Unterwegs im Allgäu, Teil 1: Am Nebelhorn

  • Guten Moooorgen miteinander!


    Es wird nun leider wieder etwas länger, da wir (d.h. Norman und ich) am vergangenen klaren Wochenende einen Ausflug ins Allgäu gemacht haben. Zwei Beobachtungsnächte sprangen dabei heraus, von denen wir die erste im Nachfolgenden präsentieren wollen. Den zweiten, der eine ähnliche Länge aufweisen wird, heben wir uns für später auf, sonst wird’s zu viel auf einmal [;)] Es fällt einfach zu schwer, irgendetwas beim Text oder den Bildern zu kürzen, alles ist irgendwie wichtig… Na, zum Glück ist heute Feiertag [:)] Viel Spaß!


    <font size="3">26./27.09.2014 - Eine "kurze" Nacht am Nebelhorn</font id="size3">

    <font size="1"><i>Alpine Gefahren wohin man auch blickt</i></font id="size1">


    Ursprünglich wollten wir ja zum HTT fahren, doch da die Wetteraussichten in der Alpenregionen gut und stabil waren, beschlossen wir, das Neumondwochenende im Süden der Republik zu verbringen und eine kleine Tour durchs Allgäu zu unternehmen. Zur Debatte stand auch der Gornergrat, der mit den allerallerallerbestmöglichen Prognosen aufwartete, doch die Motivation, die achtstündige Anreise in Kauf zu nehmen, war eher gering… (Norman: Und das Schlafen ohne sinnvolle Unterkunft – Zimmerbezug im Kulmhotel war bei der letzten Gornergrat-Exkursion erst gegen Mittag möglich – klappt an einem Touri-Berg ohnehin nicht, womit die zweite Nacht vermutlich eine Tortur ohne große Ausbeute gewesen wäre…). Also lautete der Plan: Fahrt nach Oberstdorf und Beobachtung auf dem Nebelhorn – am nächsten Tag Fahrt ins beschauliche Dörfchen Eschach, wo wir uns in eine kleine Pension einquartierten – bisschen Schlaf nachholen – und anschließend Beobachtung im hohen Adelegg, wo wir uns auf die Beobachtung mit ein paar guten Bekannten freuten. Aber der Reihe nach…
    Wir freuten uns beide gleichermaßen riesig auf die Exkursion, quasi ein Mini-Urlaub, denn schließlich lagen unsere letzten brauchbaren Beobachtungsnächte schon eine ganze Weile zurück – und die letzten <i>guten</i> (La Palma) noch viel länger. Zur Mittagszeit starteten wir am Freitag aus München gen Oberstdorf. Im Auto lagen zwei Teleskope (Normans 12-Zöller und mein 16er), eine bunte breite Okularpalette, viele warme Klamotten und Fressalien für die kommenden zwei Tage. Die Anreise war zwar geprägt von langen Autoschlangen, deren Insassen ebenfalls ins alpine Wochenende aufbrachen, aber dank Navi, starken Nerven und einem ordentlichen Zeitpolster kamen wir problemlos an und ließen das Auto auf dem Parkplatz zurück, während wir selber in die Gondel der Nebelhornbahn stiegen. Nun war mir auch vollkommen klar, wovon Norman immer spricht: Die stets wiederkehrende Frage der Leute beim Blick auf seinen riesigen Rucksack: „Ist da ein Gleitschirm drin? Wollen Sie fliegen?“ (Norman: und was die Leute zu Annes Trümmer sagen würden, werden wir wohl nie erfahren, denn ich habe trotz realistischer Transportideen 16“-Nebelhorn-Transport-Verbot von ihr…) Der Himmel präsentierte sich überwiegend bedeckt und wolkenverhangen, doch ein paar blaue Lücken zeigten sich trotzdem durch die Scheiben der Bahn. Ganz allein waren wir nicht; unsere „Mitgondelanten“ nutzten die letzte Rauffahrt, um noch einmal mit ihren Schirmen ins Tal zu gleiten.

