Hallo,
ich bin vor einiger Zeit vor der Entscheidung gestanden, welche neuen Okulare in meinen Okularkoffer wandern sollten. Der Grund war die Aufrüstung auf einen schnellen Newton, der sich mit meinen bisherigen Okularen nicht vertrug. Bis dahin beobachtete ich mit einem TS WA32mm Okular und verschiedenen TS Expanse Okularen. Der Newton machte allerdings einen Neukauf notwendig. Bisher habe ich immer nur Gutes von den Explore Scientific (ES) Okularen gehört. Aber auch die relativ neuen Baader Morpheus machten mich neugierig. Zu den ES Okularen kann man zwar recht viel an Erfahrungsberichten lesen, die Morpheus dagegen kommen in den Foren bisher kaum vor, obwohl sie auch schon einige Zeit am Markt sind. Grund genug für mich, die Morpheus mal testweise zu bestellen und ausführlich zu testen. Als Vergleich dienten übrigens die ES 82° Okulare eines Kollegen. Diesen Testbericht möchte ich hier mit euch gerne teilen. Eines gleich vorweg: Ich wurde weder beauftragt, diesen Test hier zu schreiben, noch stehe ich in irgendeinem Kontakt zur Firma Baader Planetarium. Der Test entstand rein aus Eigeninteresse und hatte – bis auf das Teilen hier mit euch im Forum – auch nur persönliche Vorteile.
Der Test bezieht sich auf die Morpheus Okulare der Brennweiten 14mm, 9mm, 6.5mm und 4.5mm. Das ganz neue 17.5mm und auch das 12mm Morpheus konnte ich nicht testen. Getestet wurde an einem 8“ f/5 Newton von GSO.
<b>Das Auspacken:</b>
Voller Vorfreude packte ich die Morpheus Okulare aus. Jedes Okular kam in einem eigenen schwarzen Karton mit einem farbigen Etikett (je nach Brennweite). Der Lieferumfang ist sehr umfangreich: Eine zweite Augenmuschel mit Streulichtschutz, eine M43 Verlängerung, eine Okulartasche mit Brennweitenclip und ein zusätzlicher Deckel. Die Verarbeitungsqualität der Okulare ist typisch Baader sehr gut. Da gibt es nichts zu bemängeln. Im Vergleich dazu geben sich aber auch die ES 82° nichts. Der Lieferumfang ist hier zwar deutlich kleiner (nur das Okular), die Verarbeitungsqualität ist aber auf einem ähnlichen Niveau. Aufgefallen ist mir, dass bei den ES die Augenmuschel etwas stabiler wirkt. Beim Baader ist diese dünner. Ich lasse sie daher immer im ausgeklappten Zustand und verwende den 2. Okulardeckel. Dieser hat einen kleineren Durchmesser und passt so perfekt für die ausgeklappte Augenmuschel.
<b>Der erste Test (Tageslicht):</b>
Als erster Test am Taghimmel diente ein etwa 150m entfernter Baucontainer mit einem Schild der Baufirma mit kleiner Schrift und einigen Rissen. Das war ein gutes Testobjekt auch bezüglich der Schärfe und dem Kontrast.
Das erste, was mir bei den Morpheus aufgefallen ist, war das sehr angenehme Einblickverhalten. Der Einblick ist ohne, aber auch mit Brille (ich bin Brillenträger, kann aber ohne beobachten) sehr angenehm, wobei ohne Brille die M43 Verlängerung verwendet werden muss, da man sonst mit dem Auge in der Luft schwebt. Mit Verlängerung kann man das Auge bequem an die Augenmuschel anlehnen. Der Einblick ist sehr ruhig, Kidney-Beaning Effekte konnte ich beim Test keine feststellen. Ich hatte keine Probleme, das Bild zu halten. Die ES 82° können hier im direkten Vergleich nicht mithalten. Der kürzere Augenabstand sorgt dafür, dass das Auge stärker an die Augenmuschel gepresst werden muss. Ein Einblick mit Brille war bei den ES 82° nicht mehr angenehm. Auch neigten die ES eher zu Kidney-Beaning.
