Warum Kegelblende im Protuberanzenansatz?

  • Hallo,


    ich lese gerade das Buch "Die Sonne beobachten" von Klaus Reinsch, Rainer Beck, Heinz Hilbert und Peter Völker; Sterne und Weltraum.


    Dort wird ein Protuberanzenansatz zur Beobachtung der Corona beschrieben.


    Warum muss die Blende zur Abdeckung der Sonnenscheibe als Kegelblende ausgeführt sein? Der Beobachter blickt auf eine runde Silhouette, so dass eine Scheibe eigentlich ausreichen müsste.


    Ich könnte mir vorstellen, dass ein Grund darin liegt, dass eine Scheibenblende, selbst wenn sie geschwärtzt ist, ein wenig Licht zur Hauptlinse zurückzureflektieren. Was bei der Helligkeit der Sonne zu unschönen Reflexen führen würde. Eine geneigte Kegelfläche hingegen reflektiert in Richtung Tubuswand.


    Da in dem Buch aber keine explizite Begründung steht, bin ich mir nicht sicher, ob meine Überlegung richtig ist.


    Viele Grüße,
    Roland

  • Hallo Roland,


    wenn ich mich recht an das Protuberanzenfernrohr erinnere, mit dem ich vor mehr als 30 Jahren beobachtet habe, war die Kegelblende blank. Damit wird ca. 90% vom Licht aus dem Strahlengang reflektiert. Bei einer geschwärzten Blende wird die gesamte Lichtmenge am Ort der Blende in Wärme umgesetzt, du hast also einen starken Heizkörper mitten im Strahlengang. Ist für das Tubusseeing nicht gerade förderlich, selbst wenn es nahe an einem Fokus stattfindet.


    CS
    Arnold

  • Hallo Roland,


    eine Kegelblende besitzt zudem auch eine größere Oberfläche zur Aufnahme des gebündelten Sonnenlichts. Der Winkel des Kegels an der Spitze sollte nur nicht zu kleine sein, da sonst das Licht zum Teil über flache Reflektion durch die Hilfslinse kommt.


    Gruß
    Oliver

  • Danke für die Antworten,


    die Blende blank zu lassen, damit sie das Licht an die Außenwand reflektiert ist auch ein interessanter Aspekt. Diese liegt zwar auch sehr nah am Strahlengang und wird durch die auftreffende Strahlung erhitzt. Aber zumindest verteilt sich der Energieeintrag auf eine deutlich größere Fläche als die, die ein schwarzer Kegel bieten würde.


    Die Zeichnung im Buch sah auch Lüftungslöcher um die Blende herum vor.


    Viele Grüße,
    Roland

  • Hallo zusammen,


    Lyots erster Coronograph hatte übrigens eine geneigte Messingplatte, die das primäre Sonnenbild durch zwei Fenster an der Seite des Tubus herausgespiegelt hat (wobei diese Fenster so aufgebaut waren, daß von ihnen kein Reflex zurück in den Haupttubus fallen konnte.
    Siehe hier: (das ist die englische Übersetzung von Lyots Originalartikel, der 1932 in L'Astronomie, Bd. 46, S.272 ff., erschienen war; sie stammt aus dem Journal of the Royal Astronomical Society of Canada, Vol. 27, p.265)
    http://articles.adsabs.harvard…27..265L/0000265.000.html


    Die Kegelblende hat drei enscheidende Vorteile: einen fertigungstechnischen, einen bei der Justage, und einen optischen (das ist der entscheidende):
    - Da die Blende rotationssymmetrisch ist, kann man sie sehr leicht in guter Oberflächenqualität auf jeder Drehmaschine fertigen und polieren.
    - Die Einbaulage ist nicht durch eine einzuhaltende Reflexionsrichtung vorgegeben.
    - Die scharfe Kante liegt vollständig in der Brennebene des Objektivs: Die Kante erzeugt also einen definierten, scharfen und runden Schatten: bei einer schräggestellten Spiegelblende liegt ganz zwangsläufig ein Teil der Blende vor dem primären Sonnenbild, und ein Teil dahinter. Außerdem (und diesen Vorteil bekommt man quasi geschenkt) wird das einfallende Licht auf einen Zylindermantel verteilt: die Leistungsdichte um die Kegelblende herum nimmt mit dem Abstand von der optischen Achse ab. Je grösser der Tubus, umso einfacher sollte es also sein, die Wärme loszuwerden.


