Können viele kurze Aufnahmen das Guiding ersetzen?

  • Nachdem ich demnächst aktiv in die Astrofotgrafie einsteige, eine ganz dämliche Laienfrage:


    Guiding ist ja für Langzeitbelichtungen unerlässlich, soweit ist mir das klar. Und mir ist natürlich auch klar, dass die Genauigkeit ohne Guiding von der Montierung und einem sehr exakten Einscheinern abhängt. Aber:


    Kann man mit vielen kurzen Aufnahmen ein Guiding "ersetzen"? Ich denke da an "sehr viele" Aufnahmen mit zb. 20-30 Sekunden und dass man damit etwa gleiche Qualität zu Stande bringen kann, als zb. mit "wenigen" geguideten Aufnahmen mit zb. jeweils 2-3 Minuten (Zeiten nur mal beispielsweise genannt)


    Zusatzfrage:
    Wenns denn überhaupt geht und Sinn macht, kann man dann eine grobe Aussage machen wie lang man ohne Guiding belichten kann?


    Zum Beispiel so: Bei Belichtungszeiten über 30s braucht man Guiding zwingend, bis 20s kanns noch klappen...

  • Hallo Peter,


    ich selbst fotografiere im Moment noch ohne Guiding. Also vielleicht kann ich dir wenigstens etwas aus dieser Sicht erzählen... Das Thema ist nämlich nicht ganz einfach und vielen Einsteigern wird zu einem Autoguider als "Pflichtausrüstung" geraten. Das ist bei eingeschränktem Einsteiger-Budget aber eher etwas was man sich für später aufheben kann. Auch wenn ein Autoguider empfehlenswert ist.


    Das Belichten vieler kürzerer Einzelbilder geht schon ohne Guiding, nur ist es in der Theorie nicht so effektiv wie eine einzelne Belichtung über den gleichen Zeitraum.
    Warum das so ist sollten dir lieber andere erzählen, da ich mich damit noch nicht wirklich beschäftigt habe. [;)]
    Aber wie viel Prozent macht das unterm Strich wirklich aus? -> k.A.
    Mich würde bei der ganzen Theorie mal ein reales Vergleichsbild interessieren bei dem man das Signal-Rausch-Verhalten gegenüberstellt.


    Trotz fehlendem Guiding bin ich mit meinen Ergebnissen im Moment schon fast zufrieden. Ich habe noch keinen getroffen dem das fehlende Guiding beim betrachten der Bilder aufgefallen ist.
    Unabhängig davon überlege ich dennoch auch auf Autoguiding umzurüsten, wenn ich mal genug Geld dafür übrig habe. Neben der Theorie, und der Vermutung dass da noch mehr gehen könnte, hauptsächlich wegen der anfallenden Datenmenge bei vielen Kurzbelichtungen. Das stört beim Stacken und sonstiger Verarbeitung nämlich schon etwas. Ist aber wohl eher ein Luxusproblem. =)



    Zur Zusatzfrage:
    Das kommt auf den periodischen Fehler deiner äquatorialen Montierung, deiner Teleskopbrennweite, der Pixelgröße der Kamera und der Entfernung des Objektes vom Himmelspol (in Grad) an.
    Zum Beispiel fotografiere ich mich 600mm Brennweite auf einer EQ-5-ähnlichen Montierung und einer EOS 500D. Ich kann den Polarstern annähernd unendlich lange belichten und beim Himmelsäquator (90° vom Polarstern, etwa Höhe vom Sternbild Orion) nur noch 30 Sekunden. Auf 45° (Großer Bär) gehen immerhin noch 60 Sekunden.
    Wenn ich mit der doppelten Brennweite fotografieren würde kann ich nur noch halb so lange belichten, da sich der Fehler dort auf doppelt so viele Pixel verteilt.
    Das hängt aber auch wieder vom persönlichen Empfinden ab was man noch als "runde Sterne" durchgehen lässt. Ich nehme prinzipiell so auf, dass ich keinen Ausschuss habe.


    Alles ist relativ. [;)]



    Viele Grüße,
    Patrick

  • Hallo Peter,


    klar kann man das Guiding durch viele kurzbelichtete Aufnahmen ersetzen, aber wiederum mit Vor- und Nachteilen.


    Vorteil kurzbelichteter Aufnahmen wäre, dass durch viele Aufnahmen und Stacken ein besseres Signal-/Rauschverhältnis zu erzielen ist. Und bei aufgehelltem Himmel wird dieser auf den Aufnahmen nicht zu hell, was wiederum die Bearbeitung etwas erleichtert. Auch als Vorteil wäre zu nennen, dass helle Sterne oder Bereiche in Nebeln nicht so schnell ausbrennen.


