Ruinenspechteln
Beobachtungsbericht 12. Februar 2005
Ort: Gebirgshochtal (950m NN) bei Confrides / Costa Blanca
Temp.: 12°, später absinkend auf 11°, starker, böiger Wind
Transparenz sehr gut, Grenzgröße weit über 6.5m
Beobachungszeit: 23 Uhr 30 bis 05 Uhr
Instrumente: 20 Zoll Dobson (der low-rider)
und Canon 15x50 mit Stabilisator.
Ich hatte ja schon mehrmals berichtet aus Spanien... seit Wochen
herrscht hier Spechtelwetter! So wie schon vor einem Jahr!
Damals schrieb ich:
Das grenzt ja schon an Schikane, wenn man immer wieder
das Teleskop ins Auto schleppen, in die Berge fahren, den
Dobson zusammenbauen, spechteln bis zum Abwinken, den
Dobson zerlegen, ins Auto packen und wieder den Berg runter
fahren muss... und das schon fast seit 5 Wochen! Ja, während
Zeit mit Mondschein konnte ich auf der Terrasse Mond und Planeten
beobachten, ein Glas edlen spanischen Rotwein in der Hand und
musste nicht fahren ... ;-)))
Höre ich da etwa einen Aufschrei der wolkengeschädigten
Astrofreunde in Deutschland? Leute, ich kann nichts dafür!
Und im Jahr 2005 geht das so weiter...
Letzte Nacht herrschte wieder ein tolles Spechtelwetter, leider mit starkem Wind. Zum Glück war der recht warm und man brauchte nicht einmal Handschuhe. Der Wind brachte mich auf die Idee, eine alte Ruine, die nahe meinem Spechtelplatz seit Urzeiten schon ohne Dach dahindämmerte, als Observatorium zu nutzen. Nur ein paar Steine und alte Balken mussten zur Seite geräumt werden, nachts nicht ganz einfach! Dann stand der low-rider windgeschützt und konnte durch das offene Dach einen Großteil des Himmels erreichen.
Ich hatte mir vorgenommen, endlich mal etwas schwierigere Objekte zu beobachten. Angeregt durch die Berichte vom Stathis, Uwe und Wolfgang Steinicke's KDG (Katalog der Galaxiengruppen)
begann ich mit einigen Galaxiengruppen, wie etwa KDG 82 und 96.
Ja, das ist doch mal was anderes, als immer nur die üblichen Objekte zu suchen! KDG 82 im Leo ist leicht zu finden und zeigt 3 Galaxien
im Bildfeld. KDG 96 im Kasten des UMA ist ebenfalls eine leichte Gruppe, die sogar aus 4 Galaxien besteht. Auch das Leo-Triplet gehört dazu. Dann kamen die schweren Dinger! Ich versuchte mich an Leo 1 bei Regulus. Zuerst mit großer AP mit dem 30mm Zeiss Ultrawide: nichts zu sehen. Dann das 16mm Nagler: Regulus aus dem Gesichtsfeld: sofort gefunden. Sehr groß und sehr zart. Nur ein Hauch von Aufhellung, aber direkt zu halten. Wieder mit dem 30mm ist Leo 1 nun auch erkennbar, aber der Himmel ist bei 7,8mm AP doch etwas hell.
Dann versuchte ich den Doppelquasar GSO 0957+561 im UMA bei der Galaxis NGC 3079. Dank guter Karten, die ich aus dem Bericht von Stathis hatte, konnte ich mich an den Quasar heranpirschen. Ein Sternviereck, eigentlich schon nahe an meiner persönlichen Beobachtungsobergrenze, war der Wegweiser.
Nach vielen Versuchen mit abgedeckten Augen und ausschließlich indirektem Sehen habe ich es geschafft! Sehr schwach blitzte ein winziges Sternchen auf. Immer wieder versuchte ich mit hohen Vergrößerungen das Letzte aus dem low-rider herauszuholen, aber eine Trennung wollte nicht gelingen! Aber immerhin: 5 Milliarden altes Licht berührte meine Netzhaut! Das ist eine Gänsehaut wert!
Ein paar superthin-Galaxien folgten: zuerst die "leichte" NGC 4665, die im 9mm Nagler fast durch das gesamte Gesichtsfeld läuft und ein langgezogenes Staubband zeigt. Dann die NGC1560 in CAM, die nicht sehr dünn, aber dafür recht groß und hell ist. Ein Sprung zu NGC 4631, einer der schönen Galaxien in den Jagdhunden. Sehr hell, groß und mit vielen Details. Die kleine NGC 4627 schmiegt sich dran.
Ein halbes Grad entfernt noch eine langgestreckte edge-on: NGC 4656, genannt Fish Hook Galaxy. Dann folgt ein Abstecher in weite Ferne: Abell 1656 in Coma Berenices! Ein Superhaufen bei Superbedingungen! Ich konnte etwa 40 Galaxien erkennen, verteilt auf 3 bis 4 Gesichtsfelder. Dabei sollte man sich aber Zeit nehmen: etwa eine halbe Stunden habe ich die Umgebung abgegrast und immer wieder neue Galaxien sehen können. Alle mehr als 400 Millionen Lichtjahre entfernt! Jetzt kamen auch noch viele Galaxien in der Jungfrau dazu und langsam wurden die Beine müde! Über fünf Stunden aufrecht stehen... das schlaucht! Wenigstens musste ich keine Leiter hochklettern ;-))
Der Wind wurde stärker und langsam reichte der Schutz der Ruine nicht mehr aus. Zuerst musste der "Pariser" dran glauben, dann der Streulichtschutz. Dann begann Leichtbau-lowrider leicht zu vibrieren... Zeit zum Abbau! Eine gute halbe Stunde später war ich wieder in Altea.
Das war eine erfolgreiche Spechtelnacht!
Leider muss ich nächste Woche wieder zurück nach Deutschland.
Aber eins verspreche ich: das gute Spechtelwetter bringe ich mit!
CS
Timm