Hallo zusammen,
das hier wird mein erster richtiger Beobachtungsbericht von einer Nacht.
Bislang habe ich immer nur in Auszügen oder Zusammenfassungen geschrieben oder ein Einzelobjekt vorgestellt.
Obwohl Nacht zuviel gesagt ist. Ich war Freitag zwischen 18 Uhr und 21 Uhr in meinem heimischen Garten zu Gange, also war das eher noch früher Abend.
Aber dunkel ist dunkel und das ist ja einer der Vorteile dieser Jahreszeit.
Hier mal ein Blick in meinen Garten:
Das Bild ist noch von 2012 aus meiner Fotografenzeit - und natürlich ist das hier eine Fotomontage. In Wirklichkeit gibt es hier so gut wie kein Streulicht.
Tags zuvor hatte ich mich schon nach draußen gewagt, aber den Vorhersagen zum Trotz lag etwas Schlieriges in der Luft, ich vermute erste Ansätze von Hochnebel, der meist von dem Radar meiner Wetter-App nicht erfasst wird.
Weil ich nicht wieder alles umsonst auf- und abbauen wollte, entschloss ich mich zu einer Nacht mit meinem <b>10x50 Fernglas, stativgestützt</b> (gaaanz wichtig - nur so komme ich an Sterne etwas über 11 mag heran).
Zudem war ich gespannt auf das first measurement meines Hygrometers.
Als Luftfeuchte-Indikator betrachte ich regelmäßig meine Atem-Wolken, die sich im Schein der Stirnlampe während des Aufbaus abzeichnen.
An diesem Abend ertappte ich mich dabei, dass ich öfter mal die Luft anhielt, nur um nicht diese deprimierenden riesigen Nebelschwaden ertragen zu müssen.
Aber der kausalen Kette Garten => Strom => Fön folgend hatte ich die besten natürlichen Feinde von Tau und Reif auf meiner Seite, also hopp und los ...
Ich hatte bis auf ein Objekt nix bestimmtes vor. Deshalb entschied ich mich spontan für Region um den sterbenden … ähem untergehenden Schwan und wollte mich ihm von der Leier aus nähern.
Mein erstes Objekt <font color="orange">ASCC 101</font id="orange"> (R.A. 19h13m37s/ Dec. +36°19'48") in der Leier.
ASCC was? Ja doch, einer dieser schönen Fernglas-Sternhaufen. Wirklich?
Bei einer Beobachtung mit dem Refraktor hatte ich bei diesem Haufen mal dazu geschrieben „Mit dem zweiten sieht man besser“, weil der Haufen genauso wie das alte ZDF-Zeichen aussah. Die Älteren unter uns erinnern sich sicher.
Diesmal ein ganz anderer Eindruck … der ein Vogels, der seine Schwingen weit ausgebreitet hat.
Die vier hellsten Sterne bilden Kopf, Flügelspitzen und Schwanzende.
Der Schwanz selbst wird von 4 Sternen im Südwesten gebildet, die einen kleinen Bogen formen.
Die Schwingen werden von Sternketten gebildet, die parallel zueinander verlaufen und an den Enden spitz zusammen gehen.
Der Haufen füllt mit seinen 40‘ Durchmesser schon ein ordentliches Stück Gesichtsfeld aus.
Wirklich ein schönes Fernglasobjekt.
Nur 1,5° nordöstlich steht das eigentlich angestrebte Ziel <font color="orange">Berkeley 46</font id="orange"> (auch NGC 6791/ R.A. 19h20m53s/ Dec. +37°46'19").
An den Haufen pirsche ich mich mit Aufsuchkarte heran.
Eine Dreierkette von 10 bis 11 mag hellen Sternen südlich des Haufens ist als zarter nebliger Strich erkennbar, aus dem die Sterne indirekt immer wieder herausblitzen.
Nördlich begrenzt diesen Haufen ein 10m6 heller Stern.
Zwischen diesen Markierungen wird der Haufen mit etwas Geduld indirekt als diffuser schwacher Schimmer sichtbar.
Trotz Grenzbeobachtung ein schöner Schimmer.
Ein Sprung in den Schwan zu <font color="orange">NGC 6834</font id="orange"> (R.A. 19h52m12s/ Dec. +29°24'29").
Der Haufen ist direkt als kleiner diffuser Nebelfleck erkennbar. Indirekt zeigt er ein helleres Zentrum, das fast stellar wirkt.
Der OS wird in Teleskopen interessant, denn aufgrund einer markanten Kette hellerer Sterne wirkt er anfangs eher länglicher.
Er wandelt dann mit steigender Vergrößerung allmählich seine Gestalt zu einem ausgewachsenen Haufen.
Den nahe stehenden PN NGC 6842 habe ich auch mal kurz mit zwei UHC-Filtern probiert, aber das war ein aussichtsloses Unterfangen.
Weiter gen Osten zu <font color="orange">NGC 6885</font id="orange"> im Füchschen (R.A. 20h12m01s/ Dec. +26°28'41").