    <i><font size="1">Klickaufsbild: Wolkenpanorama von Norman</i></font id="size1">


    In der Station Höfatsblick war es recht leer – na klar, für die Betreiber ging der Arbeitstag zu Ende, weil die Touris schon wieder unten waren, und das Küchenpersonal räumte den Speiseraum auf. Ein paar versprengte Wanderer schlenderten draußen noch gemütlich über den Platz. Der Blick ging auf die Wetteranzeige: Temperatur am Gipfel 7°C, Windgeschwindigkeit 13 km/h. Na, schaun mer ma. Zunächst hieß es, die 130 Höhenmeter zum Plateau zurückzulegen, Normans Lieblingsplatz. Was für ein Geschleppe, vor allem für ihn, der den 30-kg-Rucksack, das Gestänge und eine schwere Tüte den steilen Weg raufhievte. Unvorstellbar für mich; keine Ahnung, wie er das macht. (Norman: Was Anne hier verschweigt - ich habe permanent gejappst wie ein Marathonläufer beim Zieleinlauf und musste mich dreimal hinsetzen. Die Höhe von 2000 m merkt man eben dann doch bei phasenweise 20% Steigung.) Zumindest wurde uns ziemlich warm, trotz der kühlen Luft. Nach gut 20 Minuten, gegen 17:15 Uhr, waren wir letztendlich oben angekommen und wurden vom fantastischen, wolkenumsäumten Bergpanorama in Empfang genommen – und von etwa 30 Gemsen, die keine Hundert Meter von uns entfernt ihr Abendessen mümmelten, uns neugierig beäugten, sich aber ansonsten nicht von uns stören ließen. Toll, so etwas hatten wir noch nie erlebt! (Norman: Die Gemsen waren nicht die einzigen, die mümmelten – ich habe ein einschlägiges Beweisphoto gewisser Ähnlichkeiten und meine sogar, damit die Erklärung gefunden zu haben, weshalb die Gemsen sich an uns nicht störten…. Wir gehörten zur Familie! Es waren übrigens Jungtiere dabei, die hin und wieder ‘nen Schluck Milch nehmen durften… Apropos - ich habe mal wieder sinnlos Verpflegung den Berg hochgeschleppt - zum Beispiel einen Liter Kakao, 250 g Kekse, 300 g Gummitiere, 1 l Schorle, eine Packung Müsliriegel usw. … also knapp 3 kg. Das kommt dabei raus, wenn man wetterbedingt lange nicht mehr planen musste...)

    <i><font size="1">Die Gemsen</i></font id="size1">

    <i><font size="1">Abendessen</i></font id="size1">


    Leider versteckte sich die Sonne hartnäckig, und auch der Wind war spürbar. Nicht allzu stark, aber kräftig genug, um mich bald schon frösteln zu lassen. Wir genossen die gute Fernsicht (vor allem der mächtige, knapp 8 km entfernte Hochvogel im Südosten war beeindruckend) und machten Fotos. Leider war der Spaß für mich bald vorbei, als ich feststellte, dass ich die SD-Karte daheim gelassen hatte und sich der knappe interne Kameraspeicher bedrohlich schnell füllte. Maaaaaaanno, ausgerechnet diesmal, wo es doch so viele schöne Motive geben würde! Naja, umso fleißiger war Norman bei der Sache. Irgendwie muss man die Zeit ja rumkriegen, und bis zum Sonnenuntergang war es noch ein Weilchen hin. Ich machte zunächst ein erstes Abendbrot, sortierte mein Zeugs, beäugte unsere „Nachbarn“ und ging umher. Ein zwischenzeitlicher Spaziergang zu der Skiwacht-Hütte, gut 100 m entfernt, ergab, dass man dort im Windschutz stehen würde, falls es nicht mehr abflauen sollte. Eine Mütze gegen die Kälte war rasch notwendig.


    <i><font size="1">Klickaufdiebilder: Die Dämmerung kommt</i></font id="size1">


    Der imposante Hochvogel wurde Verursacher eines wunderschönen Schauspiels: Die aus Norden heranrasenden Föhnwolken stauten sich weit oberhalb der Bergspitze, flossen gewissermaßen wie eine Welle darüber hinweg und fielen hinter dem Gipfel wieder nach unten. Später, als die tiefstehende Sonne durch die Decke brach und ihr warmes, goldenes Licht die Szenerie flutete, wurde jene beständige Wolkenwelle rosa angeleuchtet. Tief am Südhorizont war eine abrupte Kante in der parallel verlaufenden Wolkenschicht zu sehen, unter der der Himmel klar war. Die fernen Gipfel, die dort noch über die nahen Gebirgsketten herausragten, schienen in einem kalten Eisblau. Wie Scheinwerfer auf der nebligen Bühne eines Rockkonzertes schossen die Sonnenstrahlen wirr durch die niedrigen Wolken, die im Südwesten das Tal von Oberstdorf einhüllten. Und die ganze Landschaft, das komplette Bergpanorama vor unserer Nase, glühte regelrecht in den knalligsten Orange-, Rot- und Pinktönen. „Das ist der unglaublichste Sonnenuntergang, den ich je gesehen habe“, stellte ich fest und ärgerte mich über den knappen Speicherplatz. Norman: „Das erinnert mich irgendwie an La Palma“ – sprachs und schoss unzählige Panoramen.

