Ziellos durch die Nacht

  • Hallo zusammen,


    nachdem ich seit dem letzten Wochenende aufgrund der doch recht guten Wetterlage einiges an Zeit rein astronomisch verbringen konnte, mich jedoch ausschließlich mit ausgesuchten Objekten beschäftigte, sollte gestern zu später Stunde ein zielloses umherschweifen folgen. Warum? Na ich war schon ein wenig ausgelaugt. Zumal ich pünktlich zur anfänglichen Neumondphase, präziser seit letztem Wochenende mit Magen/Darm zu kämpfen hatte.


    Standort, Balkon Ost/Süd (frei) meiner Wohnung. Relative Randlage einer Großstadt (Standorthöhe Ca. 120m).


    Instrumente, Fernglas 16x70, fest montiert auf einfachem Neiger. Sowie Fernglas 10x50 frei Hand bzw. sitzend/liegend auf Liegestuhl. Keine Sternkarte oder sonstige Hilfsmittel.


    Es muss gegen Mitternacht gewesen sein als ich startete. Zeit spielt für mich bei solch ziellosen Vorhaben keine Rolle. Ich begann mit bloßem Auge. Auf dem Liegestuhl sitzend/liegend schaute ich erst mal umher bzw. empor und atmete erstmal tief durch. So langsam erloschen die Lichter der Häuser meiner nachbarlichen Menschenheiten.
    Ein zarter Hauch vom Herbstwinde. Über mir thronte der Perseus. Milchstraße so eben angedeutet.
    Wunderbar, nun auf die ausgebreitete Decke auf dem Steinboden. Eine weitere Decke als Sitzkissen. Zufällig hatte ich das 16x70 so ausgerichtet dass es Richtung Zwillinge zeigte. Meine Güte wie funkelten dort die Sterne nahe dem Horizont. Aber was soll's. M 35? Ja warum nicht dachte ich. Im 16x70 schon gut im Bereich der Anlösung. Aber zu hell der Hintergrund. Weiter zu Collinder 89. Sieht schön aus. Erweitert man den Bereich um diesen Sternhaufen, wobei hier nicht ganz klar zu seien scheint wo hier die Abgrenzung liegt, wird bei ein wenig Phantasie ein Muster sichtbar. Ein fliegender Drachen. Mit Kopf und Schnur (Sternkette).
    Weiter schwenke ich geb Fuhrmann. Zunächst M 37. Bei indirektem Sehen durchaus herausblitzende Sterne. Weiter zu M 36. Wirkte nicht so kompakt. Aber gut angelöst auch bei direkter Sicht. Dann zu M 38. Gut quasi aufgelöst aber schwächer. Weiter ging es zu Melotte 31. Wunderschön. Hier zeigte sich die Güte des Glases sehr deutlich. Nadelfein die Sterne. Weiter mit phi aurigae in Stock 8 und IC 417 (schwach). Sehr schön. Nebenbei der Nebel IC 410 (schwach) mit Sternhaufen NGC 1893. Weiter zu Stock 10, der Haufen wirkt wie eine Miniatur von Melotte 31.
    Das ganze ohne große Schwenkes. Völlig zwanglos und ziellos halt.


    Nun ging es etwas weiter raus Richtung NGC 2281. Schon lange hatte ich diesen Haufen nicht mehr bewundert. Etwas unscheinbar aber dennoch schön. Weiß gar nicht warum ich so lange da hängen blieb. Hatte halt was.


    Nun machte ich ein kleines Päusschen. Ein Schluck trinken und ziellos weiter. Perseus? Na schaun wir mal dachte ich. Auf dem Weg dort hin traf ich einen alten Bekannten. NGC 1528. Oh wie schön ging es mit mir durch. Quasi aufgelöst. Klasse!


    So langsam stieg Orion empor. Einfach mal hin. Collinder 69. In jedem Glase schön. Weiter Richtung Dolidze 17. Sicht schlicht aus mein Gedanke. Als wenn dieser Haufen die gute Bellatrix einfangen wolle. Dolidze 21 unweit östlich. Zu schwach. Ebenso Dolidze 19 weiter nördlich.


