Hallo Alle,
was mir seit Jahren auffällt: Es wird immer wieder über die Leistung von Montierungen diskutiert, aber es existiert keine wirkliche Kenngröße für die Leistung einer Montierung. Die einzige halbwegs brauchbare Leistungstzahl ist der manchmal gegebene Schneckenfehler (und auch das ist alleine keine wirklich brauchbare Aussage: ein gleichmäßiger Schneckenfehler von 20" über einen zeitraum von 10 min ist in der Praxis kein Problem, ein schneller Hüpfer von 5" schon).
Es gibt meines Erachtens drei relevante Größen:
1) Schneckenfehler - Hier sind die maximale Abweichung von der Grundgeschwindigkeit (Max dV/dt), und die Schnelligkeit dieser Änderung interessant (Max dV/dt2). Die Untergrenze für den Schneckenfehler ist von der Fertigungstechnologie gegeben. Besser als 0,003mm Pendelschlag kann man die Schnecke nicht reproduzierbar fertigen, und auch die Lagertoleranzen geben nicht mehr her. Das ergibt mit dem Eingriffswinkel und dem Schneckenraddurchmesser eine minimale reproduzierbare Pendelbewegung am Himmel. Das ist zum Beispiel bei einer Super Polaris mit einem Schneckenraddurchmesser von 78mm= Radius 39mm und einem Eingriffswinkel von 20°: sin(0,003mm/39mm)*sin 20°= 5" minimal reproduzierbar fertigbarer Fehler bei maximalem Einsatz von bester verfügbarer Fertigungstechnologie. Das wird ja schon diskutiert und sollte nicht Thema dieses Threads sein.
2) Ausschwingzeit - hier wird auch diskutiert, und ich habe so den Eindruck daß folgende Klassifizierung greift:
Ausschwingzeit mit kompletter Gerätelast bei einem Stoß, der die üblichen Berührungen (z.B. Fokussieren) deutlich übersteigt:
< 1s - Uneingeschränkt fotografisch und visuell verwendbar
1-2s - Fotografisch gut visuell uneingeschränkt verwendbar
2-3s - Fotografisch nur für kurze Brennweiten, Visuell nicht für Planeten verwendbar
3-5s - Fotografisch nicht, visuell nur bei niedriger Vergrößerung verwendbar
über 5s - Nur sehr bedingt visuell einsetzbar, wenn überhaupt
3) Steifigkeit - hier fehlt jede Grundlage, nur Herbert Zellhuber hat erste Vorstöße gemacht, zuletzt bei den Deformationsmessungen im Rahmen des Einsteigerteleskoptests im VDS Journal II/2010. Hier (und natürlich zu Punkt 2) würde ich gerne eine Diskussion anstoßen: Um wieviel darf sich eine Montierung denn in welcher Stellung verbiegen, um voll oder eingeschränkt einsaztfähig für einen bestimmten Zweck zu sein?
Da die Steifigkeit richtungsabhängig ist, stellen sich mehrere Fragen:
1) in welcher/n Teleskopstellung/en soll gemessen werden? Wir werden den Steifigkeitstensor sicher nicht für alle Stellungen abbilden können, wenn das ganze praktikabel bleiben soll, es muß also eine Beschränkung auf wenige Stellungen geschaffen werden.
2) Wie soll das gemessen werden? Herbert Zellhubers Methode hat einen Nachteil: wenn die Montierungen gut werden, wird die Ablesung schwierig. Die 1/100mm der Bresser Mon-1 sind ja noch gut messbar, wenn man eine um-Messuhr hat. Wenn die Montierungen besser werden, wird es mit der Messung schwieriger, es sei denn wir erhöhen das Moment (was dann eine Angabe ergeben würde wie " Mit wieviel Kraft muß ich drücken, damit eine Verformung von xy " herauskommt")
Man könnte auch eine Kombi aus 2 und 3 vorsehen: Das Teleskop ist auf ein Objekt xy gerichtet (zum Beispiel künstlicher Stern in 45° Höhe im Süden). Motor an und einen definierten Stoß einbringen (z.B. Tennisball aus Höhe x darauf fallen lassen). Das ganze mit der Kamera aufnehmen. Dann hat man bei laufender Montierung den ganzen Schwingungsverlauf, mit Amplitude (Steifigkeit) und Dauer.
Was denkt Ihr?
Clear skies
Tassilo