    <i><font size="1">Klickaufsbild: Die Szenerie</i></font id="size1">


    Er hatte bereits angefangen, den Dobson aufzubauen, doch da der Wind nicht nachlassen wollte, beschlossen wir, also tatsächlich zur Skihütte umzusiedeln. Das ganze Equipment war rasch transportiert und auf allen vier Bänken ausgiebig und verschwenderisch verteilt. „Ich habe Angst, das morgen früh wieder einpacken zu müssen“, meinte ich, und Norman versuchte, den Überblick zu behalten: „Die Bank nehmen wir als Schreibtisch, die hier für die Ausrüstung, hier kommt die Verpflegung hin…“ Im Schutze des Gebäudes verlor der kühle Wind an Kraft und mir wurde regelrecht warm. Eine gute Entscheidung. Zwischenzeitlich hatte auch das Lichtspiel geendet und die grauen, tristen Wolken hingen schwer am Himmel. Meteomedia hatte sogar Regen für den Abend vorausgesagt, und wir hofften, dass dies nicht eintreten würde…


    Jedenfalls riss die Decke für die nächsten Stunden nicht merklich auf. Norman justierte sich in seinem Perfektionismus beinah zu Tode, gratulierte sich selbst zu seiner neuen Streulichtschutz-Konstruktion und kaute danach auf seinem wohlverdienten Abendessen. Der Dobson parkte unter der Überdachung und wir saßen wartend auf der „Sitz-Bank“, während sich um uns die sternlose Nacht herabsenkte. Ich konnte mir irgendwie schwer vorstellen, dass wir die nächsten 12 Stunden hier verbringen sollten – wie autoverwöhnt ich doch bin! Über den östlichen Berghang des Nebelhorngipfels zog regelmäßig das Flackern mehrerer Punkte eines grünen Lasers her, der vom Höfatsblick stammen musste und an den Felsen des Nebelhornmassivs entlangstrich, doch über dessen Sinn und Zweck konnten wir nur rätseln. Mich müdete und eine große, stabile Lücke war nicht in Sicht, weswegen wir Isomatten und diverse weiche, großflächige Kleidungsstücke auf die Terrasse zerrten und uns unter den warmen Schlafsack verkrochen. Ich war mehrfach am Wegdämmern, doch die Blicke in den nur sporadisch mit Wolkenlöchern durchsetzten Himmel hielten mich wach.


    Gegen halb 1 tat sich eine größere Lücke auf und voller Tatendrang machten wir uns ans Werk. Norman peilte in den Pegasus, um <font color="yellow">UGC 12914/5</font id="yellow"> einzustellen, die sog. <font color="yellow">„taffy galaxies“</font id="yellow">. „Müssen es zum Einstieg denn gleich diese schwachen Dinger sein?!“ Jo. (Norman: Nanananana! Anne übertreibt mal wieder… zuvor wollte ich den moderaten Cheesebürger-PN einstellen, aber dann kam doch noch eine Wolke und hat mir den Versuch vermiest - also schnell weiter Richtung Süden gehoppt, wo es frei war…und ein neues Objekt hergenommen. Danke an Robert an dieser Stelle nochmal für den Tipp! Übrigens ist dieses Pärchen leicht auffindbar im DeepSky-Reiseatlas dargestellt.) Beim Blick durchs Übersichtsokular zeigte sich, westlich eines helleren Feldsterns, ein einfacher, undefinierbar geformter Nebel. Zu mehr reichte die Beobachtung nicht, da die Wolken das große Fenster wieder schlossen und wir blöde in die Röhre schauten. Prima. Vor allem Norman ärgerte sich. Och, Mennoooo! (Norman: Ja das war übel… da hat der Himmel uns schön ver…t - auf breiter Front kam der klare Himmel herein und mobilisierte in uns sämtliche Geister, aber offensichtlich mit einer Portion Siff im Schlepptau, zunächst noch unsichtbar hinter der nordöstlichen Bergwand versteckt…) Als sich in der Folgezeit weiterhin nichts tat, verkrümelten wir uns gegen halb 2 wieder unter den Schlafsack und warteten. [|)]


