehen an verschiedenen Himmelspositionen erscheint, weil dann die Erde jedes Mal an einer anderen Stelle ihrer Bahn steht. Daraus bestimmte er zunächst mit ca. 4-stelliger Genauigkeit die Erdbahn. Auf dieser Basis wertete er die übrigen Beobachtungen des Mars aus, bei dem die Abweichungen von einer Kreisbahn deutlicher sind als bei der Erde. Als er nach vielen Fehlschlägen und langem Probieren den Maximalfehler bei der Position des Mars am Himmel nicht unter 8#8242; (etwa 1/4 Vollmonddurchmesser) drücken konnte, nahm er einen weiteren Anlauf und fand – halbwegs zufällig –, dass die Marsbahn am besten durch eine Ellipse wiederzugeben ist, wobei die Sonne in einem ihrer Brennpunkte steht. Dieses Ergebnis bestätigte sich auch bei der Erdbahn, und es passte auch zu allen anderen von Tycho beobachteten Planeten."


    Sehr ausführlich wird das hier behandelt:
    https://dokumentix.ub.uni-sieg…er_Die_Kepler_Ellipse.pdf


    Da heisst es auf Seite 81:


    "5.6. Die Erkundung der Erdbahn vom Mars aus
    In der Geschichte der Philosophie taucht immer wieder das Prinzip auf, dass man die Welt von außen, jedenfalls von einem andern Standpunkt aus betrachtet. Auch in der Astro- nomie war das von jeher so. Tycho hatte sich gar den Wahlspruch gewählt ‚Suspiciendo despicio‘ („Indem ich hinaufblicke, blicke ich herab“).
    Kepler hatte bei der Aufsuchung der Knoten der Marsbahn festgestellt, dass der Mars jeweils nach einem Umlauf in dieselbe Position im Raum zurückkehrt, — jedenfalls ist dies die einfachste Interpretation der Tatsache, dass er dann die Erdbahnebene kreuzt —, so dass es nahe liegt, diesen Punkt als Fixpunkt für eine Trigonometrie der Erdbahn zu benutzen. Mit zwei Fixpunkten (der andere ist am einfachsten die Sonne) lässt sich, wie auf hoher See, eine Position durch Winkelmessung bestimmen. Niemand hat dieses Verfahren mehr bewundert als Einstein [16]. Er vergleicht den Fixpunkt mit einer Laterne oder einem Leuchtturm. ..."


    Er war eben ein echtes Genie. Zuerst bestimmte er also die Erdbahn und dann die Marsbahn.
    Diese beiden Bahnen - das heisst ihre Relation zu einander - reichen ja schon, um die Beziehung lt. dem 3. Keplerschen Gesetz zu finden.
    Die Abstände der anderen Planeten in AE wiederum ergeben sich aus dem 3. Keplerschen Gesetz.


    Gruß Lars

  • Moin Stefan!


    > Meine Kernfrage war, wie Keppler die relativen Radien der Planetenbahnen ermittelte (also in AE).


    Die <b>relativen</b> Verhältnisse waren damals ausreichend bekannt, siehe die ganzen Ausführungen oben. Bei den <b>absoluten</b> Werten in AE (die meinst du!) haperte es natürlich wegen der fehlenden optischen Genauigkeit. Diese Messungen fanden erst später statt (Venustransite im 18. Jahrhundert).


    So komisch das klingt: Wie Kepler auf seine Annahmen kam, beschreibt er selbst am besten. Die Literatur mit den beschriebenen Rechenmethoden ist erhalten. Ein früherer Vereinskollege hat daraus einmal einen Vortrag gemacht, um den damaligen Kenntnisstand zu verdeutlichen. Die Mathematik dahinter ist auch für heutige (Normal-) Verhältnisse nicht ohne.


    Übrigens: das "Gravitationsgesetz" hat eher Isaac Newton gefunden... - gut 50 Jahre nach Kepler.


