26./27.10.: Quasar-Hopping auf der Terrasse

  • Hallo,


    was macht man, wenn man total unentschlossen ist rauszufahren und es immer später wird? Man bleibt einfach daheim und stellt den 12"-Dobson auf die Terrasse. Denn dank der radikal runtergeschnittenen Bäume im Garten hab ich endlich eine freie Sicht Richtung Norden.


    Gestern Abend. Um halb 11 war die Außenleuchte des Nachbarn noch an, dennoch ging's mit der Giraffe direkt zum ersten Ziel. Vom Blazar <b> <font color="orange">S5 0716+714</font id="orange"> </b> (z=0,3) las ich am Montag, dass er aktuell wieder Aktivität zeigt und nun war der Himmel klar. So ist man quasi live bei den Astrophysikern, wenn man sich vorstellt, dass die Profis dieses 3,4 Milliarden Lichtjahre entfernte Hochenergieobjekt gerade im Radio- und Gammalicht beobachten. Tatsächlich konnte ich seine Helligkeit auf 13,5mag schätzen, typischerweise liegt sie bei etwa 14,0mag. Mal sehen, was sich da noch tut. In das Gesichtsfeld des 15mm-Okulars passte auch noch die nebenstehende Galaxie UGC 3804, die schwach aber deutlich als ovaler Fleck sichtbar war.


    Danach ging es zum Quasar <b> <font color="orange">KUV 18217+6419 </font id="orange"> </b>(z=0,3), den ich schon vor drei Wochen im Okular hatte. Damals war er verglichen mit einem Nachbarstern gleich hell, nun war der Quasar aber sichtbar schwächer. Also musste doch etwas in diesem fernen Lichtpunkt passiert sein, die Helligkeit lag jetzt bei 13,8-13,9mag und der Nachbarstern muss eher 13,5mag hell sein - so findet man auch Fehler in Wikisky. Tobi hatte also doch Recht mit dem Ausbruch.


    Für das letzte Quasar-Hopping-Ziel blieb ich im Drachen und machte mal wieder einen Abstecher zu <b> <font color="orange">PG 1634+706</font id="orange"> </b> (z=1,337). Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mir damals die Zähne an diesem Lichtpunkt ausgebissen habe. Es heißt ja, dass es das fernste Objekt für den Achtzöller ist. Aber da reichte mein Eifelhimmel wohl nicht, es brauchte das HTT 2009, wo die Grenzgröße knapp bei 7,0mag lag. Und nun sitze ich zwei Jahre später auf der Terrasse, der Spiegel ist um 10cm gewachsen und die Sichtung klappt sogar mit 100-facher Vergrößerung - selbst unter meinem Dorfhimmel von 6,2mag. Bei 166x war der Quasar indirekt kein Problem im 9mm, danach nahm ich nochmal das 15mm und tatsächlich blitzte ab und zu ein schwacher Punkt auf. Seine Helligkeit schätzte ich auf 14,5mag. 8,9 Milliarden Jahre altes Licht und ich sehe es von der Terrasse! Mit einer 30cm großen Glasscheibe. Und mit einem Blick lässt man 2/3 des Weltalters hinter sich!


    Ein weiteres Highlight war noch <b> <font color="orange">NGC 2366</font id="orange"> </b>, eine irreguläre Zwerggalaxie, von der das helle Sternentstehungsgebiet <b> <font color="orange">Mrk 71</font id="orange"> </b> direkt ins Auge fällt. Die eigentliche Galaxie ist sehr schwach quasi als Kometenschweif sichtbar, mit indirektem Sehen kann ich sie über 3 Bogenminuten verfolgen. Der Kometenkopf wird von einem etwa 12,5-13,0mag hellen Knoten gebildet. Diese ultrakompakte Nebelregion wird durch zwei Sternhaufen, die erst wenige Millionen Jahre alt sind, zum Leuchten angeregt. In dem diffusen Fleck meine ich eine stellare Aufhellung erkannt zu haben, vermutlich der Cluster A, bei dem es sich sogar um einen Supersternhaufen mit einem Alter von nur einer Million Jahre handeln soll. Damit ist das Nebelgebiet so jung wie der Orionnebel, nur das sich Mrk 71 11 Millionen Lichtjahre entfernt befindet!


    Zwischendurch ging es auch in den Asteroidengürtel. Die Ganymed-Ganymed-Konjunktion steht bevor, in dieser Woche erreicht der Asteroid <b> <font color="orange"> (1036) Ganymed </font id="orange"> </b>bereits seine Maximalhelligkeit. Mit einer Helligkeit von 8,4mag war das Objekt letzte Nacht nicht zu übersehen, selbst freihändig mit dem 8x40. Jupiters Ganymed und der Asteroid Ganymed haben sogar noch in ein Gesichtsfeld gepasst, und der Abstand wird ja noch kleiner.


    Auch der 20x60-Feldstecher wurde noch aktiviert. Zum Aufwärmen hab ich <b> <font color="orange">MARVELS-1</font id="orange"> </b>, ein Stern aus der MARVELS-Durchmusterung, angepeilt. Wie dieses Jahr berichtet wurde, wurde hier ein Brauner Zwerg entdeckt. Mit 10,8mag war der aber kein Problem für das 20x60. Beim Aufsuchen fand ich ein nettes Sternmuster, das ich aber noch nicht identifizieren konnte. Danach schwenkte ich hoch zur Andromedagalaxie, wo ganz in der Nähe eine "wandernde Supernova" stehen sollte. Über das neue Objekt bei M 31 sind sogar die Profis vor einer Woche gestolpert und haben gleich einen Supernova-Hinweis rausgegeben. 20 Minuten später kam die Entwarnung, in der der Punkt als <b> <font color="orange"> (372) Palma</font id="orange"> </b> identifiziert wurde, die letzte Woche zwischen M 31 und M 32 hindurchlief. Im Fernglas war ein naher 11,0mag-Stern noch gut indirekt machbar und auch der 0,2mag schwächere 200km-Asteroid selbst blitzte noch ab und zu auf.