    Während Norman, nach eigener Aussage, mehr oder weniger im Wachzustand vor sich hindämmerte und versuchte, mittels Smartphone die aktuellen Sat-24-Bilder und Meteomedia-Prognosen auszuwerten (Norman: ein extrem teures Unterfangen, wenn man keine Ahnung von Roaming und Netzgeschichten hat, wie ich feststellen durfte), studierte ich eine Karte jener antarktischen Region, in der ich gerade ein 6-monatiges Praktikum durchführte. Keine Ahnung, worum es ging. Ich wohnte in einem niedlichen Häuschen mit kleinem Garten und bekam Besuch von Norman. Wir saßen im Dunklen auf der Veranda, als ich von links ein Schnarchen hörte. „Oh-oh, da ist ein schlafender Eisbär im Garten!“, sagte Norman und bedeutete mir mit hektischen Gesten, leise zu sein, damit der Bär nicht aufwachte. Leider vergebens. Plötzlich griff uns das riesige Tier an und baute sich brüllend vor uns auf, doch anstatt die Flucht zu ergreifen, stellte ich mich der Herausforderung und kämpfte wie ein Mann – erfolgreich! Der Eisbär lag, größtenteils zu Staub zerfallen, in meinem blauen Wäschekorb, den ich mehrfach quer durch den Garten schmiss, und ich war stolz über meinen Sieg. Von Norman jedoch kam kein Lob, sondern nur der unsinnige Satz: „Anne, wach auf! Sternenhimmel!“ … Häh?

    <i><font size="1">Klickaufsbild: Der Winter ist da</i></font id="size1">


    Im nächsten Augenblick lag ich wieder am Nebelhorn, eingemummelt unter dem Schlafsack, und sah einen dunklen, klaren Winterhimmel. Orion, Fuhrmann, Plejaden und Co… Ich fluchte und blickte auf die Uhr: Halb Vier. Ja Wahnsinn, das waren fast zwei Stunden Schlaf! Zwar war ich noch leicht verstört von dem Eisbär-Traum, fühlte mich aber erstaunlich fit, erholt und war bereit für alles, was nun kommen mochte. Auf geht’s! Norman stand schon längst am Teleskop und peilte durch den Sucher, um irgendwas anzusteuern, das er im Atlas gefunden hatte. Die letzten Wolken zogen ab, die Wintermilchstraße in ihrer zarten Brillanz verlief am Orion vorbei und die Sterne funkelten nur wenig – gutes Seeing! Das SQM-L spuckte im Mittel zwischen 21,4 und 21,5 aus, und eine Grenzgrößenbestimmung im Triangulum ergab 6,9 mag. Mindestens – abzüglich „Getönte-Brille-Faktor“ werden es sicher 7,0 gewesen sein. Das Zodiakalband jedenfalls war kein Problem, vor allem im Bereich zwischen Widder und Stier auffällig.


    Bahn frei für Deep Sky! Norman stellte <font color="yellow">NGC 1579</font id="yellow"> ein, eine Nebelregion im Perseus. Hell und auffällig, in rundlicher Gestalt. Bei etwas höherer Vergrößerung oval bzw. sogar eckig wirkend. Die auf Fotos markanten dunklen Bänder erschlossen sich mir nicht, doch ein Helligkeitsgefälle von Nord nach Süd war zu erkennen.
    Norman ging nun in den Cepheus und peilte eine Konstellation aus Sternhaufen (bzw. gleich 2) und einem Reflexionsnebel an. Der OC <font color="yellow">NGC 7142</font id="yellow"> war ziemlich groß und mit vielen schwachen Sternen bestückt, die dicht beieinander standen, sich aber zum Zentrum hin nicht sonderlich stark konzentrierten. Die Form war interessant und glich wie einer flächigen, dreigliedrigen Vogelkralle oder einem Entenfuß. An den Spitzen der Glieder, die in den Süden ragten, standen jeweils die hellsten Sterne des Haufens. Im 8er-Ethos fand sich die optimale Vergrößerung und so war der Cluster aufgelöst in etwa 40 Sterne. Der nebulöse Nachbar, <font color="yellow">NGC 7129</font id="yellow">, präsentierte sich als längliche, „weiche“ Fläche, die fünf o. sechs Sternchen einhüllte. Nach Osten hin breiter wirkend und mit einer kompakten Verdickung versehen (oder war es ein weiterer Stern?); insgesamt tropfenförmig gestaltet. Westlich dieses hübschen Duos befand sich zudem der Asterismus <font color="yellow">Pothier 4</font id="yellow">. (Norman: wobei ich den Verdacht habe, dass ein wesentlich kleineres und schwächeres Objekt genau auf der anderen Seite des Duos der benannte Haufen war) Eine auffällige, längliche Gruppe aus 12 lose verteilten und unterschiedlich hellen Mitgliedern, die sich in einem Parallelogramm gruppierten. Unspektakulär. Aber immerhin.
    Anschließend sollten es nochmal die <font color="yellow">„taffies“</font id="yellow"> sein, und diesmal war ihnen mehr Beobachtungszeit vergönnt. Wieder erschien beim hellen Feldstern der Nebelklumpen, der sich in zwei enge, ovale Galaxien mit ähnlicher Kipprichtung aufdröselte. Der östliche Kollege wirkte „gedrungener“ als der Nachbar. Eindeutig und problemlos, aber schwach und ohne Details oder Strukturen.