    Was war eigentlich mit dem 10x50? Stand da unberührt herum. Komm dachte ich. Sollst in dieser Nacht kein Hundeglas sein. Hm...Perseus? California Nebel? Ne...Ach komm ging es mit mir durch. Wer nicht wagt. Keine Chance bei diesen Verhältnissen. Aber man darf ja mal probieren.


    So langsam merkte ich dass Wolken aufzogen (im Nachhinein etwa 02:00). Aufgrund meines immer noch gesundheitlichen befindens wollte ich zusammenpacken. Aber dann kam mir noch für diese Nacht ein Geistesblitz. Da der Orion noch wolkenverschont blieb wagte ich mich ans Trapez. Mit 16x70? Probieren. Tatsächlich knackte ich es nach gefühlt noch mal sicher einer halben Stunde. Die Komponente B blitzte immer mal wieder freistehend auf. Ein wunderschöner abschließender Anblick. So dachte ich...


    Ich legte mich zu Bett. Aber irgendwie ließ mir das Trapez keine Ruhe. Hatte ich wirklich alle 4 Komponenten gesehen? Kein Reflex, Einbildung oder Ähnliches?
    Nutzt ja nichts dachte ich. Noch mal raus. Das 16x70 wieder fest montiert, Wolkenlücken abgewartet und noch mal voll rein...
    Keine Einbildung. Tatsächlich. So ganz hauchzart und losgelöst...


    Eine tolle Nacht für meine heimischen Bedingungen:-)



    Gruß


    Mike

  • Hi Mike,


    sehr schöner Bericht...[:)]
    Da ist Dein Fuji ja mal wieder richtig zum Einsatz gekommen.


    Solche Berichte zeigen immer wieder das man mit dem Fernglas jede Menge Spaß haben kann und nicht unbedingt immer die großen Eimer braucht.


    Aber, ich wollte gestern auch kurz raus, allerdings war so ein heftiger Wind das es mich gleich wieder reingeweht hat, war bei euch nix?
    Wind ist mir beim beobachten immer ein Graus, dann besser Kälte.[;)]


    Andreas

  • Hallo Andreas,


    danke!
    Ja natürlich, eine Menge Spaß. Bezogen auf das 16x70, da geht schon etliches.


    Mein Balkon ist glücklicherweise windgeschützt ausgerichtet. Selbst die beiden großen Stürme der vergangenen Jahre hat das Haus im Gegensatz zu umliegenden Häusern überstanden. Hierzu trägt sicher auch ein anliegendes Naturschutzgebiet bei (Waldwand). Zudem, solch Winde haben auch was. Hier ein pfeifen, da ein knarren bäumlicher Äste, oder wie in jener Nacht die Geräusche der angelehnten Balkontüre bedingt des hier nur zarten Windes. Die Geräusche der Natur, ich liebe das. Das verleit dem Beobachten auch/oder gerade bei nicht idealen Bedingungen einen zusätzlichen Reiz.
    Aber natürlich, wenn's zu windig wird, sehr unangenehm.


    Gruß


    Mike

  • Hallo Mike,


    eine schöne Tour hast Du da hinter Dir. Fernglastouren scheinen bevorzugt Stenrhaufen-Touren zu sein, habe ich den Eindruck. Mir erging es letzte Woche genauso.


    Hellhörig wurde ich bei den Dolidzes, die habe ich noch nicht bewusst wahrgenommen bisher und sie mir mal für FG und kleines Teleskop markiert. Bei allen dreien scheint es nicht zum Sternhaufen gereicht zu haben, sie stehen als Asterismus in meinem Sternatlas.


    Collinder 89 mit ein wenig Phantasie ein fliegender Drache ... hm ... ich habe viel Phantasie, manchmal zuviel ... [;)]


    Viele Grüße


    Rene

  • Hallo Rene,


    Ich habe versucht ein Link einzufügen. Klappt leider nicht.


    Geb mal bei Google "Collinder 89 Cluster" ein. Du solltest dann eine Seite von flick.com finden.
    Hier sieht man die Konstellation. Achte auf die hellsten Sterne. Der Kopf des Drachen südlich, die Drachenschnur schwingt gen Norden.


    Ein bisschen abenteuerlich der weg dort hin[8D].
    Aber versuchs mal.


    Gruß


    Mike

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!