Buchrezension "Vom Gottesteilchen zur Weltformel"

  • <b>Vom Gottesteilchen zur Weltformel</b>
    Urknall, Higgs, Antimaterie und die rätselhafte Schattenwelt


    Autor: Rüdiger Vaas
    Verlag: Kosmos Verlag
    Seiten: 512
    Preis: 24,99 €
    ISBN: 978-3440138557


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    © Kosmos Verlag
    Mit freundlicher Unterstützung
    des Verlages



    <b>Buchrückseite: </b>
    <i>Unser Wissen über die Elementarteilchen steht vor einer Revolution: Mit der größten Maschine der Menschheit wurde das legendäre Higgs-Boson entdeckt – und für dessen Voraussage der Nobelpreis verliehen. Andere Forscher fahnden nach Antiteilchen aus dem All und dem Schattenreich der Dunklen Materie. Was ist nach dem Urknall geschehen? Wie sind die Bausteine des Universums entstanden? Woraus besteht die Welt – und warum gibt es sie überhaupt?


    Wissenschaftsreporter und Kosmologie-Spezialist Rüdiger Vaas spannt den Bogen vom Allerkleinsten zum Allergrößten. Er analysiert den aktuellen Erkenntnisstand und berichtet über die Suche nach einer „Weltformel“, die erklärt, was das Universum im Innersten zusammenhält. Eine einzigartige Exkursion zu den Fronten der Forschung.</i>



    <b>Rezension: </b>


    Der Text auf der Buchrückseite versprach eine interessante Lektüre und so war ich sehr gespannt darauf, was mich erwartete.
    Ein dicker Wälzer lag vor mir, das Papier nicht zu dünn, die Schrift gut lesbar und mit vielen schwarz/weißen Grafiken und Fotos aufgelockert.


    Aufgeteilt ist das Buch in sechs große Kapitel: Mikrokosmos, Gottesteilchen, Antimaterie, Dunkle Materie, Symmetrien und Weltformel.
    In „Mikrokosmos“ werden die Hadronen, Leptonen und Eichbosonen vorgestellt, woraus nach dem Standardmodell der Elementarteilchen die Materie aufgebaut ist.
    Bei „Gottesteilchen“ geht es um das Higgs-Boson und den langen Weg zu seiner Entdeckung, „Antimaterie“ zeigt auf dass Antimaterie kein Science-Fiction-Konstrukt ist, sondern etwas sehr reales was selbst in unserer Sonne entsteht und wovon ca. 20 kg in unserem Sonnensystem innerhalb der Saturnbahn vorkommen sollen.
    „Dunkle Materie“ erzählt von der Entdeckung, dass die Galaxien bezogen auf ihre sichtbare Masse viel zu schnell rotieren und über die Versuche diesen Widerspruch zu erklären und die Dunkle Materie nachzuweisen.
    „Symmetrien“ handelt von der Supersymmetrie (SUSY) als eine spezifizierte Erweiterung des Standardmodells der Elementarteilchenphysik, mit der man hofft alle noch offenen Fragen irgendwie beantworten zu können.
    Im letzten Kapitel „Weltformel“ schreibt der Autor über die Stringtheorie, die schließlich die Quantenphysik und Relativitätstheorie verbinden (können) soll.
    Nicht gerade leichte Kost, die Rüdiger Vaas hier aufbereitet hat, auch wenn er versucht die komplizierten Zusammenhänge allgemein verständlich zu erklären. Aber zu meiner Schulzeit waren die Elektronen noch kleine Kügelchen, die in ihrer Elektronenschale um den Atomkern sausten und von Quarks und Eichbosonen hat auch keiner etwas erzählt. Dabei habe ich habe in der Schule nicht nur geschlafen. [;)]
    So wird im ersten Kapitel mit den Erklärungen zu den Elementarteilchen die Grundlage gelegt, um für die weiteren Kapitel des Buches so einigermaßen gewappnet zu sein. Trotzdem ist einiges schwierig zu verstehen, obwohl Rüdiger Vaas sich redlich Mühe gibt, den Stoff anschaulich darzustellen. Die Kapitel sind in sich abgeschlossen, bauen aber aufeinander auf und wer mit der Materie nicht auf "Du und Du" steht, sollte sie auf jeden Fall nacheinander lesen.


    So erfährt man im Laufe des Buches wie die Elementarteilchen ihre eigenartigen Namen bekommen haben, es werden viele Anekdoten zu den erwähnten Wissenschaftlern eingestreut, von denen viele inzwischen Nobelpreisträger sind.
    Alles läuft auf die Grundlagenforschung am CERN hinaus, wo es zu allen bekannten und/oder prognostizierten Elementarteilchen Nachweisexperimente gibt, in deren Verlauf dort schließlich auch das Higgs-Boson entdeckt wurde. Mit welchen Kräften dort gearbeitet wird ist gigantisch und die gesammelten Datenmengen kaum vorstellbar!
    Man bekommt einen Eindruck, wie die Arbeit in einer derart riesigen Institution abläuft, wie die Wissenschaftler ihre Ergebnisse gegenseitig mit jeweils zwei unabhängigen Experimenten absichern. Was alles getan wird, damit keine falschen oder falsch positiven Meldungen publik werden.
    Es werden Teilchen und Antiteilchen zusammen “gebastelt“, von denen ich nicht mal wußte, dass es sie gibt. [}:)] Und wie weist man ein Elementarteilchen nach, das praktisch sofort nach seiner Entstehung (Halbwertszeit 1/Trilliardstel Sekunde!) wieder zerfällt oder zerstrahlt?