    Während Norman über dem Atlas brütete, erfreute ich mich an etwas Einfachem – den <font color="yellow">Plejaden</font id="yellow"> und der weiten Reflexionsnebellandschaft von Merope. Hach, „Reflexionsnebellandschaft“ – schönes Wort… Und wenn wir schon mal bei den Messier-Klassikern waren, musste auch <font color="yellow">M 42</font id="yellow"> dran glauben. „Grün“, sagte Norman, „und so rostbraun, die Kante bei der Huygens-Region.“ Ich geriet in helle Aufregung – einen grünen Orionnebel kenne ich, aber diese braune Farbtönung hab ich noch nie gesehen. Doch auch diesmal nicht. Was er als „auffällig“ beschrieb, blieb mir verborgen. Eventuell schien mir die südliche Schwinge dezent schmutzig-braun, aber es war wohl eher Wunschdenken. Nichtsdestotrotz – M 42 war bei diesem Himmel natürlich durchaus ein ansehnliches, hübsches Ding.

    <i><font size="1">Klickaufsbild: Zodiakallicht im Osten</i></font id="size1">


    Auf meinen Vorschlag hin, weil das Seeing so „PN-tauglich“ war, entschieden wir uns nun für den <font color="yellow">Eskimo-Nebel</font id="yellow">, den ich einstellen durfte. „Hab ihn!“ (Norman: ich war geschockt - Anne als PN-Muffeline findet das Teil sofort und ich habe es noch nicht mal geschafft, die richtige Seite im Atlas aufzuschlagen!…) Für Norman brach nun ein feierlicher Moment an: Die Premiere seiner kürzlich erworbenen 2,5x-Powermate. Und wir waren völlig von den Socken, was <font color="yellow">NGC 2392</font id="yellow"> bei 600-facher Vergrößerung an Details preisgab. Der innere Ring, für dessen charakteristische Form es keine mir bekannte Bezeichnung gibt, war klar und scharf von der runden „Kapuze“ abgegrenzt und umgab den hellen Zentralstern. Der innere Ring schien mir im westlichen Bereich heller und beinahe „knotig“, was im Nachhinein aber eine Täuschung war. (Norman: und ich war von den Socken, hohe Vergrößerungen bei tollem Seeing mal ohne Wind genießen zu dürfen. STÄNDIG hats bei meinen letzten Bergexkursionen irgendwie Wind gehabt. Meistens sogar in reichlich ätzender Ausprägung. ENDLICH mal ruhiges Beobachten und Genießen von Details! Was trivial klingt, war für mich eine einschlägige grandiose Erfahrung!)


    Irgendein Tier röhrte oder jammerte einige Male unten im Tal; klang irgendwie elchähnlich. Und abgesehen von der Windfahne, die 50 Meter entfernt im weiterhin stetig-schwachen Wind vor sich hin quietschte, war es komplett ruhig in der Gegend. Herrlich. Norman war hellauf begeistert von seiner Powermate und verkündete: „Ich mach‘ mal was ganz Absurdes: Orionnebel mit 600fach!“ Was beim hochstehenden Eskimo noch super klappte, war bei M 42 aber schon zu viel des Guten. Das Zentrum war bei der Vergrößerung zu flau und verwaschen. Im Osten feuerte bereits das pyramidenförmige Zodiakallicht hoch, verkündete die bald einsetzende Dämmerung und der helle Jupiter stand mittendrin.
    Ich blätterte im Atlas nach irgendeinem Objekt und stieß auf <font color="yellow">Abell 12</font id="yellow">, in der Nähe von Beteigeuze. „Nee, den hab ich schon versucht“, sagte Norman. „War nix zu machen. Geht nicht ohne Filter.“ Das war mein Stichwort und ich feixte: „HAA! Haaa!“ Heimlich hatte ich meinen O[III]-Filter mit hinaufgeschmuggelt, um ihm Ruhm und Ehre zukommen zu lassen – schließlich war Norman ein konsequenter Nebelfilterverweigerer Hm… Auch ein schickes Wort! (Norman: und wird’s auch bleiben, da er z. B. grüne Sterne nicht leiden kann). Ja, also Abell 12. Im 8er-Ethos und mit eingeschraubten O[III] war der PN als nordwestlicher, runder „Auswuchs“ des Lichthofes um My Orionis zu erkennen. (Norman: der Nebelfilterverweigerer stellte für sich fest, ohne Filter sieht man den PN tatsächlich auch und fast genauso gut. Ist vielleicht auch ein bissel Trotz dabei…) Die komplette Scheibe löste sich nicht heraus, es blieb zum Teil mit dem Hof verschmolzen und zeigte ansonsten keine weiteren Details.