    Als letztes Dobson-Objekt richtete ich den Dobson auf die Hyaden, die schon hoch über dem Südhorizont standen. Nahe Aldebaran peilte ich das T-Tauri-Doppelsystem <b> <font color="orange">HL Tau/XZ Tau</font id="orange"> </b> an. Dabei kam mir XZ Tau ungewöhnlich hell war, ich schätzte ihn auf etwa 12,0mag, der Nachbar HL Tau dagegen dürfte vielleicht 14,0mag gehabt haben. Von den Fotos her hatte ich es eigentlich genau umgekehrt erwartet. Geht da etwa etwas vor sich?


    Um 3 stand der Große Wagen schon senkrecht am Nordosthimmel, aber für Mrk 421 wollte ich den Dobson nicht mehr bewegen. Dann eben noch schnell zum Einhorn. Mit <b> <font color="orange">NGC 2244</font id="orange"> </b>in beiden Ferngläsern beendete ich meine kleine Beobachtungssession. Mit dem 20x-Fernglas war der Dreifachstern <b> <font color="orange">STF 939, Copelands Trigon</font id="orange"> </b> genannt, direkt neben dem Sternhaufen einfach aufzulösen. Mars stand schon hoch, gefolgt vom Löwenherz Regulus, M 44 war hoch im Osten nicht zu übersehen. Mit dem 8x40 noch schnell ein Blick zum Doppelstern <b> <font color="orange">53/55 Cnc</font id="orange"> </b>. Kaum zu fassen, dass man mittlerweile fünf Planeten um diesen 6,0mag-Stern kennt, und einer von ihnen soll eine Supererde mit einer Hülle aus superkritischem Wasser sein, wie vor einer Woche zu lesen war. So ging nach Quasaren mit 100-facher Vergrößerung, ein paar Gesteinsbrocken und interessanten Sternen meine kleine Terrassen-Spechtelrunde zu Ende. Um halb 4 lag dann schon die Katze unter meiner Decke und beta und epsilon im Hasen funkelten im Fenster.


    Da Calsky für heute Morgen eine Sichtbarkeit von <b> <font color="orange">Tiangong 1</font id="orange"> </b> meldete, klingelte rechtzeitig der Wecker. Um 7:14 MESZ sollte eigentlich das erste chinesische Modul im Orbit im Großen Hund sichtbar sein, nur zu sehen war nichts, obwohl die Grenzgröße in der Dämmerung noch bei 4,0mag lag. Aber eine Negativsichtung pro Nacht kann ich noch verschmerzen. Auf ein nächstes Mal.

  • Hi Nico,


    es freut mich das auch andere nach schwachen Lichtfünkchen suchen, dann fühlt man sich nicht mehr ganz so bekloppt [;)]


    Spass beiseite: vielen Dank für den kurzweiligen und sehr informativen Bericht. Ich hatte gestern abend - nachdem es unerwartet aufklarte - auch überlegt raus zu fahren, Von der Arbeit geschlaucht und wegen hohem Nebelrisiko habe ich es dann doch gelassen. Leider kann ich von meiner Terasse aus - von Mond und den Planeten abgesehen - leider keine sinnvollen astronomischen Beobachtungen machen.


    Ich vermute mal, dass Du recht ordentlichen Seeing gehabt haben dürftest, sonst wären mag 14,5 von der Terasse aus doch schon sportlich.


    Viele Grüße


    Achim

  • Hallo Achim,


    hoch vergrößert habe ich ja nicht, das 6mm hatte ich nur einmal im Okular, da wurde es auch schon etwas matschig. Meist blieb es beim 15mm und 100x, da war noch alles hübsch punktförmig. Sportlich wird's erst, wenn man in der Eifel 30 Minuten lang die Augen verdreht, um ein 15,5mag-Fünkchen zu erhaschen. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn die Transparenz zwar da ist, aber schlicht der Kontrast fehlt und alles unter 15,0mag unsichtbar bleibt. Das ist der Herbst. Im Sommer wird's nicht dunkel, im Winter ist es unter Null und den Rest wird das Bild flau und der Fangspiegel beschlägt. So lässt sich eigentlich treffend das Jahr eines Beobachters zusammenfassen. [;)]


    Von der Terrasse aus sind mit dem 9mm eigentlich immer 14,5mag indirekt problemlos. Wie gesagt, der Himmel darüber müsste so 6,2mag haben.

  • Hallo Nico,


    Glückwunsch zu deiner sehr erfolgreichen Nacht!


    Die Quasarbeobachtung ist doch immer wieder für Überraschungen und Erfolge gut.


    Ich bin leider korrekturbedingt seit den vergangenen drei Wochen nicht mehr zum Spechteln unseres Freundes im Drachen gekommen.
    Aber schön zu hören, dass er noch lebt!


    Als es bei mir gestern mal wieder soweit war, bin ich bei den Kugelsternhaufen vom M31 und in der Sonnenumgebung von 15 Lichtjahren (UV/BL Ceti, HH Andromedae...) hängengeblieben.


    Also haben wir zusammen mit unseren Beobachtungen fast den gesamten Kosmos im Visier gehabt [:)]


    Freue mich auf weitere Beobachtungsberichte!


    LG,
    Tobi

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