Neue Messungen nageln die Entfernung der LMC fest

  • <b>Nach fast einem Jahrzehnt sorgfältiger Beobachtungen konnte ein internationales Astronomenteam unter Beteiligung von Jesper Storm vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke, der nächsten Nachbargalaxie unserer Milchstraße, so präzise wie nie zuvor bestimmen. Diese neue Messung verbessert auch unser Wissen über die derzeitige Expansionsrate des Universums - die sogenannte Hubble-Konstante – und ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Natur der mysteriösen Dunklen Energie, die die Ausdehnung noch weiter beschleunigt. Die Wissenschaftler nutzten neben weiteren Teleskopen überall auf der Welt auch die am La Silla-Observatorium der ESO in Chile. Die Ergebnisse ihrer Studie erscheinen in der Ausgabe vom 7. März in der Fachzeitschrift Nature.</b>


    Astronomen bestimmen die Größenskalen des Universums indem sie zunächst die Entfernungen zu nahegelegenen Objekten vermessen und sie im Anschluss als Standardkerzen [1] verwenden, um die Abstände zu noch weiter entfernten Objekten im Kosmos zu ermitteln. Die gesamte Kette der kosmischen Entfernungsleiter ist allerdings nur so präzise wie ihr schwächstes Glied. Bis vor kurzem ist es nicht gelungen, die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke (engl. Large Magellanic Cloud, abgekürzt LMC), eine der nächsten Nachbargalaxien unserer Milchstraße, exakt zu bestimmen. Da die Sterne in dieser Galaxie verwendet werden, um die Entfernungsskala zu den weiter entfernten Galaxien festzulegen, ist ihre eigene Entfernung von sehr großer Bedeutung.


    Sorgfältige Analysen der Beobachtungen einer seltenen Klasse von Doppelsternen haben einem Astronomenteam nun erlaubt, einen präzisen Wert für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu ermitteln: 163.000 Lichtjahre.


    „Ich freue mich sehr, dass uns das gelungen ist“, sagt Wolfgang Gieren von der Universidad de Concepción in Chile, einer der Leiter des Teams. „Einhundert Jahre lang haben Astronomen versucht die Entfernung zur Großen Magellanschen Wolke so genau wie möglich zu messen. Es hat sich als unglaublich schwer herausgestellt. Jetzt haben wir dieses Problem endlich lösen können, und das mit einem Ergebnis, das auf 2% genau ist.”


    Die Verbesserung der Messgenauigkeit für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke führt auch zu genaueren Entfernungswerten für viele Cepheidensterne [2]. Diese hellen, pulsierenden Sterne werden als Standardkerzen verwendet, um die Entfernungen weiter entfernter Galaxien zu bestimmen und die derzeitige Expansionrate des Universums zu ermitteln, die auch als Hubble- Konstante bezeichnet wird. Die Hubble-Konstante wiederum ist die Grundlage der Durchmusterung des Universums bis hin zu den fernsten Galaxien, die man mit den heutigen Teleskopen beobachten kann. Die präzisere Entfernung der Großen Magellanschen Wolke reduziert damit auch die Ungenauigkeit derzeitiger Messungen kosmologischer Entfernungen.


    Um die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu bestimmen, beobachteten die Astronomen seltene, eng beieinander stehende Sternpaare, sogenannte Bedeckungssveränderliche [3]. Während ihres gegenseitigen Umlaufs sieht man die Sterne jeweils vor ihrem Partner vorbeiziehen. Von der Erde aus gesehen sinkt dabei die Gesamthelligkeit des Systems ab, und zwar sowohl während der erste Stern vor dem zweiten vorbeizieht als auch andersherum, wenn auch um einen anderen Anteil [4].



    Künstlerische Darstellung eines Bedeckungsveränderlichen. Illustration: ESO/L. Calçada


    Über sorgfältige Messungen dieser Helligkeitsänderungen bei gleichzeitiger Bestimmung ihrer Umlaufgeschwindigkeit kann man die Größe der Sterne, ihre Masse und weitere Informationen über ihre Umlaufbahnen ermitteln. Kombiniert man dies mit der Gesamthelligkeit und den Farben der Sterne [5], lässt sich ihre Entfernung sehr genau berechnen.


    Diese Methode hat man zwar zuvor bereits verwendet, allerdings nur mit heißen Sternen. In diesem Fall müssen dann bestimmte Annahmen gemacht werden, so dass die ermittelten Entfernungen nicht so präzise sind wie gewünscht. Jetzt hat man erstmals acht extrem seltene Bedeckungsveränderliche identifizieren können, bei denen beide Sterne kühle Rote Riesen sind [6]. Diese Sterne wurden daraufhin besonders sorgfältig untersucht. Sie liefern besonders genaue Entfernungswerte mit einer Unsicherheit von nur noch 2%.


    „Die ESO hat genau die Teleskope und Instrumente, die man für dieses Projekt benötigt: den HARPS-Spektrografen für hochpräzise Radialgeschwindigkeitsmesungen auch schwacher Sterne und SOFI für Helligkeitsmessungen im Infraroten”, erläutert Grzegorz Pietrzy#324;ski von der Universidad de Concepción in Chile und dem polnischen Obserwatorium Astronomiczne Uniwersytetu Warszawskiego, der Erstautor der Studie, die nun in der Fachzeitschrift Nature erscheint.


