Spiegeldurchmesser und Seeing

  • Hallo, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich hier im Optikforum mit meiner Frage richtig bin, aber Fakt ist es geht auch um Optik:
    Ich habe das Pech, daß mein Standort sich durch extreme Lichverschmutzung und permanentem starkem Seeing auszeichnet. Dennoch lasse ich mich nicht von der Astronomie abbringen und habe mittlerweile erst ein 20cm, dann ein 30cm und nun ein 40cm Newton gebaut. Mit steigenem Spiegeldurchmesser konnte ich auch immer eie deutliche Verbessserung der Beobachtungs und Aufnahmequalität beobachten. Nun schaut man natürlich auch mal über den eigenen Tellerrand hinaus und stellt immer wieder mit Erstaunen fest, was unter gutem, dunlem Himmel alles schon mit viel kleineren Geräten geht.
    Theoretisch würde ich ja nun vermuten, daß das Seeing die Auflösung der Optik begrenzt, meine praktische Erfahrung zeigt allerdings, daß eine größere Optik bei gleichem Seeing trotzdem mehr Deteils liefert. Was meint Ihr dazu? Macht es Sinn, unter schlechtem Himmel ein noch größeres Gerät zu planen? Mal abgesehen vom Spaß an der Arbeit, da lohnt es sich sicher. Aber ab einer gewissen Größe spielen die Kosten und das Händling natürlich eine beträchtiche Rolle. Da sollte dann auch ein sürbarer Qualitätsgewinn mit drinn sein. Da ich es nun immer so gehalten hatte, in etwa eine Verdoppelung der Spiegelfläche zu erreichen, dachte ich an ein 60cm Gerät.


    Beste Grüße, Henri

  • Hallo Henri,


    größer ist immer besser.
    In den manchmal kurzen optimalen seeing-Momenten sieht man einfach mehr.


    Bei permanent schlechtem seeing würde ich mir Rollschuhe kaufen... oder ein Fahrrad. [8D]
    Hast du mal daran gedacht, dein Teleskop in dunklere Gebiete mit besserem seeing zu verfrachten?
    Das bring meist mehr als größere Öffnungen an schlechtem Standort.


    Ein 60cm Teleskop ist teuer, schwer zu tragen und bei extremer Lichverschmutzung und permanent schlechtem seeing verpufft sein Öffnungsvorteil.
    Aber bring den mal zur Edelweißspitze...
    cs
    Timm

  • Hallo Timm, relativ gute Beobachtungsmöglichkeiten könnte ich mit 1,5 Stunden Fahrt erreichen, allerdings habe ich mich eben auch bewußt für eine Sternwarte im Garten entschieden, denn da bin ich in 1 Minute am justierten Instrument und kann loslegen. Ich glaube, schon das einpacken der Technik ins Auto, aufbauen und einscheinern bevor das erste Licht den Chip der Kamera trifft, würde mich wohl meistens davon abhalten überhaupt loszufahren (habe ich früher auch gemacht). Aber wie Du schon sagst, es gibt auch immer mal gute Seeing-Momente, die kann man dann mit der Kraft des Geistes verlängern. ;)
    Was mich aber interessieren würde: Gibt es denn irgendwelche Grenzen, bei der eine Vergrößerung der Optik bei sagen wir mal "normalem" Vorstadtseeing (ich kann die Seeingzahl leider nicht nennen) dann keine nennenswerten Verbesserungen der Auflösung mehr mit sich bringt?


    Beste Grüße, Henri

  • Ja, Henri, die Grenze gibt es:
    wenn es in der Mehrzahl der Nächte keinen Spass mehr macht!


