von Kopernikus zu Kepler

  • Kepler hat das heliozentrische Weltbild nach Kopernikus bekanntlich dahingehend modifiziert, dass er die Planetenbahnen als Ellipsen mit der Sonne in einem Brennpunkt beschrieben hat.


    Gab es eigentlich niemanden, der vor Kepler oder in Konkurrenz zu Kepler die Planetenbahnen als Kreisbahnen, aber nicht konzentrische Kreisbahnen mit der Sonne als Mittelpunkt vermutet hat. Solche Kreisbahnen wären eine logische Erklärung für Phänomene, die im Widerspruch zu konzentrischen Kreisbahnen stehen (unterschiedlichen Oppositionshelligkeiten der äußeren Planeten, unterschiedliche maximale Elongationen beim Merkur, unterschiedliche synodische Perioden, unterschiedliche Länge der Jahreszeiten) gewesen und nur sehr exakte Positionsbestimmungen können ein solches Modell falsifizieren. Deshalb wundert es mich, dass es diesen Zwischenschritt offenbar nicht gegeben hat.

  • Hallo Martin,


    ja, es gibt soche Mischsysteme, sogar ein ganz Berühmtes.


    Es heisst Tychonisches Weltbild und stammt von Tycho Brahe,
    der zwar gleichzeitig mit Kepler lebte, aber "vor" Kepler namhaft war.


    Tatsächlich wurden die Keplerschen Gesetze aus den (gewaltigen) Beobachtungsdaten von Brahe abgeleitet.


    Ohne Brahe kein Kepler.


    Mehr brauche ich nicht zu schreiben, wie Brahes Weltbild beschaffen war, findest Du hier:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Tycho_Brahe


    unter dem Kapitel "Brahes Weltsystem".



    > und nur sehr exakte Positionsbestimmungen können ein solches Modell falsifizieren.<


    So ist es.


    "Tatsächlich gelang es erst Vincenzo Viviani im Jahr 1661, mit dem sog. foucaultschen Pendelversuch, die Erdrotation nachzuweisen und damit das Weltsystem von Brahe zu widerlegen. Bis dahin waren sämtliche Beobachtungen wie etwa die der vier Venus-Phasen auch mit dem Weltmodell von Brahe kompatibel."



    MfG
    Larry

  • Hallo Martin,


    ja den gab's. Sein Name ist Kopernikus!


    Weder im ptlolemäischen noch im kopernikanischen System sind die Kreisbahnen konzentrisch. Letztendlich sind beide Systeme nichts anderes als mathematische Modelle zur Vorausberechnung der Planetenpositionen. In beiden Modellen gibt es eine große Zahl von Anpassungsparametern, mit deren Hilfe Messdaten korreliert werden. Die Exzentrizität ist einer dieser Anpassungparameter - in beiden Systemen. Ohne diesen Parameter ist die Ungenauigkeit viel zu groß!


    Bei Ptolemäus gab es drei Zentren:
    1.) Erde
    2.) Mittelpunkt des jeweiligen Deferenten (Der Deferent ist eine Kreisbahn, auf der der Mittelpunkt eines kleineren Kreises - der Epizykel - rotiert. Der Planet selbst rotiert auf der Epizykelbahn. So wird die Oppositionsschleife der Planeten simuliert.)
    3.) Mittelpunkt des Äquanten (Der Äquant ist lediglich ein gedachter Kreis, auf dem der Epizykelmittelpunkt eine konstante Geschwindigkeit hat. So wird simuliert, dass sich der Epizykelmittelpunkt mit wechselnder Geschwindigkeit auf dem Deferenten bewegt.)


    Kopernikus hatte anfangs die Idee alles zu vereinfachen, indem er die Sonne und nicht die Erde in den Mittelpunkt stellt. So wird auf jeden Fall die Oppositionsschleife ziemlich einfach erklärt, ohne Epizykel benutzen zu müssen. Aber leider passten schon damals die Beobachtungsdaten nur, wenn die Sonne nicht im Mittelpunkten der (kreisförmigen) Planetenbahnen steht und wenn die Planeten sich auch nicht gleichförmig auf ihren Bahnen bewegen. D.h. auch Kopernikus brauchte einen Äquanten - also auch 3 Zentren.


    Am Ende war das kopernikaanische System nicht wirklich einfacher als das ptolemäische. Noch dazu war es aus Sicht der damaligen "Physik" vollkommener Blödsinn, da der schwere Klotz von Erde sich um das leichte Feuer der Sonne bewegen sollte. Das war der Hauptgrund, warum Tycho Brahe ein modifiziertes eigenes System entwickelt hat.


    So etwas wie die Größe oder Helligkeit - infolge unterschiedlicher Abstände der Planeten oder des Mondes zur Erde - wurde in der Simulation übrigens nicht berücksichtigt. Es war schon schwierig genug die Position vorherzusagen.


    So richtig elegant, einfach und präzise wurde es erst mit Kepler.