    „Wir arbeiten daran, die Methode weiter zu verbessern und hoffen so innerhalb weniger Jahre auf eine Unsicherheit von nur noch 1% für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu kommen. Das hätte nicht nur weitreichende Auswirkungen für die Kosmologie, sondern für viele Bereiche der Astronomie”, schließt Dariusz Graczyk, der Zweitautor des Nature-Artikels.


    Endnoten


    [1] Mit dem Begriff Standardkerzen bezeichnet man Objekte bekannter Leuchtkraft. Da weiter entfernte Objekte lichtschwächer erscheinen, können Astronomen durch die Messung der beobachteten Helligkeit ihre Entfernung bestimmen. Beispiele für solche Standardkerzen sind Veränderliche vom Typ der Cepheiden [2] und Supernovae vom Typ Ia. Die Schwierigkeit bei dieser Methode liegt in der Kalibration der Entfernungsskala. Dazu werden üblicherweise besonders nahegelegene Exemplare mit anderen Methoden vermessen.


    [2] Cepheiden sind helle, instabile Sterne, die pulsieren und daher periodisch ihre Helligkeit ändern. Zwischen der Pulsationdauer und ihrer Leuchtkraft existiert ein eindeutiger Zusammenhang: Cepheiden mit kurzer Pulsationsdauer sind weniger leuchtkräftig als solche mit langer Pulsationsdauer. Diese sogenannte Perioden-Leuchtkraft-Beziehung ermöglicht ihre Verwendung als Standardkerzen um die Entfernung zu nahegelegenen Galaxien zu bestimmen.


    [3] Diese Studie ist Teil des langfristig angelegten Araucaria-Projekts, im Rahmen dessen die Entfernungsmessungen nahegelegener Galaxien verbessert werden.


    [4] Der exakte Verlauf der Helligkeitsänderungen hängt von der relativen Größe der Sterne, ihrer Temperaturen und Farben und der Form der Umlaufbahn ab.


    [5] Die Farben der Sterne werden über den Vergleich ihrer Helligkeiten in verschiedenen nahinfraroten Wellenlängenbereichen bestimmt.


    [6] Diese Sterne wurden bei der Durchmusterung der 35 Millionen Sterne der Großen Magellanschen Wolke entdeckt, die im Rahmen des OGLE-Projekts untersucht wurden.


    Mehr Infos, weitere Bilder und Videos auf den deutschen Seiten des ESO Science Outreach Network (ESON) unter: http://www.eso.org/public/germany/news/eso1311

  • Hallo Caro.Hast du auch Informationen über die genaue Entfernung der Andromedagalaxie?Man liest immer Angaben zwischen 2,3 und 3 Millionen Lichtjahren. Gruß Armin

  • Hallo Armin,


    ich fürchte die Kollegen, die die Messung an der LMC gemacht haben, können sich - zumindest mit den Teleskopen die hier zum Einsatz gekommen sind (ist ja Südhalbkugel) nicht auf die Andromedagalaxie konzentrieren. Aber wie du siehst, das Problem ist das gleiche, die Entfernung zu M31 ist bis zu einem gewissen Grad unsicher und wird es auch bleiben, solange nicht ähnliche Messungen gemacht werden wie hier. Man sollte allerdings natürlich auch immer schauen, ob die Quellen für einen bestimmten Zahlenwert, den man irgendwo auftut, auch vertrauenswürdig und nicht mittlerweile veraltet sind.


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo Armin,


    also in den Fachartikeln der letzten Jahre pendeln die Entfernungsangaben für M 31 eigentlich immer um 780 Kiloparsec (2,5 Millionen Lichtjahre), wobei die Unsicherheiten auch nur noch bei +/- 70.000 Lichtjahren liegen. Das ist doch schon ganz gut.

  • Hallo Caro,


    La Silla hat -29 Grad südliche Breite, Der Andromedanebel eine Deklination von ca. +41 Grad ==&gt; Andromedanebel kulminiert auf La Silla in ca. 20 Grad Höhe.....


    ist zwar anspruchsvoll so tief zu beobachten, aber es ist sicher noch möglich.
    Wäre sicher besser das vom Norden aus zu machen, aber wenn es einen so hoch auflösenden Spektrographen nur auf La Silla gibt, muss man es halt von dort versuchen


    Gruß
    Heinrich

  • Hallo Heinrich,


    nein, ist es nicht. So gut wie kein Profiteleskop geht tiefer als 30° über dem Horizont, und das aus gutem Grund. Da kommt zum einen die Teleskop-Mechanik an ihre Grenzen, zum anderen machen hohe Airmass-Werte Spektroskopie wegen der atmosphärischen Dispersion zu einem mühseligen Geschäft.


    Viele Grüße
    Caro

  • Hi Caro,


    habe gerade mal im "call for proposals " von la Silla nachgesehen:


    das NTT geht bis 75 Grad zenitdistanz runter, der 3.6er, an dem HARPS fest montiert ist, bis 70 Grad. Das reicht dann so haarscharf oder auch nicht......


    Gruß
    Heinrich

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