    Das ist ja alles subjektiv und mancher ist schon zufrieden, wenn er einigermaßen scharf stellen kann.
    Auf meiner Terrasse in Altea/Spanien zeigt das SQM manchmal 18,5 an aber das seeing geht recht gut.
    Dann trennt der 20-Zöller auch schon mal Sirius, aber am nächsten Abend ist das Siriusscheibchen 20 Bogensekunden
    groß und nicht mehr scharf zu stellen. Dann nützen 20 Zoll nichts und auch ein 5-Zoll APO reißt nix mehr.
    Aber wenn mal wieder Stromausfall ist, kann ich Details im Eskimo sehen und sogar der Pferdekopf ist im H-Beta Filter gut zu erkennen.
    Normalerweise wuchte ich den 20-Zöller (Leichtbau mit 25 kg) ins Auto und fahre 35km mit 174 Kurven in die Berge.
    Dort ist es in 950m Höhe einfach besser!
    Stathis sagt immer sinngemäß: Guter Himmel ist nur durch besseren Himmel zu toppen, dann erst kommt die größere Optik.
    Der Traum aller Spechtler: 24 Zoll in Namibia mit seeing unter einer Sekunde bei SQM-Werten von 22.
    Diesen Traum habe ich erlebt und weiß ihn sehr zu schätzen.
    Gleich danach kommt 20 Zoll bei SQM 21,85 und seeing unter einer Sekunde auf der Edelweißspitze.
    Alternativ La Palma... wenn man sich sonst nix gönnt.
    Also mein Fazit: besorg die eine größere Optik, bau dir ein schönes Teleskop und nütze es, so oft es geht!
    Auch unter miesen Bedingungen zeigt die größere Öffnung meistens mehr als die kleinere Öffnung.
    Meistens!
    Und, wie du schreibst, macht der Selbstbau ja richtig Spass.
    Also, nichts wie ran!
    cs
    Timm

  • Hallo Henri


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Theoretisch würde ich ja nun vermuten, daß das Seeing die Auflösung der Optik begrenzt, meine praktische Erfahrung zeigt allerdings, daß eine größere Optik bei gleichem Seeing trotzdem mehr Deteils liefert. Was meint Ihr dazu?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Du schreibst es ja selbst aus eigener Erfahrung, warum sollte sich das bei 24" plötzlich ändern?!


    Mit 24" wirst du garantiert mehr sehen als mit 16" auch unter schlechten Bedingungen.


    Es gibt viele kleine und helle Deep Sky Objekte die von der größeren Öffnung und der evtl. höhreren Vergrößerung profitieren.


    Bestes Beispiel ist immer der Eskimo-Nebel welcher selbst bei schlechterem Seeing von der höheren Vergrößerung und dem mehr an Licht profitiert.
    Dieser zeigt dann deutlich sein "Eskimogesicht", während er in kleineren Öffnungen nur ein heller Fleck bleibt.


    Kugelsternhaufen werden deutlich besser aufgelöst.
    Es sind grundsätzlich viel mehr Sterne zu sehen.
    Auch zeigen einige Haufenmitglieder schon ihre unterschiedlichen Farben.


    Auch die Binokulare-Beobachtung wird mit steigender Öffnung immer interessanter.


    CS


    Uwe

  • Hallo Henry,


    da Du schon eine sehr feine Sternwarte incl einen 16" Dein eigen nennst, ist die Entscheidung schwierig!
    Für Fotografie sowie Mond+Planeten visuell sehe ich keine Verbesserungsmöglichkeit.
    Für Deep-Sky visuell aber schon!
    Ich schlage mich auch seit einiger Zeit mit diesem "Problem" herum, und bin mit mittlerweile recht sicher:
    Größere Öffnung zeigt visuell mehr!
    Aber nicht wegen der Auflösung der Optik an sich, sondern weil das Auge so ein komischer Detektor ist. Die Augen-Auflösung ist von der Belichtung abhängig. Auf der anderen Seite kann man etwas Auflösung wegen der größeren Öffnung aufgrund des Seeings verlieren.
    Das folgende Chart zeigt das, es gilt eher für Planeten wo es nicht an Licht mangeld.
    Quelle: Teleskop Optics, Rutten&van Venrooij, Genehmigung zur Veröffentlichung liegt vor.

