Wetterballons und GOTO-Montierungen

  • Moin allerseits
    Zum Thema Wetterballons bin ich ein wenig zufällig gekommen, als vor einem Monat in einem Mammutbaum vor dem Institut so ein Ding hing.



    Das Gezeigte hing in 15m Höhe, die wichtigen Dinge im Wipfel des Baums. Habe dann einen Kasten Bier für denjenigen ausgesetzt für denjenigen, der Ding herunterholt (Benutzung einer Kettensäge war ausgeschlossen). Bergsteigerisch trainierte Studis aus dem 1. Stock ließen sich das nicht zweimal sagen, und so wechselte ein Kasten Jever den Besitz gegen einen Haufen Müll. Ich hatte aber mindestens mehr Spaß damit als man mit einem Kasten Bier generieren kann. Denn so startete eine Beschäftigung mit dem Thema Radiosonden - jede Art von Amateurfunk war mir bis zu dem Tag fremd. Lange Story ganz kurz: Es war eine Graw DMF09 Radiosonde, und sie war von der Bundeswehr gestartet in Meppen gestartet worden.
    Lange Story ganz kurz: Es stellte sich im Wesentlichen heraus, dass man Signale der Radiosonden mit einem DVBT-Stick (15 Euro) und einem Computer empfangen kann, und ich lernte mal schnell, wie man sich aus einem alten Kleiderbügel eine Yagiantenne baut. Damit konnte ich die freilebeneden Kollegen der Radiosonde von meinem Balkon auch in über 100km Distanz verfolgen, ihre Daten entschlüsseln und ihren GPS-Track angucken. Hierzu braucht man das Programm SDRsharp zum Radiohören bei bei ca. 400MHz und das Programm Sondemonitor und Decodieren der Telemetrie.


    Ich habe dann auch zweimal meine neuen Fertigkeiten genutzt, unter die Sondenjäger zu gehen. Beide Male war eine Vaisala SGP Radiosonde in Schleswig gestartet worden. Ich hatte die Sonde bis kurz vor dem Aufprall verfolgt und mittels linearer Regression die Aufschlagstelle ermittelt. Bin dann hingegangen und hab sie eingsackt.





    Das hat ja eigentlich nix mit Astro zu tun (außer dass Stratosphärenballons sowas wie die Raumfahrt des kleinen Mannes sind). ABER heute hab ich was getestet, was mir immer schon im Kopf rumging: Im Teleskop Wetterballon aufsuchen und angucken.


    Heute wehte eine stramme SW-Strömung die Radiosonden aus Bergen Richtung Hamburg, wo sie relativ hoch am Himmel standen. Ideale Bedingungen für diese neue Form von Sondenjagd. SondeMonitor hat ein praktisches Fenster, in dem es u.a. auf Basis der Radiosonden-GPS-Telemetrie Aziumut und Höhe ausspuckt, damit der geneigte Sondenjäger weiß, wohin er seine Antenne halten soll. Kann man natürlich auch in Guide eintippen und dann das Fernrohr auf den Ballon fahren. Auf dem Bild seht Ihr mein Setup. Da ich auf dem schwarzen Laptop schon viele Fenster offen hatte, habe ich die Ascom/Guide Geschickte mit dem kleinen weißen Notebook gemacht. Rechts meine selbstgedengelte Yagiantenne.



    Habe ein heute Vormittag ein gefaketes 1-Sterne-Alignment gemacht, danach (mit Filter) auf die Sonne gefahren, die Klemmen gelöst und die Sonne zentriert. Da meine Montierung fest aufgestellt ist, habe ich dadurch ein Alignment. Da die Skywatchermonti keine Möglichkeit kennt, Azimut und Höhe direkt in die Handbox einzugeben, hab ich Guide benutzt, damit die von Sonde-Monitor angezeigten Koordinaten einzustellen und dann einen Goto-Schwenk auszuführen.


    Bergen startet alle 6 Stunden einen Ballon, die dieses Wochenende alle sehr stark nach Norden verweht wurden und daher recht nahe an uns vorbeizogen. Mein erster Versuch war der 6:00 UT-Ballon, aber der war ein Problem, da er bereits in einer Höhe von 23953m platzte, bevor ich alles fertig eingestellt hatte. Für den 12Z-Ballon hatte ich mein Teleskop geparkt, so dass das Alignment erhalten blieb. Diesmal waren aber sehr viele Wolken unterwegs, aber in einem Wolkenloch konnte ich den Ballon in 18000m Höhe und ca. 50km Entfernung als hellen Fleck in meinem Pentax 75/500mm Refraktor und 25mm Okular erkennen! Yeah!.