    Jetzt aber: https://de.wikipedia.org/wiki/Keplersche_Gesetze
    .

  • Der erste neuzeitliche Versuch der Bestimmung der Abstände der Planetenbahnen zur Sonne per Venustransit war 1688. Käptn Cook (der als Erkunder Australiens gefeiert wird) reiste dazu extra in den Pazifik. Die Ergebnisse passten, aber man war nicht zufrieden mit der Genauigkeit. Kepler musste sich mit relativen Abständswerten begnügen. Aber keine Bange, genau das war ihm klar.


    Man darf nicht vergessen, dass zeitgleich mit Kepler in Italien ein gewisser Galilei unter Hausarrest kam, weil er behauptete: Da dreht sich was. Ok, dafür musste Kepler später wg. des 30-jährigen Krieges ständig umziehen und ne katholische Kirche kämpfte auch noch laufend gegen einen sich ausbreitenden Islam im Balkan und sonstwo irgendwann sogar bis vor Wien. Man könnte auch sagen: Da lagen die Nerven blank, wenn jemand den Machtanspruch anzweifelte; in Deutschland schlugen sie sich dafür 30 Jahre die Köppe ein.

  • Moin Kalle!


    &gt; Venustransit war 1688. Käptn Cook (der als Erkunder Australiens gefeiert wird) reiste dazu extra in den Pazifik.


    Was schreibst du denn da?
    Der erste VT wurde 1639 von Horrocks nur beobachtet, nicht vermessen. Der Vorschlag dazu (um die Sonnenparallaxe zu ermitteln) kam von Halley erst 1716. Danach die lange Pause. Die nächsten Transite fanden erst 1761 und 1769 statt. Der letztere betrifft die Cook-Expedition nach Tahiti. Da lag Kepler aber schon lange unter der Erde.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Venustransit
    .

  • Nochmals vielen Dank an alle. Der link von Lars73 auf die pdf ist sehr interessant.
    Und ja, Kepler beschrieb "nur" die Planetenbewegung, Kräfte als Erklärung kamen erst später.


    Stefan

  • Hey Lars,
    Kepler hatte viele Quelen für solche Daten (haben oben schon Viele gesagt). Speziell die Fülle von sehr genauen Messdaten sollen von Tycho Brahe kommen. Kepler hatte insofern "Glück" zuerst die Marsbahn zu untersuchen, denn der Marsbahn hat eine hohe Exzentrizität.
    Clear Skies
    Dietrich

  • Hallo Lars und Forum,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Lars73</i>
    <br />


    Sehr ausführlich wird das hier behandelt:
    https://dokumentix.ub.uni-sieg…er_Die_Kepler_Ellipse.pdf


    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    danke für den Link!


    Wie die relativen Planetenabstände von der Sonne mit freiem Auge bzw. Fernglas und Sternkarte bestimmt werden beschreibt Prof.Backhaus hier in einem interessanten Beobachtungsprojekt:
    http://www.didaktik.physik.uni…t/BestimmungderRadien.pdf


    Viele Grüße
    Wolfgang

  • Das erste genau berechnete Himmelsereignis war übrigens Kepplers Venustransit 1631. Der ließ sich aber leider nicht von Europa aus beobachten und wurde ignoriert.

  • Zitat:
    in Italien ein gewisser Galilei unter Hausarrest kam, weil er behauptete: Da dreht sich was.


    Nach Arthur Koestler, Die Nachtwandler war die Sache etwas anders:
    Für den Papst war das kopernikanische System eine interessante, aber nicht bewiesene Hypothese. Galilei jedoch bezeichnete solche Zweifler sinngemäß als geistige Krüppel, was der Papst natürlich nicht auf sich sitzen lassen konnte. Das Urteil gegen Galilei war nicht einhellig und der Papst soll zu den Nicht-Unterzeichnern gehört haben.

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