Endlich! Eine Neumond DS Spechtelnacht

  • Liebe Freunde,
    was für ein denkwürdiger Tag, der 20.3.2015. Da muss ein Andenkenfoto her.


    Erst die SoFi bei absolut freiem, wenn auch Inversionsvertrübten Himmel. Ich hatte mein Fernglas 7x50 (mit Solarfolie natürlich) zur Arbeit mitgenommen und konnte zwischendurch vor die Tür treten. 1999 habe ich mehr Pech mit dem Wetter gehabt. Erst lange Anreise und dann Regenguß bei Totalität! Ein seltsames unheilschwangeres Licht in der Landschaft ist das bei der maximalen Abdeckung gewesen (also gestern) - irgendwie.


    Und dann am Abend traute ich mich trotz diesigem Himmel zu meinem Spechtelplatz im Odenwald. Juhuu Neumond und klarer Himmel ist angesagt - und dann auch tatsächlich da! Die Höhe von fast 500m hat ausgereicht, um über den gröbsten Dunst zu kommen. Kaum Wind auf der Kuppe und 7 Grad, wat willste mehr!


    Also mein HEQ5 und Newton 8"f5 aufgebaut und los ging es. Mann wie lange habe ich das schon vermisst! Zuletzt war ich im Januar bei ähnlicher Wetterlage hier, aber der Nebel kam hoch - ich musste unverrichteter Dinge wieder abrücken. 2h Fahrt plus Ein/Auspacken plus Auf/Abbauen. Alles umsonst. Heute nicht so!


    Als erstes der Jupiter, auch schon lange nicht mehr im Newton beobachtet. Wau der GRF ist da und was für ein herrliches Orange, und die braune Augenbraue! Leider noch etwas wabbelig, der Newton muss sich wohl noch an die Temperatur anpassen.


    Daher ging ich (bei 5,8mag Himmel) gleich zum Deepsky Spechteln über. Mein Führer in der Nacht - der Karkoschka. Und zwar Standardobjekte. Man sagt ja gerne: "Hol Dir nen 8" Dobson und ein DS Reiseatlas oder Karkoschka, dann hast Du für 2 Jahre zu tun." Ich muss sogar sagen:" dann hast Du lebenslang zu tun". In meinem Fall! Denn ich konnte mich an die Standardobjekte kaum noch erinnern. Die ganze Herbst/Wintersaison ist ja futsch. Und die tolle Frühjahr Saison 2014 ist schon lange her. Also alles nochmal und von vorne. Immer wieder wohl... So Sachen wie ARP und Abel - so weit komme ich nie. Also langweile ich Euch hier mit Standardkerzen. Und ja Zeichnungen gibt es leider auch nicht. Vor lauter Hunger gab es nur Fastfood. Ich musste ja zeitig wieder abbauen, da ich morgen schon wieder um 7:00 aufstehen musste.


    Zum Einsatz kam mein neuer gebrauchter Nagler 12mm endlich mal. Der liegt auch schon 1 Monat rum. Da ich den Hyperion 13mm nicht verkaufen konnte, habe ich den 2" Verlängerungsring des Naglers mal in den Hyperion eingeschraubt und draus ein 9mm Hyperion gemacht. Ich muss sagen, obwohl das Teil recht lang und unhandlich wirkt. Optisch macht er sich gut, irgendwie randschärfer als mit ohne Finetunering, taugt absolut als 9mm, 1,8mmAP Weitwinkelokular. Behalte ich!


    So nun aber der DS Bericht.


    Ab 22:00 ging es los - bis 2:30, also unglaubliche 4,5 Stunden.


    Zunächst M35, was für eine Wucht unter dunklem Himmel, und daneben so ganz anders der fuddelige NGC.... Mit dem Nagler wirkt er gar nicht nebelig, sonder OS-haft. Ich mag solche Doppelobjekte!


    Dann was ich seltener anfahre - M67 im Krebs, ein kleinerer OS, aber ein feiner. Im TAL vom Balkon aus eher unscheinbar, im Odenwald und 8" wunderschön mit vielen mittelhellen und schwachen Sternen. Irgenwie erinnert er mich durch die Sternketten an einen Seestern.


    Weiter darunter zu Hydra ich hab da dunkel zwei lohnende Objekte in der Erinnerung. Aha, eine spindelige Galaxie NGC 3115 (vielleicht auch IC, im Karkoschka steht da nur die Nummer), mittelgroß im 12mm, Kern hell, die Auszenbezirke eher indirekt sichtbar.


    Dann NGC3242 Jupiters Geist. Ein heller PN, der bis zum 6mm (160x) vergrößerbar ist. "Grünlich" sehe ich ihn nicht, auch keine Details, einfach ein fluffiger Ball aber deutlich. Und fast Jupiter-groß.


