Belichtungszeit

  • Guten Abend,


    Wenn ich mich umschaue, z.B. bei Astrobin, sehe ich, dass 10 Minuten eine bevorzugte Belichtungszeit ist. Ich habe mich dem zwar angeschlossen und bin damit bei Galaxien auch ganz gut gefahren bis jetzt. (Bei Kugelsternhaufen nehme ich manchmal 5 min.) Aber ich frage mich: Warum eigentlich gerade 10 min? Tendenziell sollte man möglichst lang belichten, damit das Ausleserauschen möglichst wenig zum Ergebnis beiträgt. Warum also statt 40 Aufnahmen zu 10 min nicht 20 Stück zu 20 min? Macht auch 400 min.


    Mir fallen drei Gründe ein, was die Belichtungszeit beschränkt. Bitte um Ergänzung bzw. Richtigstellung.

    1) Der Kern des gewünschten Objekts soll nicht überbelichtet sein ("ausbrennen" ). Aber kann man denn nicht anhand der bekannten Helligkeit des Objekts und der Daten des Teleskops (Brennweite, Öffnung) sowie der Kamera ("Full well capacity" der Pixel) vorausberechnen, wie lang eine Belichtung maximal sein darf, damit das nicht passiert?


    2) Mit der Belichtungszeit proportional nimmt auch die Bildfelddrehung zu. Wie schnell, hängt natürlich vom Fehler der Polausrichtung ab. Manche BV-Software (z.B. PixInsight) zeigt an, wie sehr Einzelaufnahmen einer Serie gegeneinander gedreht sind. Wenn ich einmal nicht so gut justiert habe (ich photographiere mobil), dann kriege ich eine Bildfelddrehung von 0,004° pro 10 min. Das entspricht bei meiner Kamera 0,2 pixel in den Bildfeldecken, wenn der Leitstern in Bildmitte liegt. (Liegt er am Rand, ist es doppelt so viel.) Von dieser Seite her könnte ich leicht 5-mal so lang belichten. Punkt 2 ist also für mich nicht relevant.


    3) Damit die Dithering-Technik sinnvoll anzuwenden ist und damit die Bereinigungsalgorithmen für Satellitenspuren etc. gut funktionieren, braucht man eine Mindestanzahl von Einzelaufnahmen. Eigentlich umso besser, je mehr man hat. Nimmt man sich also vor, zwei Stunden pro Farbkanal zu investieren und will man mindestens 12 Einzelaufnahmen haben, dann dürfen die natürlich höchstens 10 min lang sein. Ist dies das Hauptargument für Belichtungszeitbeschränkung?


    Bleibt die Hauptfrage zum Schluss: Wie viel bringt es denn, die Belichtungszeit in die Länge zu ziehen? Ist der Unterschied zwischen den oben genannten 40x10 min und 20x20 min überhaupt von Bedeutung? Spielen andere Dinge wie z.B. die Hintergrundhelligkeit vielleicht ein viel größere Rolle?


    Tut mir leid, war ein bisschen lang der Text, aber die Frage kommt mir komplexer vor.


    Gruß von Heinrich

    TEC Apo 140/980 mm, GSO 10" RC, Takahashi Epsilon 160ED, QHYCCD268M, QHYCCD178M, Canon EOS 70D, Losmandy G11

  • servus Heinrich,


    die Punkte Belichtungszeit, ISO-Empfundlichkeit und Anzahl der Aufnahmen waren hier schon mehrfach Diskussionen mit beinahe religionseifrigem Charakter.
    Wahrscheinlich wirst Du zwischen 40x10 min und 20x20 min kaum einen Unterschied erkennen.
    Ich würde eher zu kürzeren Belichtungszeiten raten (aber nicht zu kurz).
    Grund: wenn mal eine Aufnahme aufgrund einer Windböe/Unwucht/sonstiges verzogen ist und ausgesondert wird, fehlt nicht gar so viel an Belichtungszeit beim Stacken.
    Meine Werte bei f/4 und super Himmel: ISO 2500, Belichtungszeit 5 min bei Galaxien und Nebel, 2 min bei Sternhaufen.
    Anzahl der Aufnahmen: so viel wie möglich :-)))))))


    Grüße von nebenan
    Stefan

    visuell:

    ICS Dobson 14.5" f/4.7


    fotografisch:

    Lichtenknecker FFC 190/760mm f/4

    Galaxy RC 10" f/8

  • Ich denke dein punkt 3 ist der hauptgrund.


