Sooo, Leute, ich hab mal wieder eine Helligkeitsanalyse für Komet ISON gemacht. Ich mach das alle paar Wochen, und leider sieht es jedes Mal schlechter aus. Das Ding krebst aktuell immer noch bei ca. 8. Größe herum. Hier mal die Lichtkurve seit Ende September:
Die Werte fitten ziemlich gut zu folgender Lichtkurve:
m=8.44 + 5 log delta + 4.33 log r
Wie gut das fittet, kann man erkennen, wenn man mal m-5 log delta als Funktion von log r aufträgt.
Es gibt offenbar einen linearen Zusammenhang, wie es sich gehört. Irgendwelche unstetigen Änderungen und Ausbrüche usw. gab es also bisher nicht. Lehrbuchmäßiges Verhalten, braver Komet, aber mit beschxxxxxxx Lichtkurve.
Wenn man mit dieser Helligkeitsformel einmal Helligkeiten bis zum Verschwinden in der Dämmerung rechnet, ergeben sich folgende Werte:
13.11.2013 7.6
16.11.2013 7.2
19.11.2013 6.8
22.11.2013 6.3
24.11.2013 5.9
Das alles unter dem Vorbehalt, dass der Komet einfach so weitermacht wie bisher. Da gibt es aber die Erfahrungstatsache, auf die John Bortle immer gerne hinweist: Kometen, die der Sonne relativ nahe kommen und eine schwächere Grundhelligkeit haben als 8.0, knicken in Sonnennähe lichtkurventechnisch gerne ein oder lösen sich ganz auf. Bisher weist auf letzteres aber noch nichts hin.
Aber: Wenn alles so bleibt, ist es weder ein großer Komet noch ein Jahrhundertkomet. Die maximale Helligkeit in absoluter Sonnennähe wäre im Bereich von +1 bis 0mag. Das würde interessant im SOHO-Bild sein, aber wohl kaum für erdgebundene Beobachter.
Man kann auch mal das völlig optimistische Szenario (für das es keineerlei Hinweis gibt) durchrechnen, was passieren würde, wenn der Komet HEUTE "zündet" und sein N auf von 4.33 auf 15 erhöht. Nur um mal zu sehen, was noch drin ist. Nun ja: Der Komet würde als Objekt gut 4. Größe in der Dämmerung verschwinden, aber dann am Tageshimmel neben der Sonne sehr hell werden. Allerdings wäre dann die Grundhelligkeit bei bortletechnisch ungünstiger 10. Größe.
Nach dem Perihel ist es natürlich alles Kristallkugel. Der Komet kann sich ganz auflösen, oder vielleicht (seien wir Optimisten) fragmentieren und mehr Staub und Gas freisetzen und dann doch noch hell werden. Rein stumpf formeltechnisch ergeben sich aber im Dezember folgende Helligkeiten
3.12.2013 5.5
6.12.2013 6.0
9.12.2013 6.2
24.12.2013 6.5
31.12.2013 6.9
Das könnte feldstechertechnisch ganz nett werden.
Die oben erwähnte unrealistisch-superoptimistische "morgen-wird-alles besser" Rechnung hätte den Kometen am Dezemberhimmel am 6.12. bei 3.0 mag. Jahrhundertkomet geht anders.
Aber vielleicht passiert ja beim Periheldurchgang noch was Dramatisches und Unerwartetes. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Also: Jahrhundertkomet erfolgreich abgesagt, vielleicht eine kleine Restchance im Dezember. Aber guckt mal alle auf Lovejoy. Der lohnt sich.
Ich habe übrigens das starke Kohoutek-Deja-Vue. Es ist alles so wie damals, sogar, dass die Medien die Lichtkurvenentwicklung (die sich seit Monaten abzeichnet) komplett ignorieren. Damals waren es allerdings die Tageszeitungen, heute eher die Astromedien. Sogar die Broschüren zum Thema haben etwa das gleiche Format und zeigen wieder einen Kreutz-Gruppen-Sungrazer auf dem Cover.
So, das ist meine derzeitige Einschätzung. Ich hoffe, ich irre mich gründlich, und ich muss mich im Dezember nicht um mein Geschwätz vom November kümmern.
Hartwig