    Als ich gerade mit Papier und Stift am Okular stand, erhellten mehrere mörderische Flutscheinwerfer, die an der Bergstation unten standen, die gesamte Umgebung in ein helles Licht. Selbst das Nebelhorn und der benachbarte Bergkamm waren erleuchtet, als schiene satt der Vollmond drauf. Wir fluchten, denn von der Terrasse aus standen wir im direkten Licht und mussten das Teleskop umstellen. Dennoch strahlte der Scheinwerfer stark empor und versaute uns regelrecht den gesamten Südhimmel. (Norman: wobei ich im Okular erstaunlicherweise nicht viel davon bemerkte, nur in einem bestimmten Winkel fanden die Scheinwerfer ihren Weg durch irgendeine Ritze im neuen Streulichtschutz. Dafür aber umso unerklärlicher, denn da stand der Dob schon außerhalb des direkten Lichts.) Trotzdem, Abell 12 wollte ich mir nicht nehmen lassen… (Norman: Anne zeichnete und ich fand währenddessen die angeleuchteten Berge sogar ganz spannend - aus fotografischer Sicht. So kann man den Sternenhimmel vor den gut strukturierten Bergen ablichten, wo diese sonst nur eine schwarze Silhouette wären.)

    <i><font size="1">Klickaufsbild: Illuminierte Berge</i></font id="size1">


    Am Höfatsblick „unten“ auf 1950 m herrschte reges Treiben, obwohl es erst halb 6 war. Was war los da? Man baute Bierzeltgarnitur und eine Bühne auf, da Bergandacht auf dem Programm stand. Wussten wir in dem Moment nicht; wir ärgerten uns nur. Naja. Die Morgendämmerung war angebrochen und nahm verdammt schnell zu, enthüllte ein paar zarte Schleierwölkchen im Nordosten und tauchte die nähere Umgebung in ein fahles Licht. Das Papier war erstaunlicherweise klamm, denn die Luftfeuchte hatte mehr oder weniger sprunghaft zugenommen – von 50% gegen Mitternacht auf 80% um 06:00 Uhr. Die letzten Blicke durchs Teleskop, noch weit bis in die Dämmerung hinein, galten dem herrlich strukturierten <font color="yellow">Jupiter</font id="yellow"> und seinen Monden (zwei links, zwei rechts).

    <i><font size="1">Die Mörderlampe am Höfatsblick</i></font id="size1">


    Es wurde heller und heller; das weitläufige Bergpanorama grenzte sich scharf von dem glasklaren, blauen Himmel ab. Bald striffen die ersten Sonnenstrahlen die obersten Berggipfel, und wir gingen zum Plateau zurück, um dem Schauspiel zuzusehen. Oben angekommen, feuerten sie uns bereits entgegen. „Photonen! Wärmt mich!“, rief ich und freute mich über den begonnenen Tag. Die Hänge rings um uns leuchteten im satten Gold und ein paar Gemsen standen schon wieder an den steilen Wänden, wo sie kleinere Steinlawinen lostraten. „Somewhere dawn is breaking, light is streak across the floor“, kam es mir von Bob Dylan in den Sinn. Die ersten frühen Wanderer stapften zum Nebelhorngipfel empor, ohne von uns oder dem Dobson, der noch neben dem Häuschen stand, überhaupt Notiz zu nehmen.



