Hallo,
während der Politur meines 28" habe ich einige Simulationen bzgl des Seeingeinflusses angestellt. Um es vorwegzunehmen, ein hoher Strehl ist immer besser! Das ist aber eine Binsenweisheit. In der Praxis geht es um das Gesamtpaket aus Spiegellagerung, thermischem Verhalten, stabiler Kollimation, Fangspiegel, Handhabung und natürlich Okularabbildung um von dem gemessenen Strehl so wenig als möglich abzugeben. Den echten Strehl am Himmel zu messen ist nicht so einfach, mir ist keine praktikable Möglichkeit bekannt. Aber darum soll es jetzt nicht gehen.
Sondern um das Seeing und seinen Einfluss auf den Strehl. Und das ist sehr dramatisch!
Die Bilder zeigen schon klar in welche Richtung es geht.
Links ein perfekter 150mm APO, Strehl 1.000
Mitte ein perfekter Spiegel mit 710mm
Rechts ein 710mm Spiegel mit RMS= 0,119 Waves, entspricht Strehl 0.57 (das ist rein zufällig der Wert meines Spiegels, wenngleich mit anderen Fehlertypen, geht nicht anders im Aberrator)
Erste Reihe ist die Sternabbildung bei Vergrößerung 3200x und darunter die Wavefront-Map mit den RMS Werten.
Die vier Gesamt-Bilder zeigen
Turbulence = 0,00
Turbulence = 0,05
Turbulence = 0,10 und
Turbulence = 0,15
Nach der Scalierung vom "Aberrator" natürlich, was sich nur relativ zu verschiedenen Öffnungen erschließt. Für der perfekten 150mm APO kann man das Seeing als ganz, ganz oben auf jeder Scala einschätzen. Pickering ist ja für 130mm definiert, das wäre ein noch besserer Vergleich. Selbst Turbulence = 0,10 ist schwierig von "perfekt" zu unterscheiden.
Los geht's,
Turbulence = 0,00
Turbulence = 0,05
Turbulence = 0,10
Turbulence = 0,15
Man sieht ganz deutlich, daß das oft erwähnte "Zusammenhalten des Beugungsscheibchens" bei hohem Strehl nur für Seeing-RMS-Werte gilt, die kleiner als typische RMS-Fehlerwerte des Spiegels sind. Für kleine Teleskope stimmt das mit dem "Zusammenhalten" ohne Zweifel und erklärt zwanglos die Forderung nach Strehl größer 0,9 bei den APO. Keine Frage!
Bei große Optiken bricht der Strehl allerdings dramatisch zusammen, so sehr, daß man sich wundert, daß überhaupt etwas zu sehen ist. Und tatsächlich muss man sich meist mit maximal 300x begnügen, was weit unter den Auflöse-Möglichkeiten selbst mittelmäßiger Spiegel bleibt.
Noch ein paar andere Zahlen und Öffnungen.
Diesesmal alles gemittelt, weil im Aberrator die Turbulenzen entsprechend wechseln und die Zahlenwerte entsprechend "turbulent" sind:
Wenn der Strehl eines perfekten 100mm APO's bei *fast* perfekten Seeing (Turbulence = 0,05)
von 1.00 auf 0.98 sinkt
rutscht
- ein perfekter 200mm von 1.00 auf 0.92,
- ein perfekter 700mm auf 0.52,
- ein perfekter 1400mm auf 0.41 !
wir sind auf der Pickering Scale, die ja für 130mm Öffnung definiert ist, noch ganz weit oben.
Ein Hauch mehr Turbulence (=0,10) und es sieht so aus:
100mm ---> 0.88
200mm ---> 0.66
700mm ---> 0.074
1400mm ---> 0.042
Auch hier gibt es mit 100mm noch geschlossene Beugungsringe, praktisch nicht von "perfekt" zu unterscheiden.
Ich schreibe das jetzt nicht um zu zeigen, das *mein* Spiegel mit Strehl 0,57 supergut ist, nein das würde ich sofort ändern, sobald ich die handwerklichen und messtechnischen Möglichkeiten habe (oder gleich einen deutlich größeren angehen[:D]. Aber auch wenn er deutlich schlechter wäre, würde man das nicht offensichtlich, zumindest nicht im Fokus, und nicht in den allermeisten Nächte, sehen.
Nein, ich will eher dazu ermuntern, ruhig große Spiegel anzugehen. Auch wenn sie aus verschiedenen Gründen nicht perfekt werden. Die zeigen aus eigener, kurzer Erfahrung deutlich(!) mehr als kleine, noch so perfekte. Da ich in der glücklichen Lage bin, zwei Spiegel (21" und 28") zu besitzen, beide mit absolut dem gleichen Verfahren vermessen, incl Fangspiegel, werde ich das weiter untersuchen.
Bei einem Space-Dobson sieht das anders aus, sowas hat allerdings schwerwiegende Nachteile für visuellen Beobachter[:D]
Viele Grüße
Kai