Das echte Gesichtsfeld der Okulare habe ich nicht vermessen. Beim Test am Tag stellte sich jedoch heraus, dass das Morpheus bei gleicher Brennweite nur das minimal kleinere Feld zeigt. Wenn die 82° des ES stimmen, dann dürften die Morpheus eher in Richtung 80° gehen, statt der angegebenen 76°. Besonders deutlich war dies beim 9mm Morpheus im Vergleich zum 8,8mm ES. Das ES sollte in der Theorie das etwas größere Feld zeigen, tat es aber nicht.
Ein interessanter Effekt ist mir auch noch aufgefallen: Beim Blick durch das Morpheus hatte ich immer das Gefühl, mehr vom Feld ohne Kopfbewegung zu sehen, als beim ES. Als ich gezielt darauf achtete, war das Feld aber dasselbe. Das kann natürlich ein rein persönlicher Effekt bei mir sein oder es liegt an der größeren Augenlinse des Morpheus.
Nun sicher zum interessantesten Punkt, zur Abbildungsqualität. Im Zentrum geben sich das Morpheus und das ES praktisch nichts. Beide erreichen hier eine sehr gute Schärfe und einen hohen Kontrast. Die Risse im Schild auf dem Baucontainer waren in beiden Okularen perfekt erkennbar. Zum Rand hin bildet das Morpheus dann doch deutlich schärfer ab. Also in den äußeren 25% des Feldes ist der Unterschied zu Gunsten des Morpheus klar erkennbar. Das Morpheus zeigt am Gesichtsfeldrand quer durch alle Brennweiten auch deutlich weniger Chromasie, die beim ES 82° am Rand schon sehr auffällig war. Die Farbwiedergabe ist beim Morpheus natürlicher. Das ES verschiebt die Bildfarben in etwas wärmere Töne.
<b>Der erste Test am Nachthimmel:</b>
Bisher hatte ich nur eine relativ kurze Wolkenlücke und da konnte ich nur das 9mm Morpheus gegen das 8,8mm ES 82° vergleichen. „Testobjekt“ war einfach eine sternreiche Gegend. Im Wesentlichen bestätigten sich alle Eindrücke vom Taghimmel auch am Nachthimmel. Im Zentrum geben sich beide Okulare nichts, zum Rand hin ist das Morpheus dann schon sichtbar besser. Das wahre Gesichtsfeld ist bei beiden Okularen bis auf Nuancen praktisch gleich. Der Einblick gestaltet sich beim Morpheus auch bei Nacht deutlich einfacher. Der Effekt des „Mehr auf einmal“-Sehens stellte sich bei mir beim Morpheus auch am Nachthimmel ein. Die Chromasie des ES fällt am Nachthimmel nicht so auf, wie am Taghimmel. Dazu müsste ich aber eventuell auch einmal hellere Objekte testen. Die Anfälligkeit auf Reflexe testete ich an diesem Abend nicht, das werde ich aber sicher nachholen.
Für mich reichten diese Eindrücke, um mich für die Morpheus zu entscheiden. Der Unterschied zwischen beiden Okularen beträgt keine Welten, das Gesamtpaket des Morpheus ist für mich aber einfach besser. Auch in einigen Detailpunkten ist dieses Okular einfach eine Nuance besser als das ES 82°.
Allerdings werde ich bei nächster Gelegenheit auch die anderen Brennweiten ausführlich am Nachthimmel vergleichen und auch die Reflexanfälligkeit untersuchen. Dann melde ich mich noch einmal.
Ich hoffe, ich konnte dem ein oder anderen damit ein wenig weiterhelfen. Sollten sich Fragen ergeben, nur her damit!
cs
Markus