Deep Sky auf dem Glatzkopf / GR

  • Falakros = zu Deutsch Glatzkopf heißt der 2.200 m hohe Berg in den westlichen Rodopen Nordgriechenlands, direkt 30 km nördlich von Drama.



    Bekannt geworden ist der Berg durch ein riesen Loch direkt unterhalb des Gipfels von wo aus sie früher mit Maultieren Eis runtergeschafft hatten. Laut Aussage eines Deutschen Biologiedoktoranten wachsen dort einzigartige Pflanzen, die es nirgendwo sonst gibt - schon der Nachbarberg hat wieder ganz andere.



    Trotz der im Süden sichtbaren Lichtglocke von der Stadt ist es schon allein durch die Höhe und der Abgeschiedenheit einer der besten Beobachtungsplätze im Nordosten Griechenlands. Da dort ein Ski Gebiet ist, (ja auch in GR kann man Ski fahren!) führt eine gut ausgebaute Teerstraße direkt bis auf 1.800 m Höhe. Angereist war ich wie schon oft auf diesem Berg per Motorrad mit dem 6" Reise Dobson.



    Ist es nicht schön, wenn man alle Hektik, die bei normalen Beobachtungtouren herrscht, so richtig hinter sich lassen kann und ganz allein und friedlich die fortschreitende Dämmerung mit dem den Licht- und Farbwechsel des Himmels auf sich zukommen lässt. Ich hatte mir bereits Katalog + Uranometria für die Sternhaufen und Gasnebel im Skorpion und Schützen zurechtgelegt, doch als es richtig dunkel wurde, passierte was völlig unerwartetes:


    Statt NGC's und IC's durchs Teleskop zu fangen, ertappte ich mich dabei, wie ich die ganze Nacht auf der Isomatte liegend das ganze Milchstraßenspektakel mit bloßem Auge auf mich einwirken ließ. Es wurde ziemlich kalt (ca. 6°C), aber auch sehr transparent. Im indirektem Sehen bekam die Milchstrasse diese magische körnige Struktur – an der Grenze zur Auflösung in Einzelsterne. Die zentraleren Gebiete erhielten ein fleckiges Aussehen mit unzähligen Ausfransungen und Buchten zu den Dunkelwolken Richtung galaktischem Äquator. Sehr schön auch zu sehen, wie das Band ausgehend von den Randpartien im Perseus und Cepheus zum Schwan immer breiter und heller wurde, sich im Adler teilte und nach Süden in immer heller werdenden abgesetzten Sternwolken in’s Zentrum der Milchstrasse ausfloss.


    Ich machte mir einen Sport daraus, alle möglichen Deep Sky Objekte mit dem Bloßem Auge einzufangen: M3, M13 und M22 als verwaschene Sterne, Lagunen- und Omeganebel als helle Flecken im Himmel, M6 und M7 am Stachel des Skorpions, der Nordamerika Nebel schön abgesetzt vor der Milchstraße. Später in der Nacht konnte ich M33 indirekt sicher zu 50% der Zeit halten, bis plötzlich ein Flugzeugscheinwerfer im Osten auftauchte: Die Venus.