    Nach der Supersymmetrie (SUSY) ist der Elementarteilchenzoo aus dem Standardmodell nur ein Bruchteil der möglichen vorhandenen Bausteine und jedes Teilchen hat sein Partnerteilchen mit umgekehrtem Spin. Und damit es etwas einfacher wird, setzt man vor den Namen der Fermionen einfach nur ein S = Sfermionen wie Squarks und die Bosonen bekommen die Endung -ino =Bosinos (Gluoino, Photino, Higgsino).
    Und jetzt sind selbst die Quarks schon nicht mehr so elementar, es wird schon von Präquarks gesprochen. Es geht also weiter – man darf gespannt sein.
    Die Suche nach der „Theory of Everything“, der Weltformel, ist der Weg zur String- oder auch M-Theorie, die prinzipiell alle Naturkräfte einheitlich beschreiben kann. Danach besteht alle Materie aus schwingenden Strings, je stärker die Schwingung, desto mehr Masse. Dieses zu bestätigen wird wohl auch noch einige Jahre auf sich warten lassen.
    Im Laufe dieser Beschreibungen bekommt man fast den Eindruck, wenn die Physik des Standardmodells nicht alles erklären kann, wird eben eine „neue“ Physik erfunden - und seltsamerweise funktioniert das auch.


    Ich kann mich noch gut an die vielen Horrormärchen erinnern, die vor der Inbetriebnahme des LHC (Large Hadron Collider) durch die Medien und dabei auch besonders durch das Fernsehprogramm geisterten. Da wurden Ängste geschürt, die absolut grundlos waren und hier vom Autor rigoros in das Reich der Fantasie verwiesen werden.
    Scharze Löcher und Antimaterie, die alles um sie herum vernichten, wird es dort niemals geben. Dafür sind die Mengen viel zu klein.
    Schon ein Gramm Antiprotonen (6 x 10^23 Teilchen) herzustellen, ist praktisch unmöglich.
    Am CERN werden etwa 10^13 Antiprotonen pro Jahr hergestellt und 1/Milliardstel Gramm kosten einige hundert Millionen Euro! Und es ist extrem schwierig, diese Antimaterie lange genug zu lagern um Experimente damit machen zu können.


    In jedem Kapitel finden sich Kästen, Exkurse genannt, um im Text erwähnte Fakten weiter zu veranschaulichen.
    Der Autor streut in seinen Text hin und wieder kleine humoristische Bemerkungen ein, die einen zwar schmunzeln lassen, im Zusammenhang im Text aber eher irritierend wirken.
    Was ich in diesem Buch „für den Alltag“ gelernt habe ist, dass Physiker, speziell Elementarteilchenphysiker, große Spielkinder sind, die ihre mathematischen Ideen mit Milliarden Euro teuren Experimenten bestätigen lassen. Und dann noch so nebenbei die Nobelpreise einsammeln! [;)]
    Es sei ihnen von Herzen gegönnt.
    Ich hoffe nur, dass die Ergebnisse heute nicht mehr so lange für den Weg vom Labor bis zur Schulbank brauchen, wie zu meiner Schulzeit.



    <b>Fazit: </b>


    Das Thema, das Rüdiger Vaas hier aufgegriffen hat, ist relativ trocken und theoretisch, da die Welt der Elementarteilchen jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegt. Trotzdem geht davon ein großer Reiz aus, den wohl nicht nur Physikenthusiasten spüren. Und der Autor schafft es, dem Leser einen Einblick in die Welt der Elementarteilchenphysik zu geben und die Faszination weiter zu tragen.


    „Vom Gottesteilchen zur Weltformel“ gibt einen Überblick über die Themen, zu denen am weltgrößten Teilchenbeschleuniger, dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN geforscht wird.
    Das ist nicht leicht zu lesen, womit ich aber niemanden abschrecken möchte – ganz im Gegenteil. Wer bereit ist sich mit diesem faszinierenden Thema zu befassen findet hier eine spannende Lektüre.

  • Hallo Ute,
    das Buch habe ich zwar gelesen und fand es ganz gut, bin dann aber auf ein anderes gestoßen, das mir weitaus besser gefällt:
    "Bis(s) ins Innere des Protons: Ein Science Slam durch die Welt der Elementarteilchen, der Beschleuniger und Supernerds" von Boris Lemmer. Herr Lemmer forscht selbst am CERN und was und wie er schreibt, finde ich sehr verständlich und anschaulich. Und dabei ist es auch noch sehr unterhaltsam!
    Wer sich für Standardmodell, Beschleuniger und das Higgsboson interessiert, dem würde ich das Buch von Lemmer empfehlen.
    Viele Grüße
    Tom

  • Hallo Tom,


    vielen Dank für den Tipp, das kommt dann mal mit auf meine Liste. Hättest Du vielleicht Lust (und Zeit) eine Rezension dazu zu schreiben?


    Viele Grüße
    Ute

  • Hallo Ute,
    leider nicht. Das Buch hat 14 Rezensionen mit 5 Sternen bei Amazon - verdientermaßen. Da brauche ich nicht auch noch meinen Senf dazugeben.
    Viele Grüße
    Tom

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