"life -Temperaturmessungen an einem 10" -Cassi

  • Hallo Freunde,
    die Problematik wurde ja in jüngster Zeit hier im Board schon deutlich gemacht. In der Zeit vom 8. Dezember bis vor 3 Tagen gab es für mich mehrere gute Gelegenheiten zu ausschweifenden Messorgien im Freien. Die Spielwiese und Spielzeuge zeigt das noch mal das erste Bild.


    Die vollständige Auswertung braucht noch einige Tage länger. Deshalb hier zuerst ein „Spezial“ mit 10 Zoll Newton- Cassegrain namens „Silbercassi“. Das ist der ganz links im Bild. Eigentlich ist der Iso- Tubus für 12- zoll „QM“ ausgelegt. Der gleichbrennweitige 10“- aus Zerodur hat darin sehr viel Platz und es kann auch unten herum viel Luft zirkulieren. Das war einen Versuch wert, ob es vielleicht auch ohne Propeller ausreicht mit der Belüftung. Wie das zweite Foto zeigt, sieht man, wo denn genau die IR- Messpunkte am Spiegel zu suchen sind. Dort sieht das IR-Temperaturmessgerät nur nacktes Zerodur. Der Tubus selbst ist genau so aufgebaut wie der von „Isodobs“ (s. „live“ Temperaturmessungen... weiter unten im Board)



    Bei Zerodur und ähnlichem Material braucht man sich keine Sorgen um evtl. Parabelverbiegungen bei gewaltsamen Temperaturwechseln zu machen, auch bei dickeren Brocken nicht. Die Temperatur muss natürlich trotzdem der Umgebung angepasst werden, d.h. Wärme raus, wenn das Teleskop vorher im kuschelig warmen Werksraum geparkt worden ist.


    Am 11.12. war es draußen zu Beginn der Dämmerung –6°C kalt. Der Prüfling lümmelte sich aber noch im 20°C warmen Aufenthaltsraum. Um 17 Uhr musste er hinaus an seinen Arbeitsplatz und dort wurde er über 5h lang sporadisch kontrolliert! Er musste schön bocksteif einzig und allein den Polarstern anschauen.
    Das Wetter war völlig wolkenlos und leicht bis mäßig windig. Sterne bis mag 5,5 bedeuten sehr gute Transparenz an diesem Standort. Als Bezugstemperatur diente die IR- Temperatur der Grasfläche. Die Lufttemperatur in Bodennähe ca. 5 cm über Grund schwankte während der insgesamt 5- stündigen Beobachtungszeit zwischen –6,1 und –7,1° ohne zeitliche Korrelation. Die Schwankungen korrelierten aber deutlich mit der Windgeschwindigkeit In 2 m Höhe betrug die Spanne –6,0°C und –6,5°C. Da diese Temperaturen mit ein und dem selben elektrischen Thermometer gemessen wurden, kann man ablesen, dass ein geringes Temperaturgefälle in Bodennähe in dieser Nacht real war.


    Zurück zu den Messungen und Beobachtungen direkt am Teleskop-
    Das Diagramm zeigt an, was denn am Prüfling im wesentlichen passiert ist.
    Irsc.xls
    1. Der Spiegel kühlt am Rande deutlich schneller ab als in der Mitte. Das liegt wohl auch daran, dass der Messpunkt 2 zum Himmel gerichtet ist, während die Rückseite mit MP1 nur den grasbedeckten Boden sehen kann. Einem Zero- Spiegel kann so etwas egal sein , wäre da nicht
    2. die Temperaturdifferenz zwischen Spiegel und Tubus- Innenwand. Nach 30 Minuten liegen diese Temperaturen um mehr als 10°C auseinander! Auch nach 2 h ist immer noch kein vollständiger Ausgleich erreicht. So etwas erzeugt nachweislich böse Turbulenzzellen im Strahlengang. Zwischen den Messungen wurde natürlich auch der Polarstern beobachtet, genau fokal, intra- und auch extrafokal. Zu Beginn konnte man nicht einmal den mag 8,8 hellen Begleiter des Polarsternes erkennen. Erst nach 2 Stunden verkrümelten sich die Turbulenzzellen so weit, dass man an die extra/intrafokalen Ringe gut erkennen konnte. So ganz tot waren die Turbulenzbiester immer noch nicht, aber die unerreichbaren Turbulenzen der Atmosphäre setzten an diesem Abend ein Limit. Diese zupften und zerrten so schnell an den Beugungsfiguren, dass man an Vibrationen des Nachführsystems erinnert wird. Das war aber abgeschaltet, weil der Polarstern bekanntlich schön still hält, zumindest für einige Stunden. Erst nach 5 Stunden waren die Turbulenzzellen im Tubus ausgestorben.
    3. Wie erwartet, fällt die Spiegeltemperatur zu Anfang recht steil ab, aber es dauert Stunden, bis man im grünen Bereich ist. Anders gesagt, selbst wenn das Teleskop nur 5 - 10°C Übertemperatur gehabt hätte, würde das die Wartezeit nur um ca. 30 Minuten verkürzen.


    Fazit: 1
    Der 5,6 kg schwere Spiegel braucht eine Zwangsbelüftung.
    Fazit 2
    Der Schreiber braucht jetzt eine Weihnachtspause.


    Ein frohes Weihnachtsfest wünscht Euch allen
    Kurt

  • Hallo Kurt,


    für Deine Mühe besten Dank. Ein echter
    Schreckling-Bericht. Das erspart eine Kreuzfahrt nach Murmansk.


    Der Gitterrohrtubus vom 12 Zöller, gefällt
    vom Finish her besonders gut.


    es grüßt Dich
    U.Hennecke

  • Hallo Ulrich,
    vielen dank für die Blumen,
    kleine technische Rückfrage: kannst Du das Diagramm unter dem geänderten Link Irsc.xls problemlos öffnen? bei der Überprüfung von meinem Rechner aus habe ich Probleme. Da ich noch mehr von der Sorte in Vorbereitung habe, wäre Deine Rückmeldung eine wertvolle Hilfe.
    Vielen Dank im Voraus
    Gruß Kurt

  • kurt,


    danke fuer die publikation deiner muehen! mit grossem interesse habe ich deine ausfuehrungen gelesen.


    auch ich wuensche schoene festtage
    stefan


    PS: ich kann die IRSC.XLS auch oeffnen (MS windows XP, MS excel)

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