    Wenn man mit dslr fotografiert kommt der grund der iso reduktion dazu.
    Ich habe mit meinem system jetzt iso400 und 14min festgelegt so habe ich gut belichtete bilder.
    Bei hellen objekten wie sternhaufen reduziere ich auf iso200 der rest bleibt gleich.

  • Grüß Euch!


    Es ist wesentlich einfacher (meiner Meinung nach) Grund ...


    Je länger die Einzelbelichtungsdauer ist umso größer ist die Gefahr das sich andere "Boliden" (e.g. Sateliten, Flugzeuge und sonstiges) im Bild verewigen (ja dithering - schön und gut), ja kann man schon irgendwie entfernen - aber der Mehraufwand?


    Ich könnte zwar maximal 30min am Stück erreichen - nur dann sind 30min für die Katz :(


    Ich würde so als grobes bei max. 10min bleiben.

  • is alles ne mischkalkulation:
    - man benoetigt eine gewisse anzahl an frames um einen sauberen stack zu bekommen, der mittels sigma-stacking das entfernen von ausreisern ermoeglicht, so sind auch flugzeugspuren kein problem
    - die einzelaufnahmen muessen hintergrundlimitiert sein, d.h. signal > rauschanteil
    - der iso wert muss so gewaehlt werden, dass ich noch genuegend fullwell fuer das objekt der begierde bzw die sterne uebrig hab
    - die belichtungszeit muss fuer mich handlebar sein - guiding / nachfuehrung / montierung usw muss das schaffen
    - mein himmel muss auch das ganze erst mal hergeben ..


    fuer mich hab ich mit der dslr so folgende werte ermittelt:
    - bei f/7 iso 200 und 15min/frame
    - bei f/4 iso 200 und 5-10min/frame


    und mit der cmos asi 160mmc:
    - bei f/4 gain 139 120secs/frame



    ... da sind die sterne noch nich so ausgebrannt, und ich erreiche eine ausreichende tiefe - und in akzeptabler zeit eine ausreichende anzahl an frames ..


    Jonas

  • Servus Jonas!
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Jonas242</i>
    <br />der mittels sigma-stacking das entfernen von ausreisern ermoeglicht, so sind auch flugzeugspuren kein problem
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das hab ich auch zuvor gesagt, grundsätzlich kein Problem. Ich bin eben mehr für soweit möglich "unbearbeitet" Bilder, wenn man überall irgendetwas weg & dazurechnet dann - nun ja sieht super aus - aber es ist halt nicht das, dass man eben ohne diesen "Techniktricks" sehen würde.


    Ist schon OK das es solche Hilfsmittel gibt, keine Frage.

  • Guten Abend,


    danke euch für die Diskussionsbeiträge. Ich bin - wie wir hier wohl alle im Forum - interessiert an der Optimierung von Prozessen und deren Ergebnissen. Als Physiker interessiert mich aber auch die Analyse der Einflussgrößen auf das Ergebnis und ich möchte, wenn es geht, die Zusammenhänge auch verstehen. Das nur nebenbei, damit man leichter versteht, warum ich solche Fragen stelle.


    Wahrscheinlich gilt auch für die Astrophotographie letztlich "Probieren geht über studieren." oder wie man in Bezug auf Medizin sagt "Wer heilt, hat recht." Durch Probieren wird jeder für sich die für ihn geeigneten Rezepte finden. Letztlich bin ich hauptsächlich durch Versuch und Irrtum auf den Weg gekommen, wie ich heute photographisch vorgehe. Allerdings frage ich mich immer nach einiger Zeit: Kann man denn nicht an ein paar Schrauben drehen, so dass es besser wird? Meiner Erfahrung nach hilft beim Optimieren das Nachrechnen sehr, wenn man die theoretischen Hintergründe kennt.


    Mir persönlich macht das Nachbearbeiten der Bilder Spaß. Wer noch die alte Dunkelkammertechnik kennt, weiß wie zauberhaft der Moment ist, wenn ein belichtetes Papier im Entwicklerbad langsam, aber immer deutlicher das Motiv zeigt. So ähnlich empfinde ich es, wenn aus den verrauschten und durch Artefakte beschädigten Einzelaufnahmen mittels BV ein vorzeigbares Bild entsteht.