    <i><font size="1">Der Balkon</i></font id="size1">

    <i><font size="1">Guten MOOOOOORGEN!</i></font id="size1">


    Im Folgenden baute Norman das Teleskop ab und wir kramten unsere Sachen zusammen, um sie in Rucksäcke und Tüten zu verstauen (Norman: ich hatte Schiss, dass die in der Morgensonne auftauchenden Alpendohlen unsere Utensilien „garnieren“ oder in der Gegend verteilen würden). Im Sonnenlicht wurde uns bald warm. Kaum zu glauben – kurz zuvor fröstelte ich noch, und nun stand ich da in kurzen Hosen rum. Aufgrund des Events pendelten schon früh die ersten Gondeln zwischen Höfatsblick und der Gipfelstation. Wir lachten über die dicht aneinandergedrängten Menschenmassen, die sich hinaufchauffieren ließen. Doch die Müdigkeit fiel allmählich über mich her, und während Norman seinen Dobson verpackte, saß ich müde gegen das Geländer gelehnt und ließ mir träge die Sonne ins Gesicht scheinen.
    Auf geht’s! Der Abstieg war nicht ohne, denn der steile Weg verlangte Normans Oberschenkeln einiges ab. Ich machte mir eher Sorgen, dass die schottrigen Passagen mich ins Rutschen brachten und den restlichen Weg auf dem Hintern zurücklegen ließen. Aber alles ging gut. Auf dem Platz der Station herrschte mächtig Halligalli: Neugierige Touristen, Wanderer, Jungs von der Bergwacht, gestresste Bahnführer und wuselige Bauarbeiter gaben sich die Klinke in die Hand und bereiteten sich auf die Veranstaltung vor. Die dicht besetzten Gondeln brachten weitere Menschen aus dem Tal hinauf, während wir so ziemlich die einzigen waren, die hinunterfuhren, und sogar das Equipment auf einem Transportwagen ablegen durften. Gegen 09:30 Uhr erreichten wir das kühle Oberstdorf, wo uns eine lange Menschenschlange erwartete – alle standen am Einlass der Nebelhornbahn an. Ich freute mich, dass an meinem Auto kein Knöllchen klebte (Parkscheinpflicht galt ab 08:00 Uhr) und wir verstauten die Ausrüstung sorgfältig, ehe die Reise zur nächsten Station gehen sollte.

    <i><font size="1">Morgens, halb Zehne, inner Gondel - unsre ist schön leer...</i></font id="size1">


    Fazit dieser Nacht: Jammerschade, dass der Himmel erst so spät aufmachte und wir wenig Zeit für Deep Sky nutzen konnten. Doch die Eindrücke und auch das Dämmerungsspiel am Abend entschädigten für alles, sodass ich positiv an diesen Ausflug zurückdenken werde. Schließlich war es mein erstes „Norman-Bergbahn-Survival-Astro-Outdoor-Nebelhorn-Abenteuer“. Und laut seiner Expertise mit Bravour gemeistert – inklusive Nickerchen (Norman: das krieg ich nie vernünftig hin!) und gewonnenem Kampf gegen einen blutrünstigen Eisbären [B)]


    Viele Grüße und einen schönen Feiertag!
    Norman und Anne

  • Guten Morgen,
    nachdem ich die eigenen Beob. Veränderlicher Sterne an einen Sternfreund weitergeleitet hatte, bin ich in der Übersicht auf euren Bericht hier gestoßen.
    Ehrlich, ich bekam tatsächlich eine Gänsehaut ob des erlebend eurerseits.
    In so etwas muß man sich einfach mal reinversetzen. Man ist ja so gefesselt über eure Beob.-Eindrücke, einfach Klasse geschrieben !!


    Ich hier einen 12,5" Dobson mit 1524mm Brennweite sowie 25x100 Bino fürs Beobachten (Bockenem, Stadtrand im Garten "Beob.-Station" liegt auf 125m ü. N.N.)


    Gruß
    Guenther

  • Hallo Anne,


    das ist wieder eine sehr schöne Morgenlektüre, die ich mit viel Vergnügen gelesen habe.
    Ein Eisbär... das ist ähnlich schlimm wie mein Traum heute Nacht: jemand hat meinen 20-Zöller schief angefasst und
    umgeschmissen! Der Spiegel war herausgefallen und an der Seite war ein handgroßer Muschelbruch.
    Da bin ich schlagartig aufgewacht!


    Euere Ausbeute war trotz der kurzen Nacht ausreichend für einen prächtigen, bebilderten Beobachtungsbericht.
    Der war wieder sehr schön zu lesen und jetzt bald her mit Bericht Teil 2.


    cs
    Timm

  • Anne und Norman ein unschlagbares Team. Danke fuer die wundervollen Zeilen. Astronomie in solch einer unglaublich schoenen Naturgewalt. Bekomme echt Fernfeh ich hoffe ich komm irgendwann auchmal in die Berge. Aber zum Glueck treffen wir uns alle am Firmament, das enge Galaxienpaar UGC 12914/5 z.b. koennte ich am Samstag auf dem HTT beobachten.