    Schätze mal die Helligkeit auf mindestens -5 bis -6mag. Dann wurde ich übermütig und griff zur DMK, aber leider bewegte sich der Ballon beim nächsten Wolkenloch bereits so weit nach Westen, dass er hinter meiner Regenrinne stand.


    Aber das probier ich bestimmt bald mal wieder aus. Der absolute Knaller wäre, aufgrund der Sondentelemetrie den Ballon im Fernrohr automatisch zu tracken....Würde aber einiges an Programmieraufwand verursachen. Und die nächste Challenge wäre es, den Ballon mit dem Fernrohr beim Platzen zu filmen und dann loszufahren und ihn einzusammeln.


    Für unsere Freunde im Bereich Lüneburg: Die Sonde liegt meiner Analyse nach bei ca. 10.26937 Grad Länge und 53.22745 Grad Breite. Nehmt ne Kettensäge mit, kann sein, dass Ihr sie braucht.


    Hartwig

  • Hallo Hartwig,


    ich findes es sehr bemerkenswert, wie du dich so schnell in das Thema eingearbeitet hast - wow, Mordsrespekt!
    Du hast doch gar kein Auto - wie bist du zur Sonde gelangt? :)
    Platzernder Ballon im Video - ja, das wäre geil!


    Tolles Thema - da kommt der Jäger und Sammler durch! Passt alleine schon aus diesen Gründen zur Amateurastronomie.


    LG Mario

  • Hallo Hartwig,


    wenn ich mir deine Balkonsternwarte so angucke:
    Hast du dein Gegengewicht mit einem Draht gesichert? Falls es mal beim Befestigungsvorgang aus den Händen glitschen sollte und dann maximal abwärts reist.
    Ich werde mal darauf achten und es ggf. aufffangen, wenn ich dir einen Besuch abstatten sollte.


    LG Mario

  • Die Gegengewichtsstange hat einen Stopper am Ende, die Gewichte können also niemandem auf den Kopf fallen. Beim Wechseln dreht ich die Montierung grundsätzlich ein wenig aus der Nullposition heraus, so dass das Gegengewicht beim Wechseln nur auf den Balkon fallen kann


    > Du hast doch gar kein Auto - wie bist du zur Sonde gelangt? :)


    In dem einen Fall hab ich mir das Auto meiner Mutter ausgeliehen - sie wohnt nicht weit vom Landepunkt entfernt. Im 2. Fall bin ich mit dem Regionalzug nach Itzehoe gefahren, von da aus mit dem Bus, und irgendwann muss man eh zu Fuß gehen.


    Hartwig

  • Hallo Hartwig,


    Das ist eine superspannende Sache, die Du im Moment aufziehst. Diese Ballons zu tracken und eventuell sogar noch zu filmen ist mir noch nie in den Sinn gekommen.
    Der eine Ballon ist in der Nähe von Itzehoe runter gekommen? Das ist ja ganz bei mir in der Nähe. Wo denn genau?


    Bis dann:
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hallo Hartwig,
    erstaunlich wie du auf die Idee gekommen bist. Das ganze ist ein sehr Interesantes Projekt, mal gucken wann du den ersten Ballon platzen siehst [:)]


    Gruß
    Stefan

  • Moin,
    (==>)HHausHH: An den 1973er Ballon kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. War damals 13 Jahre und habe das Ding sogar durch irgendeine Form von Teleskop gesehen! Der war aber ein Riesending - wahrscheinlich etliche Dutzend Meter groß, also sehr sehr viel größer als die normalen Wetterballons. Die bringen es nur auf 5m Durchmesser kurz vorm Platzen und sind entsprechend unauffällig am Taghimmel. Er war auch sehr viel langlebiger und war wohl so konstruiert, dass er tage/wochenlang in der Stratosphäre aushalten konnte. Visuell war der ein gleißend heller Punkt am Himmel, auch am hellen Tage. Im Feldstecher war die Form schon erkennbar, und im Fernrohr erinnerte er mich an einen Sunkist-Getränkebeutel. Vermutlich Herkunft Ostblock.