    Gruß von Heinrich

    TEC Apo 140/980 mm, GSO 10" RC, Takahashi Epsilon 160ED, QHYCCD268M, QHYCCD178M, Canon EOS 70D, Losmandy G11

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: apintole</i>
    <br /> ... (z.B. PixInsight) zeigt an, wie sehr Einzelaufnahmen einer Serie gegeneinander gedreht sind. ....


    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo, sind das die rotation-Einträge, die im log file nach dem BatchPreprocessing stehen?


    Grüße Thomas

  • Man kann mathematisch zeigen, daß eine Belichtungszeit, die bereits einen deutlichen Himmelshintergrund zeigt, ausreichend ist.
    Deutlicher Himmelshintergrund bedeutet mehr als das Quadrat des Ausleserauschens. Also z.B. Ausleserauschen = 10 e- (bei 1 e-/ADU auch gleich 10 ADU) -&gt; Himmelshintergrund &gt; 100 ADU (wegen des Shot Noise, welches immer gleich der Wurzel aus dem Signal ist). Bei meiner Moravian komme ich bei 2 Minuten und f/5 bereits auf 700 ADU Hintergrund. Das Shot Noise beträgt somit etwa 26 ADU rms und ist damit bereits 2,6 mal so groß wie das Ausleserauschen. Warum ich länger belichte: Das Auslesen dauert 16s und in dieser Zeit werden keine Photonen genutzt, was schon ein nennenswerter Anteil an der Gesamtzeit ist. Deshalb mache ich meist 5min bei Luminanz, 10 bei R,G und B sowie 15-30min bei H-alpha. Damit erreiche ich die bestmögliche Dynamik im Bild, auch wenn helle Sterne natürlich ausbrennen.

  • (==&gt;)Thomas (Robbe)


    Nein, das Preprocessing vergleicht die Einzelaufnahmen nicht. Es behandelt sie Stück für Stück. Das tut erst ImageRegistration&gt;StarAlignment. Dieser Prozess versucht durch Verschiebung und Drehung (aufwändigere Transformationen wären auch möglich) jedes Einzelbild mit dem Referenzbild so zur Deckung zu bringen, dass die Sterne aufeinander zu liegen kommen. Die Konsole zeigt die Transformationskoeffizienten an in einem Abschnitt, der wie folgt ausschaut. Die drittletzte Zeile gibt die erforderliche Drehung an, leider nicht sehr genau. Aber wenn du eine Belichtungsserie anlegst mit z.B. 21 Einzelaufnahmen, dann teile die Differenz aus den Drehungen der 1. Aufnahme und der 21. Aufnahme durch 20 und du hast den Wert hinreichend genau.


    Transformation matrix:
    +0.999964 -0.000111 +7.920060
    +0.000094 +0.999946 +1.191055
    -0.000000 -0.000000 +1.000000
    scale : 1.000
    scale-X : 1.000
    scale-Y : 1.000
    rotation : +0.01 deg &lt;==== darum geht es
    dx : +7.92 px
    dy : +1.19 px


    Gruß von Heinrich

    TEC Apo 140/980 mm, GSO 10" RC, Takahashi Epsilon 160ED, QHYCCD268M, QHYCCD178M, Canon EOS 70D, Losmandy G11

  • (==&gt;)Ullrich
    Dein Hinweis bringt einen sehr wichtigen Aspekt. Während meine 3 Punkte die Belichtungszeit nach oben begrenzen, liefert deine Betrachtung zum Schrotrauschen eine Begrenzung nach unten. Ich habe das einmal auf meine Kamera (DSLR) angewendet: Ausleserauschen 4,6 e (bei ISO 400), Hintergrund in den Farbkanälen r/g/b jeweils 138/258/151 e (bei 10 min Belichtungszeit und Hintergrundhelligkeit 21,3 mag/"^2). Da sich die Rauschleistungen (nicht die Amplituden) addieren, steigert das Ausleserauschen die gesamte Rauschleistung um 15% im Rot- und Blaukanal, im Grünkanal weniger. Das ist vernachlässigbar. Bei 5 min Belichtungszeit wären es 30%. Dein Beitrag bestärkt mich also, mit dieser Kamera und ISO 400 bei 10 minütigen Belichtungen zu bleiben.

    TEC Apo 140/980 mm, GSO 10" RC, Takahashi Epsilon 160ED, QHYCCD268M, QHYCCD178M, Canon EOS 70D, Losmandy G11

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