    Liebe Gruesse
    Mathias

  • Hallo Guenther, Timm, Oliver, Mathias,


    vielen lieben Dank für das freundliche Feedback! Immer schön zu lesen, wenn es Leute gibt, die sich durch die überlangen Romane kämpfen, das lindert das schlechte Gewissen [:D]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">ich bekam tatsächlich eine Gänsehaut ob des erlebend eurerseits.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Für "Schriftsteller" natürlich ein tolles Kompliment... Danke [:)]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Da bin ich schlagartig aufgewacht!<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Kann ich mir gut vorstellen... Lass das mal bloß nicht wahrwerden. Solche Träume hatte ich aber auch schon. Ja so ist das nunmal, wenn man sich um sein Equipment sorgt [;)]
    Ja, war leider nur wenig verwertbare Zeit, aber dann versucht man natürlich, das Maximalmögliche rauszuholen. Daher bin ich mit der Ausbeute nicht unzufrieden.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Aber zum Glueck treffen wir uns alle am Firmament, das enge Galaxienpaar UGC 12914/5 z.b. koennte ich am Samstag auf dem HTT beobachten.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Das ist witzig. Da tritt einer (in dem Fall der Robert) einen Objekttipp los, und alle schauen irgendwelchen kleinen UGC-Galaxien hinterher [:D] Da hat der neue Visuellen-Fachgruppenleiter seine Aufgabe voll erfüllt.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Mit dem Wetter habt ihr ja richtig Schwein gehabt. <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Naja, hätt besser sein können... Vorm Losfahren waren die Prognosen deutlich optimistischer; schön, dass es dann überhaupt noch aufriss - man weiß ja nie, was sich das launische Gebirge so ausdenkt.


    Viele Grüße - Anne

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: WaWi</i>
    <br />
    Das ist witzig. Da tritt einer (in dem Fall der Robert) einen Objekttipp los, und alle schauen irgendwelchen kleinen UGC-Galaxien hinterher [:D] Da hat der neue Visuellen-Fachgruppenleiter seine Aufgabe voll erfüllt.


    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    In meinem fall war es anders hab Robert dazu "genoetigt" mir die zwei Galaxien in das Okular meines 18 zollers zu zaubern, ging dann auch recht zuegig und fand sie echt toll. Hab ja auch eine leidenschaft fuer enge GX paare. Zwei laengliche paare die fast uebereinanderliegen hatte ich bis jetzt noch nicht.


    Liebe Gruesse
    Mathias

  • Servus Anne!


    Deep Sky Hardcore von euch Beiden.Wow! Schön das ihr noch ein paar Stunden unter klarem Himmel hattet...
    Danke für die schöne Bilder und Bericht!


    Lg von Hajü

  • Servus Anne und Norman!
    Mit einem gewonnen Eisbärkampf kann ich nicht punkten, aber zaubern kann ich - - - manchmal.[;)] Du weißt schon!
    Na, mal im Ernst, Euer erstes gemeinsames "Norman-Dingbums-Nebelhorn-Abenteuer" ist ja fast wie "Die Begegnung der vierten Art", oder so ähnlich [:D]!
    Und das im Hochgebirge. Die Bilder vom Hochvogel mit den Föhnwolken, einfach grandios. Dazu Deine Beschreibung des Lichtspiels an den Bergen ist für mich nicht zu toppen. Selber hab ich in den Bergen solche Farben kaum gesehen, da habt Ihr ein einmaliges Naturereignis vor dieser Kulisse erleben dürfen.
    Ich wusste gar nicht, dass man auf dem Nebelhorn "schmuggeln" darf, ...also Anne, na na na [8D][8D]!?
    Schade ist, dass die astronomische Ausbeute für Euch sehr mager war, aber es kommt ja noch Teil 2, jaja![:p][:p]


    Grüße aus dem schönen Allgäu,
    in welchem das Nebelhorn steht,
    Roland[:D]


    P.S: Witzig wie genial, (die in Klammertexte von Norman), das kann nur von der Anne kommen.

  • Hallo Anne (und Norman),


    das war mal ein schön fesselnder Bericht. Besonders weil ich die Ecke aus diversen Urlauben kenne (so auch diesen August wo es total zugezogen und verregnet war). Das ist ja ein gigantischer Sonnenuntergang gewesen.


    "Norman-Bergbahn-Survival-Astro-Outdoor-Nebelhorn-Abenteuer“
    I like!


    Mich wundert es immer wieder wie man da oben eine Nacht im Herbst, oder gar Winter überleben kann. Mir wars im Sommer schon klamm da oben!


    So und nun lese ich den 2. Teil, aber da habe ich nicht so einen Bezug wie zu Oberstdorf und Nebelhorn.


    CS,
    Walter

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!