    Der Nachteil allerdings wäre folgender: Dein Chip (also nicht nur Deiner, sondern jeder) hat ein gewisses Grundrauschen. Bei kurzen Belichtungszeiten kannst Du auch nur einen Teil der Photonen einfangen, im Vergleich zu längerten Bel.-Zeiten. Diese wenigen Photonen (schwache Außenbereiche von Galaxien, schwache Sterne usw.) können dann im Rauschen untergehen, d.h. nicht mehr gut vom Rauschen getrennt werden. Mit längeren Bel.-Zeiten können an dieser Stelle mehr Photonen auftreffen, die sich dann über das Rauschlevel "erheben" und so besser davon zu trennen sind. Dadurch erreicht man mehr "Tiefe" im Bild. Je empfindlicher der Chip desto besser.


    Siehe auch hier:
    http://astrofotografie.hohmann…etechniken/belichtung.php
    und hier
    http://astrofotografie.hohmann…elichtung.astrokamera.php


    Und die Grenze, ab wo geguidet werden soll/muß, hängt von der Genauigkeit der Einnordung, der Genauigkeit der Nachführung und der Aufnahmebrennweite ab. Je genauer esrteres, desto länger kann die Brennweite sein oder desto länger kann man belichten. Hier im Forum gibts ja ungeguidete Aufnahmen von 90s, Monti und Brennweite müßte man aber nochmal recherchieren.


    Grüße,


    Ursus

  • Hallo Peter,


    ich bin auch nicht gerade der Crack, was die genaue Technik hinter CCD bzw. CMOS-Kameras angeht. Zwei Aspekte, die gegen die Kurzzeit-Belichtung sprechen, kann ich allerdings beisteuern:


    a) Pixelsättigung
    Je länger ein Pixel der Belichtung ausgesetzt wird, desto mehr Licht (oder Ladung) sammelt er. Wenn er von einem hellen Stern beleuchtet wird, ist schnell die Sättigung, also die maximale Ladung erreicht. Belichtet man darüber hinaus, werden auch die benachbarten Pixel - die nicht so stark beleuchtet werden - gesättigt. Dann spricht man davon, dass der Stern "ausbrennt". Lange Belichtungszeiten führen also zu hässlichen, fetten, ausgebrannten Sternen - aber...
    Wenn es kein heller Stern ist, der das Pixel beleuchtet - sondern ein schwacher Schleier eines Nebels. Dann braucht es eine gewisse Belichtungszeit, damit das Pixel überhaupt eine gewisse Ladung annehmen kann. DSLR-Kameras haben normalerweise eine Dynamik von 12Bit. Das bedeutet, es gibt 2^12=4096 Abstufungen zwischen Schwarz und Weiß (Sättigung). Wenn Du also 1h belichten müsstest, damit ein Pixel, welches von einem schwachen Nebel beleuchtet wird, gesättigt ist - dann hast Du bei einer Belichtungszeit < 0,87s überhaupt nichts auf dem Chip. Das bedeutet aber nicht, dass Du bei 0,87s Belichtungszeit ein vernünftiges Bild von dem Nebel gemacht hast - dieses Bild hat nämlich nur eine Dynamik von 1 Bit - mit Bildbearbeitung machst Du da gar nichts...
    Also - je länger Du belichtest, desto detaillierter wird die Abbildung schwacher Strukturen und desto stärker brennen helle Strukturen aus. Den Mittelweg zu finden, ist die Kunst dabei. Warum nicht mit kurzen Belichtungen anfangen? Du wirst die meisten Objekte ohnehin mehrfach knipsen - also später nochmal mit mehr Belichtungszeit und Guiding. Dann siehst Du den Unterschied. Man braucht ja auch immer noch Verbesserungspotential [:D]


    b) Ausleserauschen
    Es gibt ja so diverse Störeinflüsse - dazu gehören u.a. zwei Arten des Rauschens deiner Kamera. Rauschen ist immer schädlich und muss durch Addition mehrerer Aufnahme herausgemittelt werden. Die eine Art des Rauschens ist das thermische Rauschen des Chips bei Langzeitbelichtung. Das minimierst Du natürlich, wenn Du dich auf kurze Belichtungen beschränkst. Die andere Art des Rauschens ist das Ausleserauschen, welches sich bei jedem Auslesen des Chips ins Bild mischt. Dieses Rauschen maximierst Du mit vielen kurzen Belichtungen. Auch hier gilt es wieder einen Mittelweg zu finden. Im Winter wird man eher lange belichten, da das thermische Rauschen durch die niedrige Außentemperatur nicht so stark ist. In lauen Sommernächten belichtet man (wenn's geht) lieber kurz...


    Wie gesagt - fang ruhig mit kurzen Belichtungen an und sehe, wie weit Du kommst. Ich habe schon erstaunliche Ergebnisse mit kurzen DSLR-Belichtungen gesehen (dabei sollte man dann aber an die Spiegel-Vorauslösung denken). Irgendwann wird es dann wohl doch einen Guider geben und dann kommen die langen Belichtungszeiten an die Reihe.


    Ich würde einfach mal darauf achten, wenn hier oder in anderen Foren eine ST-4 angeboten wird. Das Ding ist in Punkto Bedienung etwas kompliziert, bringt aber immer noch super Ergebnisse und ist oft um die 150,- zu haben...