    Briefumschlag raus. Rechnen!


    Das primäre Sonnenbild hat bei der Brennweite f den Durchmesser d = f/109.
    Das Objektiv sammelt eine Leistungsdichte von S ~ 1000 W/m^2 ein, also mithin landet im Sonnenbild die Leistung
    P_in = S * D^2 * pi/4,
    worin D der Durchmesser des Objektivs ist.
    Man hat im primären Sonnenbild also eine Leistungsdichte von
    S_fok = P_in / A_Sonnenbild = S * D^2 * pi/4 / (f^2/109^2 * pi/4)
    Oder, einfacher:
    S_fok = S * (D/f)^2 * 109^2 ~ 11900 * S * (D/f)^2
    Für ein f/15-System, z.B. ist S_fok = 53 * S, m.a.W. dort kommen im primären Sonnenbild über 50 mW/mm^2 an!


    Dort muß also schon eine polierte Blende sitzen. Sonst hat man direkt verloren!


    Von der Kegelblende wird nun ein heller Ring auf die Tubusinnenwand geworfen, dessen Breite im Wesentlichen durch die Länge der Blende in Richtung der optische Achse gegeben ist (die Sonne hat ja nur eine Winkelausdehnung von einem Viertel Grad um die Achse herum: das vernachlässigen wir für diese Abschätzung. Damit ist der Reflex einfach nur ein Bündel paralleler Strahlen, das an der Blende reflektiert wird. Die endliche Ausdehnung der Sonne bringt einen kleinen Breitenzuwachs des Ringreflexes von D_Tubus/436 mit sich, also relativ wenig).


    Das Primäre Sonnenbild hat bei einer Brennweite von f einen Radius von
    R_Bild = f/218
    Damit ist dann die Länge der Blende (Öffnungswinkel alpha) in Achsrichtung
    l_Blende = R_Bild * ctan(alpha) = R_Bild * ctan(30Grad) = 1.73 * R_Bild = f/126


    Damit hat dann der Lichtreflex auf der Innenseite des Tubus (Durchmesser D_Tubus) eine Fläche von
    A_Reflex = l_Blende * U_Tubus_innen = l_Blende * D_Tubus * pi = pi * D_Tubus * f/126


    Wenn nun durch das Objektiv eine Lichtleistung von


    P_in = S * D_Obj^2*pi/4


    einfällt, dann ist die Leistungsdichte auf der Tubuswand, die durch den Reflex entsteht (wenn die Blende die Reflektivität rho hat):


    S_Reflex = rho * P_in/A_Reflex = rho * S * pi/4 * D_Obj^2 / (D_Tubus * f/126) = 99 * D_Obj^2 / (D_Tubus*f) * rho * S


    Beispiel:


    f = 1500 mm
    D_obj = 100 mm (100 mm f/15 - OK gibt's kaum noch, aber der Anschaung halber ;)
    D_Tubus = 120 mm
    S = 1200 W/m^2
    rho = 0.95 (polierte Blende, aluminiumbedampft)


    P_in = 9.4 W
    S_Wand = 99 * (100 mm)^2 / (120 mm * 1500 mm) * 0.95 * S = 5.2 * S ~ 5.2 mW/mm^2


    An der Wand entsteht also eine Wärmebelastung von 5.2 mW/mm^2, m.a.W knapp das fünffache der Solarkonstante.
    Das ist nicht gerade wenig. Man muß sich also in jedem Falle über die Wärmeabfuhr von dort durchaus Gedanken machen (z.b. innen und außen schwarz eloxierten Alu-Tubus verwenden, aktiv kühlen o.ä.).


    Jetzt wird auch klar, warum Lyot zunächst lieber die Nachteile der planen Blende in Kauf genommen hat.


    PS.
    Hier ist noch ein schöner Artikel zum Coronographen auf dem Pid du Midi:
    http://hal-sfo.ccsd.cnrs.fr/docs/00/36/14/00/PDF/CLIMSO.pdf

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