    Die nächste Nacht war genauso gut und jetzt kam der Reise Dobson zum Einsatz:
    - Im <b><font color="yellow">Lagunennebel</font id="yellow"></b> wurden auch die Außenpartien schön sichtbar, vor allem Richtung Osten ausladende diffuse Ausläufer an die sich nach kurzer Unterbrechung der <font color="yellow"><b>NGC 6556 Komplex</b></font id="yellow"> anschloss. Nördlich davon war das Gemisch aus Gas und Sternen in <font color="yellow"><b>NGC 6526 </b></font id="yellow">(sowohl mit UHC als auch ohne Filter gleichhell) deutlich von der dazwischenliegenden Dunkelwolke begrenzt.
    - Der <font color="yellow"><b>Rho Ophiuchi Nebel IC 6404 </b></font id="yellow">– ein visuell sehr flächenschwaches Objekt, zog sich ganz zart abgesetzt (nur indirekt mit field sweeping, sehr schwer aber sicher) über ein fast 2° Großes Gebiet. Eine Abrisskante erschien etw. östlich der Linie Rho Oph – IC 603, eine andere bauchig ausgebeulte westlich von Rho Oph und leicht östlich von Omikron Sco verlaufend. Zum selben Komplex gehört auch <font color="yellow"><b>IC 4603</b></font id="yellow">: Um das Sternpaar SAO 184376 mit ca. 3' Abstand ist es etwas mehr vernebelt als um andere Sterne. In Sternnähe heller, nach außen sehr diffus auslaufend. Ausgesprochene Sternleere im ganzen Gebiet. <font color="yellow"><b>IC 4605</b></font id="yellow"> ca. 1 Grad nördl. von Antares nicht eindeutig zu sehen. Wieder auffallende Sternleere hier.
    - Zum <font color="yellow"><b>Nordamerika Nebel </b></font id="yellow">schrieb ich wie folgt in mein Buch: Im 24 mm Wide Field (36x) bereits ohne Filter deutlich der Golf und auch die nördlichen Gebiete durchgezeichet. Gähnende dunkle Leere in der Dunkelwolke und dann wieder hell zum Pelikan N. Dieser mit parallelen Streifen durchsetzt, von denen der erste den Schnabel vom Pelikan bildet. Mit OIII- Filter der nackte Wahnsinn! Der Golf kein homogenes zartes Glühen, sondern wild durchstrukturiert in mehreren Wolken. Abrisskante zum Golf zackig- unregelmäßig verlaufend mit immer wieder abgesetzten Flecken.


    Ich war begeistert und beschloss kurzerhand Dunkelwolken zu beobachten, eine Objektklasse, die ich bisher ziemlich vernachlässigt hatte, zumal die meisten Dunkelnebel sehr gute Transparenz erfordern, dann aber mit kleinen Teleskopen genau so gut oder zum Teil sogar besser sich abheben.
    - <font color="yellow"><b>B92 und B93 </b></font id="yellow">sind noch relativ leicht, da sie sich vom Sterngewimmel der M24 Milchstraßenwolke sehr gut abheben. B92 sah ich als ovales Loch, B93 etwas länglicher und nicht ganz so opak.
    - <font color="yellow"><b>B72 = Snake Nebula </b></font id="yellow">war schon schwerer, aber ich sah indirekt noch deutlich das "S" SW von einem Trapez. Der eine Bogen näher zum Trapez war dicker und kräftiger, der andere schmaler schwerer auszumachen.
    - <font color="yellow"><b>B104 </b></font id="yellow">in der Scutum Wolke zieht sich wie ein dunkler Geist über mehrere Geschichtsfelder, nur einige Vordergrundsterne scheinen durch. Nach Süden wird sie durch eine geballte Ladung Milchstrasse beendet, wo auch M11 eingebettet ist. Ein herrlicher Kontrast! Direkt südlich von M11 ist <font color="yellow"><b>B318</b></font id="yellow"> als ganz feiner schwarzer Faden, der Richtung O-W die dicke Milchstraße schneidet. Nicht leicht, da so dünn und zart. Fast 1° lang.


    Viele andere Dunkelnebel und anderes folgten bevor wieder das Zodiakallicht und der Flugzeugscheinwerfer das Ende der Nacht einleitete.


    Schnell hatte sich unter den dort Ansässigen rumgesprochen, was es spannendes zu sehen gab und schon kamen sie alle neugierig angerannt:


    Also, wer in die griechischen Berge zum Urlaub fährt, unbedingt ein Reiseteleskop + Karten oder wenigstens ein Fernglas einpacken!

  • Hallo Stathis!


    Wow! Erstmal dankeschön für diesen super Reisbericht! Das hat schon fast was von astronomischer Romantik kombiniert mit Motorradreisen, was Du da gemacht hast. Echt super Bilder! Und man kann sich wirklich lebhaft vorstellen, was für eine ungestörte Aussicht man hat von diesem Plätzchen. [:p]


    Schade, dass Du keine DeepSky Fotos machen konntest [;)] Jetzt muss ich doch selber hinfahren!


    Gratuliere übrigens auch zum 1111ten Beitrag!



    Viele Grüsse!



    Chris

  • ui, schnapszahl! das schreit nach ner runde ouzo für das forum[:o)]


    ich muß dem joker zustimmen, ist immer schön zu lesen was du da so schreibst! [:D]

  • Hallo Stathis,


    ein wirklich schöner Bericht. Ich hoffe das ich in 2 Wochen, mit meinem bis dahin hoffentlich fertigen 6" Sucher/Reisedobson, ähnliche Erlebnisse auf Rhodos aufnehmen kann.