    Jetzt steht der Löwe hoch im Süden - weitere Paradeobjekte. Erst mal das Quartet M95/M96/M105/NGC3384. Im TSWA38mm mit 2,7 Grad passen alle 4 ins Okular! Im 12mm dann sind es mittelhelle, mittelgroße fluffige Ellipsen. M105 und NGC3384 stehen dicht beieinander und da ist noch eine dritte Gx, deutlich blasser aber ähnlich groß, klasse! Vom Balkon aus und dem 10cm Refraktor ist übrigens nichts von alldem zu sehen.


    Dann natürlich der Schwenk zum Klassiker schlechthin das Leo Triplet. Zu Hause ein müdes Duplet, ist es hier eine Pracht! M65/M66 sind ordentlich groß im 12mm und wirken anders als die Quadro Gruppe schon irgendwie "spiralig". Ich weiss nicht warum, aber der Eindruck ist da. Und im 12mm Nagler mit drin ist die dritte Gx, recht deutlich und grooß, NGC3628. Die ungewöhnlich Form (Aufspreizung) ist klar zu sehen. Das Staubband allerdings nicht. Der Himmel ist im 12mm Okular übrigens noch nicht schwarz, der Newton sammelt zu viel Licht. Wie klasse muss das Triplet wohl in den Alpen kommen?


    Dann natürlich zu Koma, ich möchte da die Kanten Galaxien besuchen. Wer weiss wie das Frühjahr noch wird. Eigentlich plante ich im Bären zu wildern, aber ich hab Angst vor dem Wetter im April/Mai. Also Coma Berenice/NGC4565. Dank der charakteristischen Sterne des OS einfach zu finden. Ich erinnere mich noch des Erstaunens vom letzten Jahr und werde nicht enttäuscht, Eine im 12mm fast quer durchgehende riesige Galaxie in wunderschöner Kantenlage. Direkt gut vollständig sichtbar Kern und Ausenbezirke gut erfassbar. Wie ein MÖÖEPP!Baujahr 1950 von der Seite. Von dort aus zur auch großen Galaxie NGC4727. Die ist oval und ich meine auch spiralig. Kurz im Fototeil des Karkoschka nachgeschaut - yep. Dann weiter zu Blackeye M64. Mit etwas Konzentration ist tatsächlich was dunkleres im Zentrum zu ahnen. Nein eigentlich geht es besser ohne Konzentration - einfach wirken lassen und das Auge mal im Feld rumwandern lassen. Nicht weit weg ist M53, der einzige KS der Nacht für mich. Mittelgroß und grizzelig, kein Scheinwerfer wie M13, aber nett.
    Zum Schluss in der Gegend die Walfisch Galaxie. Irgendwie habe ich sie letztes Jahr nicht gefunden. Auch diesmal muss ich in der sternarmen Gegend rumrühren. Mit Rigel Finder, dann mit dem optischen Sucher. Irgendwann ist er im TSWA38 drin - ich weiss selbst nicht wie.
    Wau, genauso toll wie die Nadelgalaxie. Ähnlich groß, ähnlich hell, aber eben walfisschig. Ohne Fluke ;-). Daneben soll noch was großes sein, ich finde auch was, was oval scheint, mittelgroß und blasser. Ich schreibe mir die NGC4725 auf. Merke aber zu Hause, die sieht ganz anders aus. Muss was anderes gewesen sein, was nicht im Karkoschka erscheint. Da muss ich nochmal bei.


    Zeit für eine Pause - starker heißer Kaffee und Schweizer Armeeschokolade, das putscht auf :-), ich bin irgendwie doch müder als mir lieb ist! Ein genießerischer Blick durch den Himmel (sollte man nicht vergessen beim Spechteln) und ein Schlag an die Stirn - schiet der GRF beim Jupiter! Den wollte ich mir doch mit 300x reinzwirbeln, wenn der Spiegel abgekühlt ist. Jupiter angesteuert, aber um 1:00 ist der GRF schon längst wegrotiert - ich könnte mich! Aber gut das Seeing ist doch nicht besser geworden 300x ist zu viel verlangt.
    Mit 200x, obwohl es wabbelt, ist deutlich mehr auszumachen als ich je im TAL100 Refraktor geschafft habe. Also Planetenliebhaber, obacht - ein 200mm Newton zeigt mehr am Planeten als ein recht guter 100mm Refraktor (keine Ahnung was ein Apo schafft).