    (==>)Mettling: Marcus, da Du aus der Gegend kommst: Es war genau bei dem Marker.Du siehst auf dieser Open Streetmap/Open Topomap - Karte auch noch den GPS-Pfad des Ballons im Abstieg.



    (==>)Mario: "dann hat man es auch erst rechtz verdient, dass das Ding noch da war"
    (==>)HHausHH: Nö der Erfinder des Sonden-Geocachings bin ich nicht. Die Sondenjägerszene hat ziemlich viele Internetseiten, und von denen habe ich die ganzen Weisheiten. Sondenjägerkonkurrenz scheint hier im Norden noch kein ernstes Problem zu sein. In anderen Regionen, insbesondere Südwestdeutschland und Frankreich, muss man bei Landung der Sonde schon auf der Pole Position sein. Da gibt es Leute, die den ganzen Tag nix anderes machen als Sonden hinterherzufahren und das als echt kompetetiven Leistungssport betreiben und es auf hunderte Funde bringen. Einer hat tatsächlich dort die Landung einer DFM09 am Fallschirm gefilmt, und zwar aus nächster Nähe - man hört die Geräusche des Schirms!. Die Erstellung des Videos brachte ihn um die Sonde, sagt er im Kommentar in einem Forum.



    Hartwig

  • Ach, beim Fraunhoferinstitut. Die Ecke kenne ich, ich bin ab und zu jobmäßig da.
    Spannend, dass es da eine richtige Szene für gibt. Aber ich denke auch, dass für uns die Jagd mit der Kamera interessanter ist als Jäger/Sammler-mäßig möglichst viele Einwegsonden an der Wand hängen zu haben. [;)]


    Viel Erfolg noch:
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Soooo, und heute hats geklappt. Die 12Z Wettersonde von Bergen flog einigermaßen in unsere Richtung. Habe sie vom Balkon aus zunächst mit Radio und dann mit dem Pentax (75/500mm) verfolgt. Entfernung war bei Platzen etwa 68km, Höhe laut Ballontelemetrie etwa 33033m. Die Sonde befand sich über dem Bereich Lüneburg.


    Hier sieht man mein Setup - 5 Elemente Yagi + SDR werden von dem einen Rechner bedient, die DMK 41 von der anderen. Habe gesehen, dass man bei Show Position mit der Skywatchersteuerung auch Azimut und Höhe angezeigt bekommt; so kann man de von Sondemonitor angezeigten Koordinaten mit den Richtungstasten anfahren.



    Habe eine ganze Reihe von Sequenzen mit der DMK aufgenommen, unter anderem auch das Platzen um 12:37:59.




    Die DMK war mit einem IR-Pass-Filter (665nm) ausgestattet, um die etwas schlechte Durchsicht heute morgen zu kontern.


    Hier ist ein Video, das das Platzen zeigt; man sieht Ballonreste+Fallschirm+Radiosonde, wenn man genau hinsieht, abstürzen.


    https://www.flickr.com/photos/…29187353201/in/datetaken/


    Viel Spaß
    Hartwig

  • Hallo Hartwig,


    vielen Dank für diesen Thread.
    Das ist ja mal eine spannende Angelegenheit.
    Ich wusste gar nicht das man die radiotechnisch so verfolgen/tracken kann.
    Das dann auch noch "Astrotechnisch" am Tage zu visualisieren ist eine klasse Idee.
    Toll wie du das (vor allem so schnell) alles hinbekommen/umgesetzt hast.
    Respekt!


    Da stellt sich mir auch gleich die Frage, ob das beim 24:00-Teil und entsprechender Höhe auch geht?!
    (Vorausgesetzt der Ballon reflektiert genug z.B. Mondlicht.)


    Anyhow...... Würde mich auf weiteres freuen.


    Gruß & CS aus Oeversee
    Svend

  • Irgendwie haben die Leute Probleme, auf das Flickr-Video zuzugreifen. Hier ein Youtube-Link, leider von Youtube aus stärker komprimiert und daher schlechter.

    Externer Inhalt www.youtube.com
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    (==>)Svend: Mondbeleuchtete Wetterballons halte ich nach den bisherigen Erfahrungen für - naja, probiers gern aus! Erstmal ist das Ziel, es mal mit einem 10" SCT zu probieren, damit man mehr sieht. Die 18Z Sonde ist leider gerade hinter Cirren.



    Hartwig

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