Der „Kleine Elefant“-Haufen ist in Teleskopen ganz imposant. Einige von Euch erinnern sich sicherlich:
Um den hellen zentralen Stern des Haufens sind indirekt ein paar schwächere Sternchen erkennbar, vor allem am Südostrand sind diese am auffälligsten.
Ungefähr 10 dieser schwachen Sterne kann ich auszumachen.
Hm, irgendwie hatte ich mir von dem Gesellen mehr versprochen.
Macht ja nix.
Weiter nach Osten, da steht noch so ein fettes Teil <font color="orange">NGC 6940</font id="orange"> (R.A. 20h34m26s/ Dec. +28°16'59")
Wenn man dem Gebiet nahe kommt, blinkt der Haufen am Bildfeldrand schon wunderschön als neblige Verdichtung auf.
Direkt betrachtet sind drei Sterne sichtbar, indirekt sind es schon 6 Sterne. Der Haufen wirkt insgesamt besehen unruhig bis leicht angranuliert.
Ein schönes Fernglasobjekt und eine echte Empfehlung.
So, soll reichen in dieser Richtung. Ich habe ja diese Nacht noch ein Rendezvous in Perseus.
Ich will versuchen den California-Nebel NGC 1499 im Fernglas zu erhaschen.
Schneller Schwenk gen Osten und … ne, ach doch noch schnell <font color="orange">Messier 34</font id="orange"> (bei den Messiers spare ich mir die Koordinaten).
Hoi, ist der auffällig. Im kompakten Zentrum sind 5 bis 6 Sterne erkennbar.
In den Außenbereichen sind noch ein paar hellere Sterne sichtbar, die sich in Sternketten nach außen zu spiralen scheinen.
Deren Gesamtanordnung um das kompakte Zentrum erinnert an den Flight (Flügel) von einem Dartpfeil, eine Seite rund gebogen und die gegenüber liegende Seite spitz zulaufend.
Der Haufen ist insgesamt besehen unregelmäßig offenbart viele Lücken.
Jetzt aber … nee, noch nicht. Schnell noch <font color="orange">NGC 1245</font id="orange"> (R.A. 03h14m48s/ +47°15'11")
Da bin ich vor kurzem gescheitert. Diesmal wird mit etwas Geduld indirekt ein relativ großer sehr schwacher matter Fleck sichtbar.
Im Grunde sehe ich nur einen Hauch, den ich aber ab und an auch länger halten kann.
Bei solchen Beobachtungen schwingt bei mir auch immer die Erinnerung mit, wie schön diese Haufen in Teleskopen sind.
Der hier wirkt zum Beispiel in meinem 12,5“er ähnlich wie NGC 7789 in Cassiopeia - sternreich mit vielen gleichhellen Sternen.
Nun bin ich froh, dass ich ihn auch im Fernglas gesehen habe.
Da sind dann noch zwei Kandidaten, an denen ich mir zuletzt die Zähne ausgebissen habe.
<font color="orange">NGC 1220</font id="orange"> und <font color="orange"> King 5</font id="orange"> gut 5° weiter nördlich werden anvisiert …
... und wieder scheitere ich grandios [:(!]
Ich werde die beiden auch nicht mehr probieren, ich glaube, die gehen von den Eckdaten wirklich nicht im Fernglas.
Da muss ein Erfolgserlebnis her. Nee, nicht NGC 1499. Das schiebe ich vor mir her, weil ich … ach weiß auch nicht.
Erfolgserlebnis, das kann nur <font color="orange">Melotte 20</font id="orange"> sein, der Perseusbewegungshaufen
Ein wunderbares Fernglasobjekt mit einem schönen Aha-Effekt gegenüber dem freiäugigen Anblick.
Soviele funkelnde Sterne innerhalb meines 6,7° großen Gesichtsfeldes.
Vor allem südlich von Mirphak ziehen sich gut drei Dutzend Sterne in Ketten und Bögen dahin.
Meine Beobachtungsbescheibungen sind viel länger, aber ich will Euch nicht langweilen.
Jetzt aber zu NGC 1499. Also ziehe ich los die Filter aus dem Koffer holen.
Auf dem Weg dorthin fällt mir ein, ich hatte doch das Hygrometer aufgestellt. Das hat Vorrang.
Aber ach oje. So ein Mist, der Zeiger hat sich verhakt bei 110%:
Das Bild habe ich zwar schon an anderer Stelle in Mathias seinem Beitrag gezeigt, ich frage mich aber auch jetzt noch ungläubig, was das sollte - gleich in der ersten Nacht Arbeitsverweigerung.
Ich glaube, das Ding will lieber drin im Warmen hängen, da zeigt es ordentliche Werte an.
Jetzt aber endlich der California-Nebel <font color="orange">NGC 1499</font id="orange"> (R.A. 04h03m18s/ Dec. +36°25'19").
Ein Sternkreuz aus dem Stern Menkib und drei 6 bis 8 mag hellen Sternen nördlich markiert im Grunde schön die Region, in der sich der Nebel befindet.
Ich halte zwei Filter (H-Beta + UHC) vor die Objektivöffnungen. Das verkleinert zwar die Öffnung, aber egal.
Puh. Langes intensives Schauen. Ist da was? Schwierig. Filter weg. Haben die Sterne einen Halo?