    Jetzt ist das bis hier schon eine ellenlange Story geworden, also vollständigkeitshalber der Rest der Nacht auf die Schnelle:
    Großer Wagen: Das Pärchen M81/M82, Das Pärchen M108/M97, M51 alle wunderbar! M101 machte mir mehr Mühe beim Suchen. War 'ne höllische Verrenkung da zenitnah. Geht wohl mit Dobson bequemer. Parallaktisch ein Krampf, hoffentlich hat mich keiner gefilmt und stellt es ins Netz. Nur Kenner wissen, wovon ich rede...
    Bei M101 konnte ich diesmal absolut keine Spiralarme erahnen. Müde? Oder ist der Himmel doch nicht so transparent?


    Um 2:30 muss ich schon an den Abbau denken, der fast eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Soll ich aufzählen? Neee leiber nicht...


    Bei der Heimfahrt fahre ich in eine Dunstschicht runter, statt 5 Grad zeigt mein Auto nur noch 1 Grad an. Der Himmel ist sichtbar aber deutlich trübe. Heute hat sich meine Wetter-Wette im Gegensatz zum Januar gelohnt. Schade, dass ich so früh raus muss.


    Ich fahre völlig zufrieden aber auch wehmütig nach Hause, wann ist die nächste Gelegenheit?


    Ach so zum Erinnerungsfoto. Also wie ich hochfahre am Abend auf meiner Haus-Spechtelstrecke, etwas eilig, wissend um die kurze Spechtelnacht, ist da eine temporäre Baustelle in einem Kaff, wo ich genau weiss da ist eine Blitzanlage. Die Baustelle ist mit Tempo30 ausgeschildert, ein paar gelbe Linien geben einen Schlenker vor. Tote Hose, also denke ich ich nehme alles mittig bei 45 km/h was soll schon sein - Und BLITZ!


    Mistkerle, haben die doch tatsächlich diese Anlage umprogrammiert! Manchmal hasse ich den Fortschritt, das ist eine dieser modernen Säulen - wohl zentral gesteuert, hyperflexibel und mit einem unendlichen Speicherchip versehen. Nunja, demnächst ziert wohl ein Foto mein Beobachtungs-Büchlein...



    CS,
    Walter

  • Hey Walter!


    na, das ist doch mal ein erfrischender Bericht :)


    Danke für die lebendigen Eindrücke! Was ein 4"Apo gegenüber einem guten 8"-Newton am Planeten kann? Ganz einfach: weniger!


    Hast Du bei der 4565 das Staubband gesehen? Übrigens, M 51 ist auch ne arp ;)


    Schöne Grüße


    Norman

  • Hallo Norman,


    von Dir ein Lob, das geht runter wie Öl :-)!
    Bei 4565 ist mir leider kein Band aufgefallen. Aber ich achte mal drauf. Ich hatte noch den Sombrero drin gehabt, aber auch da war auch nix zu machen.


    Vielen Dank übrigens für den Tip mit dem 12mm Nagler, wirklich ein feines Okular. Ich schätze gerade im Frühjahr wird es mein Lieblingsokular.
    Ich war zunächst von dem Kidney Beaning erschrocken, aber jetzt wo ich den Einblick (mit Brille!) im Griff habe - ein echt feines Okular für DS.


    Gruß,
    Walter

  • Hallo Walter,


    sehr gern :)


    Hast doch wirklich sehr lebendig/witzig geschrieben, find ich super. Hat wirklich Spaß gemacht beim Lesen.


    Freut mich, dass Du fündig geworden bist beim 12er! Ja richtig, das 12mm T4 ist da etwas nervös aber dafür gibts ja die ausziehbare Augenmuschel. Staubbänder hängen enorm von der Durchsicht ab. Selbst bei größeren Geräten. Mit 8" meine ich, sollte das in der 4565 schon gehen. Beim Sombrero mindestens genauso. In Form einer scharf abgegrenzten Kante mit leichtem bulgförmigen Glühen unter der Kante. Das wiederum geht auch mit 4"!


    Bedingungen sind eben das A und O und man sollte auf Detailjagd immer versuchen, etwas höher zu vergrößern als die Ästhetik einem suggerieren mag. Das 12mm ist perfekt für ästhetische Anblicke (Sehfeld, Helligkeit/Brillianz des Objekts), aber für Details wie Staubbänder bringt etwas mehr Vergrößerung noch was.


    Schöne Grüße und CS


    Norman

  • Hi Walter,


    na herzlichsten Glückwunsch zu der schönen Nacht! Sicherlich ein Wagnis, so weit zu fahren und dann nicht vorab zu wissen, ob der Dunst da oben noch vorhanden ist oder nicht. Aber Du wurdest belohnt! :) Bei der 101er habe ich mir letzten auch total einen abgebrochen, jedoch ohne Erfolg.

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