    Gruß



    Yves

  • Hallo Stathis,
    danke für den super Bericht!
    Da kann man auch schön sehen, wozu ein kompaktes Reisescope gut ist.
    Wenn du es auf der SR500 mitnimmst, müssen aber alle Schrauben gut festgezogen sein. Dafür hast du nach ein paar 100 km alle Staubablagerungen vom Spiegel geschüttelt[:D].


    Hast du eigentlich kein Fernglas?
    Ich selbst benutze mein (ziemlich mieses) 10x50 sogar öfter, seit ich etwas Übung mit Teleskopen bekommen habe, es ist einfach eine prima Zwischenstufe zwischen bloßem Auge und Teleskop.


    Ist es in Griechenland generell kein Problem, mit dem Moped auf'n Berg rauf zu fahren und dort zu zelten?
    In Deutschland dürfte man sich dabei ja nicht erwischen lassen...


    cs,
    Martin

  • Echt toller bericht !


    Macht einen richtig neidisch...
    liegt wohl am Großstadt-lichtsumpf :)


    (==&gt;)MArtinB : Was denkst du wohl warum statis ein Grünes Zelt mitgenommen hat ? :)


    Gruß,
    Jens

  • Hi Stathis,


    sowas geht runter wie Öl, und erinnert mich an die schöne transparente Nacht auf der Emberger Alm 2002 wo ich mit Matthias die Milchstrasse mit dem Feldstecher abgraste, mehr brauchte es wirklich nicht, die Teleskope haben wir ab da gar nicht mehr benutzt.


    Gruß

  • In Griechenland darf man überall zelten, außer da, wo es ausdrücklich verboten bzw. belästigend ist (z.B Touristenzentren mit vielen Hotels oder Campingplätzen nebenan). So habe ich schon Touris direkt neben dem dem Campingplatz schwarz zelten sehen oder im Stadtpark von Thessaloniki neben dem Weissen Turm[V]. Sowas kommt nicht gut. Auf dem Berg hingegen hat man's maximal mit bellenden Schäferhunden oder wild umlaufenden Pferden zu tun (s. Bild oben).


    In Athen hingegen traten seit gestern hunderte neuer Sonderverordnungen und Verbote zu den Olympischen Spielen in Kraft. So kostet das Wegwerfen von Zigatettenkippen ab 20,- Euro, auf das benutzen der Olympischen Spur mit dem Auto gibt es 156,- Strafe. Sogar die Müllentsorgung und der Schwerlastverkehr durch die Stadt wird reglementiert. Details nachzulesen [url="http://www.enet.gr/online/online_text?c=110&id=55667220,63566740,77617428,85503636,99824660,5061844,19235412,27061204,41382228,49268436"]hier[/url] (für den, der das lesen kann[:D]). <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Wenn du es auf der SR500 mitnimmst, müssen aber alle Schrauben gut festgezogen sein<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote"> Oh ja, sonst rüttelt sie dir sämtliche Schrauben raus. Z.B. die Feststellschraube für's Okular, die ich wieder vergessen hatte festzuziehen - ich fand sie tief vergraben in der Spiegelbox wieder. Einmal hatte ich "schlauer weise" auf dem Rückweg den Fangspiegel in angeblich weiches Taschentuch gewickelt. Als ich zu Hause war, war er mattgescheuert - eine neue Verspigelung war fällig. Seitdem fixiere ich ihn in der Box, lasse ihn aber ansonsten offen. Der Reisdobson selbst ist aber so massiv gebaut, die Teile alle sicher in der Spiegelbox fixiert, der ist auch SR-sicher.


    (==&gt;)Yves:
    Rhodos ist recht dicht besiedelt, aber Flughafen und Hauptstadt sind glücklicherweise an der Nordküste. Hast du dort ein Auto zur Verfügung? Dann kommst du vielleicht auf den Atabyros im Inselinneren. Der ist laut meiner Karte immerhin 1.200 m hoch. Ich selbst war aber noch nie dort, keine Ahnung, ob und wie man da hochkommt. Kann jemand anders was dazu sagen? Unschlagbarer Vorteil ist auf jeden Fall: Das Wetter ist fast immer gut.

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