    Gruß
    Klaus

  • Hallo,


    ich möchte hier nur kurz auf den User "30sec" eingehen. Dieser präsentiert uns hier immer wieder sehr schöne Bilder und das mit vielen kurzen Belichtungen...


    Schau sie Dir mal an, es lohnt sich.


    Gruß Roland

  • Hallo


    bei den Kameras die 30s verwendet lohnt es sich eigentlich gar nicht, während ich 5 Jahre lang mit einer 1000D fotografiert habe, die mich 250€ gekostet hat müsste er inzwischen theoretisch mehr wie 5000€ ausgegeben haben. Macht man jetzt 10000 Bilder je Objekt in einer Nacht ist ist nach 10 Bildern mit hoher Wahrscheinlichkeit der Verschluß defekt, da freut sich der Canonhändler, vor allem wenn es eine mit Vollformatchip war, die sind nämlich dank der größeren Pixel wesentlich empfindlicher als alles zwischen 300D und 850D mkosten aber auch 2000€ aufwärts, wöfür man locker eine gute Montierung und Guidecam bekäme. Wenn es nicht einfach dumm ist dann ist es radikaler Extremismus oder ein Fotohändler.


    Gruß Frank

  • Soviel ich weiß, ist "30sec" auch von den Kurzbelichtungen mit DSLR weg und benutzt mittlerweile eher eine DFK. Die hat keinen Verschluss [8D]


    Aber ja - die Ergebnisse waren schon erstaunlich...


    Gruß
    Klaus

  • Vielen Dank für die ausführlichen Infos!
    Als Kamera habe ich mich für eine EOS 60D entschieden. Als Objektiv kommt das EF-S 200mm 2.8 L USM zum Einsatz. Ans Teleskop wage ich mich erst wenn ich genug Erfahrungen gesammelt habe. Astroumbau ist aktuell noch nicht geplant, weil ich die EOS auch für Tagesfotografie noch ausgiebig nutzen will.


    Dann konzentriere ich mich mal auf kurze Belichtungen um die 30s und schau mal was dabei rauskommt... In einen Guider (sagt man das so?) will ich vorerst nicht investieren. Die Ausgabe für die 60D, Objektive und Zubehör muss erstmal verkraftet werden. Zudem möchte ich mich erstmal ohne Guiding ins Thema finden. Zuviel mit Technik rumspielen stört da sicher anfangs mehr als es fürs Verstehen und Lernen der Basics nützt. ;)


    Wenn das Wetter hier endlich mal wieder Sterne durchlässt, bleibt das Teleskop sicher des öfteren im Gartenhaus und die OES darf dann zeigen was sie kann...

  • Hallo Peter,


    mit der Montierung und der kurzen Brennweite ist mehr als 30 Sekunden drin, das wirst du schnell feststellen.
    Bei mir gehen auf einer Monti der EQ-5 Klasse mit 480mm 120sec ganz ohne Probleme. Die Montierung muss halt vernünftig eingenordet werden. Ich erinnere mich, dass ich von 63 Einzelbildern für diesen Herznebel kein einziges aussortiert habe. Daher muss es so extrem kurz gar nicht werden. Es gibt genug Motive, die man ohne Guiding gut und vernünftig erreichen kann. Um nebenbei auch noch einen Laptop, Guider etc. zu betreiben fehlt mir persönlich die Motivation.


    Ach ja, meine olle 350D hat jetzt mindestens 50.000 Auslösungen. Eher mehr, denn ich ziehe bei NLC oder Polarlicht-Überwachungen häufig 500-900 Bilder pro Nacht durch. Bis jetzt hält die durch und hat ihren Preis mehr als gerechtfertigt...


    Gruß,
    Anke


    edit: Ergänzung

  • Hallo Peter,


    auch ich habe lediglich diverse Canon Objektive mit Brennweiten von 18mm - 400mm und fahre ohne guiding. 120 sec. sind bei mir auch ohne guiding drin bei 400mm.


    Ich spare zwar schon auf einen Newton und Autoguider aber bis dahin werde ich natürlich weiterhin so arbeiten. Am schwierigsten finde ich den Fokuspunkt per Liveview exakt zu treffen da die Einstellung am Objektiv echt zur Geduldsprobe ausartet. Man dreht hin und her, gaaaanz vorsichtig, macht ein Testfoto und fängt of wieder von vorne an. Wenn der Fokus nicht richtig sitzt dann sehen die Sterne auch schneller ausgebrannt aus....jedenfalls meine Erfahrung.


    Aber es lohnt sich in jedem Fall erst mal klein einzusteigen (das meine ich nicht preislich) und später wird man sowieso aufrüsten.


    Ich versuche, bei Galaxien zumindest, immer auf 1-2 Std Gesamtbelichtung zu kommen. Da ich meistens 120 sek. belichte, benötige ich auch nicht Unmengen an Auslösungen. Mein erster M51 waren 18 stackbare Bilder zu je 180 sek. mit leicht eierigen Sternen bei 400mm .... ich war erstaunt was da schon alles rauskam.

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