Ja. Fön. Wo ist der Fön? Aber nicht die Objektive, sondern die Okulare tauen jetzt immer wieder recht schnell zu.
So, wieder ran ans Fernglas, Filter davor. Ein wenig Schwenken. Da, ja genau. Zunächst der indirekte Nachweis.
Wenn ich zwischen der Regionen nördlich und südlich von dem 4 mag hellen Stern Menkib hin und her schwenke, wirkt die nördliche Region heller.
Die Aufhellung ist strukturlos und wird bei längerer Betrachtung am deutlichsten zwischen den drei nördlich von Menkib liegenden 6 bis 8 mag hellen Sternen, die dieses eingangs erwähnte Kreuz bilden.
Die östliche Region scheint dabei ein wenig heller zu leuchten (heller Leuchten ist dabei relativ zu sehen [;)]).
Geschafft. Das hätte ich nicht gedacht. Nicht schön, aber selten [:)]
Hey, wenn das so gut geklappt hat, dann versuche ich auch gleich mal den <font color="orange">Cirrus-Nebel</font id="orange"> mit zwei UHC-Filtern.
Ich habe einen UHC und einen UHC-E. Also wieder ein Komplettschwenk in die andere Richtung in den Schwan.
Den Stern 52 Cyg anvisiert, an dem der westliche Bogen klebt und los. Nix. Komisch.
Ah, alles klar. Ich ziehe den Fön aus meinem Pistolenhalfter und drücke ab …
... wieder mit den Augen am Fernglas denke ich, jetzt bloß nicht atmen!
Nach gefühlt 5 Minuten Luft anhalten fehlt es mir ein wenig an Konzentration.
Ich schwenke in meiner Verzweifelung großräumiger …
... und siehe da, der östliche Bogen NGC 6992 zeigt sich indirekt in seiner vollen Pracht, also ich meine, er ist schon sehr auffällig.
Viel weiter weg steht er, als ich dachte. Mann, ist der Cirrus doch so groß im Fernglas mit 10-facher Vergrößerung?
Ich bin echt überrascht. Da hat mich meine Erinnerung vom Teleskop aber voll in die Irre geleitet.
Ich versuche noch, den Hexenbesen NGC 6960 zu erhaschen, aber leider Fehlanzeige.
Auf die Idee, einen der beiden UHC-Filter mal gegen [OIII] zu tauschen, komme ich in dieser Nacht nicht.
Ich will mir zum Abschluss noch richtig die Augen verblitzen und halte noch einmal mein Fernglas in entgegen gesetzte Richtung auf <font color="orange">Messier 45</font id="orange">.
Fantastisch. Allys Zopf wirkt wie ein Vogel mit ausgebreiteten Schwingen.
Einer geht noch. <font color="orange">Melotte 25</font id="orange">, die Hyaden.
Mitten im Haufen gut 1,5° westlich von Aldebaran fiel mir ein Muster aus sieben Sternen auf, alle mit Helligkeiten zwischen 4 und 6 mag.
Drei recht ähnliche Sternpaare bilden einen Grundkörper und markieren den Osten, Süden und Westen, ein Stern nordwestlich ist die Antenne … oder was auch immer … das erinnert mich stark an einen dieser Spielzeugroboter.
Mit den nur gut 4° weiter nördlich stehenden <font color="orange">Wilden 13</font id="orange"> beende ich die Beobachtungsnacht.
Das ist eine Sterngruppe, die auch gern als Geist der Hyaden bezeichnet wird, weil die Anordnung der Sterne dort den Hyaden zum Verwechseln ähnlich sieht.
Stimmt. Verblüffend. Nur einen adäquaten Ersatz für den fette Aldebaran vermisse ich hier bei den Geisterhaften.
So, das war ein Ritt. Das Highlight dieser Nacht war für mich ASCC 101. Oder nee NGC 6940 … ach Quatsch, an Melotte 20 führt kein Weg vorbei.
Na, gefreut habe ich mich aber auch über solche Grenzbeobachtungen wie NGC 1245 und Berkeley 46.
Im Nachgang betrachtet waren das mal wieder jede Menge Sternhaufen.
Bis auf den Nebel NGC 1499 hatte ich nichts geplant.
Ich will aber nicht verheimlichen, dass mir in diesen spontanen Nächten die vielen kleinen Klebepfeile helfen, die ich in einigen Abenden zuvor in meinen Sternatlas geklebt habe.
Den Tipp habe ich mal von Norman bekommen, als wir über ein Beobachtungsprojekt philosophiert haben. Inzwischen wiegt mein Sternatlas sicherlich gut doppelt soviel [:D]
Über weitere Anregungen und Beobachtungserfahrungen von Euch zu Sternhaufen, die auf der Bekanntheitsskala nicht ganz weit oben stehen, sich bei der Fernglasbeobachtung aber als Hidden Champion entpuppt haben, würde ich mich sehr freuen.
Ansonsten bleibt mir nur noch eines zu sagen. Fernglasbeobachtung lohnt sich!
Viele Grüße
Rene
Edit wg. Filterkonkretisierung