    Was mich immer wieder erstaunt:
    Galaxien lassen sich mit 50mm Öffnung so wunderschön ablichten, dass man mit 28" visuell die Augen extrem verbiegen muss[xx(]


    Also, ich wünsche Dir viel Erfolg beim Schliff des 60cm[;)]
    Mach es schön kurz, f/3 oder f/3.5 ist wirklich eine Option für sowas. Nur mit Borofloat wird es bei parallaktischer Montierung Neuland. Aber schön leicht wird es[:)]


    Viele Grüße
    Kai

  • Hallo Leute. Ich merke schon, das Thema ist ein schwieriges!
    Vielen Dank für Eure Beiträge. Ihr habt schon Recht, probieren geht über studieren und ich werde es früher oder später sowiso angehen. Ich glaube, hier in der Gegend gibt es im Jahr etwa 5 - 10 gute Nächte - und da ist es dann natürlich von Vorteil, wenn mehr Power hinterm Okular steckt. Außerdem gibt es ja auch noch die Gegend um den Zenit, da hat man noch ein kleines Fenster zum Universum, das relativ dunkel und flimmerfrei ist. Ich denke, es wird wohl nicht lange dauern, bis es mir wieder in den Fingern juckt und eine neue etwas größere Scherbe auf meinem Schleiftisch liegt... :)

  • Hallo,


    schöne Sternwarte hast du da :)


    Wegen dem Seeing: Ich könnte mir vorstellen das du da auch an "lokalem Seeing" leidest, innerhalb der Kuppel kann die Luft anders sein als draussen und über dem grossen Spiegel im offenen Tubus können ja auch Temperaturunterschiede und Luftströmungen entstehen. Auch die eigene Körperwärme könnte ja schon reichen um die Luft in der Kuppel durcheinander zu bringen und das ist doch Gift für den offenen Tubus.


    MfG Gerry

  • Henri,
    selbst wenn durch einen gegebenes Seeing das Auflösungsvermögen eines größeren Spiegels so herunter gesetzt ist, dass auch ein kleines Teleskop mithalten könnte, liefert das 'große' ein helleres Bild.


    Das Auge ist um jedes zusätzliche Lichtquant dankbar, man sieht deshalb mehr. Im dunkeladaptierten Auge, werden die Sehzellen zu Gruppen zusammengeschaltet um die Lichtempfindlichkeit zu steigern. Dadurch wird im Auge das Auflösungsvermögen massiv herabgesetzt. Außerdem ist der Punkt des bestens Sehen dann außerhalb der opt. Achse des Auges.


    Ist das Bild dagegen hell genug, greifen die Mechanismen des Tagsehens. Die volle Sehzellenauflösung auf der opt. Achse stehen zur Verfügung.


    Ein weiterer Effekt ist, dass das Auge schneller reagiert, wenn mehr Licht vorhanden ist. Mit der Folge, dass man Bewegungen des Bildes (langsames seeingbedingtes Wabern) eher folgen kann.


    Seeing ändert die Wellenfront des Lichtes und das bis zu 100 mal je Sekunde. Das ist auch etwa die Frequenz mit der adaptive Optiken ihre Teleskope korrigieren müssen. Da das Verhalten zufällig ist, wird es - so meine Vermutung - auch immer wieder Phasen geben, wo die hohen Frequenzanteile, die ein Auge zeitlich nicht mehr auflöst, mal weniger stark ins Gewicht fallen. Das Bild zittert dann langsam genug, dass man mit dem Auge folgen kann. Dies umso besser, je heller das Bild ist.


    Immerhin komponiert das Hirn den Bildeindruck auch aus Bestandteilen zusammen, die man aktuell gar nicht sieht, an die es sich aber 'erinnert'. Ist im Bildeindruck also für wenige Zehntelsekunden etwas erkennbar, baut es diese Information in den folgenden Sekunden in den Bildeindruck mit ein.
    M.E. ist es diese Art der Wahrnehmung, die einem mit Geduld am Teleskop Details vermittelt, von denen andere sagen, dass es optisch grenzwertig sei.


    Gruß

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