    Wenn man sich in die damalige Zeit zurückversetzen will, muss man versuchen, alles was danach in der Zwischenzeit entdeckt worden ist, in Gedanken auszublenden. Dann lässt sich einfach nicht feststellen, ob die Sonne oder die Erde im Zentrum steht. Um einiges wahrscheinlicher ist aber, dass es die Erde ist.


    Gruß
    Wolfgang

  • Hallo,


    ich habe Keplers Originalarbeit in der Schweiz aufgestöbert;
    ist als PDF downloadbar.


    Ist natürlich in Latein, mit dem ich nichts am Hut habe.


    Vielleicht gibt es ja einen der Latein kann, und der Lust und Zeit hat,
    das mal zu überfliegen und uns hier zu berichten, ob da was Spannendes
    drinnen steht, was man so im Allgemeinen vielleicht nicht kennt.


    Originale halten da manchmal unvermutete Überraschungen bereit.


    http://www.e-rara.ch/zut/content/titleinfo/162514



    MfG
    Larry

  • Hallo Larry,


    für diejenigen, die kein Latein beherrschen, gibt es auch deutsche Übersetzungen der Hauptwerke von Kepler (zusammengefasst in 2 Büchern):


    http://www.amazon.de/Was-die-W…5390153?tag=astrotreff-21
    http://www.amazon.de/Astronomi…5390145?tag=astrotreff-21


    Ich habe mir beide Bücher schon vor einigen Jahren gekauft. Allerdings ist das ziemlich schwere Kost (insgesamt fast 1300 Seiten!). Daher hab ich bisher noch nichts davon gelesen. Kepler kenne ich nur aus der Sekundärliteratur. Ptolemäus und Kopernikus habe ich als englische Übersetzungen gelesen. (Ich kann auch kein Latein und deutsche Übersetzungen habe ich nicht gefunden.)


    Was mich dabei schwer beeindruckt hat, ist das hohe Niveau der Schriften. Die Kenntnisse der spätantiken (Ptolemäus) und frühneuzeitichen (Kopernikus) Astronomie gehen weit über das hinaus, was ich mir zuvor darüber vorgestellt habe. Und das gilt sogar für die Zeit dazwischen, die mittelalterliche Astronomie.


    Dinge wie die ungleichmäßige Bahngeschwindigkeit und die Exzentrizität der Bahnen waren lang bekannt. Trotzdem muss man natürlich die geistigen und technischen Grenzen der damaligen Zeit sehen. Vor Kepler wurde alles nur als Überlagerung verschiedener Kreisbahnen dargestellt. Die Fixsterne waren noch alle an einer Kugel befestigt. Das Universum war im Mittelalter und der frühen Neuzeit noch richtig klein. Hinter der Fixsternsphäre begann schon die Welt der Engel.


    Gruß,
    Wolfgang

  • Das ist ein bischen kompliziert bei Kepler: Seine Erkenntnisse ( die drei sog. Keplerschen Gesetze), die sind ihm natürlich nicht in den Schoß gefallen und er ging- wie vermutlich alle Zeitgenossen- von dem zeitüblichen Weltmodell aus. Dazu gehörte damals natürlich die philosophische Unterfütterung, was mit dem Wort " Aristotelische Weltsicht" ganz hier nur ganz verkürzt erwähnt werden soll. Das, von dem Kepler von Anfang an ausging, das war die Richtigkeit des heliozentrischen Weltbildes. Das war ihm von seinem Lehrer Michael Mästin während seines Studiums vermittelt worden. Aber zunächst meinte er herausgefunden zu haben, daß die 5 Planeten ( immerhin gehörte der Mond nicht mehr zu ihnen)in Sphären um die Sonne liefen. Diese Sphären sollten durch die 5 sogenannten Platonischen Körper abgebildet werden können und obwohl K. die sehr genauen Beobachtungsdaten von Tycho de Brahe zu Verfügung standen, ging K. zuerst davon aus, daß die sofort festzustellenden Ungenauigkeiten den Unzulänglichkeit der Beobachtungen zuzuschreiben seien. K. selbst war kein begnadeter Beobachter, weil er als Kind durch eine Pockenerkrankung Augenschäden zurückbehalten hatte. Erst später rang er sich zu der Ansicht durch, daß Erde & Planeten in Ellpisen die Sonne umkreisten. Aber soweit bin ich noch in meiner Lektüre von K.s Schriften nicht vorgedrungen. ( Ich habe auch die beiden Bücher von meinem Vorredner Heljerer..). Ich kann Latein, aber DAS wär´mir doch ein bischen schwer....mal eben z.B. 600 Seiten...und die ganzen damaligen Fachtermini...natürlich auch in Latein..)

  • Ach ja- Die beiden Kepler- Bücher von Johannes Krafft besitzen zwar ein Glossar/ ein Inhaltsverzeichnis und eine Einführung in die zeitgenössische " Denke"- aber leider fehlt ein Register, was sich natürlich negativ auf die Erschließbarkeit auswirkt.


    Gruß


    Michael

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