NGC 6995 - Animation 1953 / 1989 / 2019

  • Guten Abend zusammen,


    zu dem schon vorgestellten Thema "Expansion des Cirrusnebels" kann ich heute noch eine Ergänzung zeigen.
    Das betrifft den östlichen Bogen, von dem ich 2018 nur recht dünne Daten zur Verfügung hatte. Dieses Jahr war ja hier eine deutliche Verbesserung möglich und so lag es nahe, den Vergleich mit den POSS-Platten zu wiederholen.
    Es hatte sich schon herausgestellt, daß die heutigen Aufnahmen mit dem 130er APQ bei ca. 750 mm Brennweite eine deutlich andere Verzeichnung aufweisen als die Platten vom "Big-Schmidt", der eine viel längere Brennweite hat. Das ist nicht überraschend und bei den bisherigen Animationen zu NGC 6995 und NGC 6960 habe ich deswegen die Bildausschnitte so klein gewählt, daß die Genauigkeit der Deckung einigermaßen akzeptabel war.


    Alternativ könnte man natürlich versuchen, die Verzeichnung auszugleichen. Ein geeignetes Programm hierfür ist APP (Astro Pixel Prozessor). Peter (pete_xl) war so nett und hat die beiden Teilbilder damit aufeinander registriert. So blieb der animierte Ausschnitt trotz der Größe frei von zonenweisen Verschiebungen der Sternfelder.


    Das 1989er Bild aus dem DSS2 wurde am 7.07.1989 aufgenommen, und zwar auf der blauempfindlichen Platte Kodak IIIaJ. Die Belichtungszeit war 45 Minuten. Die zweitgrößte Schmidtkamera der Welt hat einen Korrektionsplattendurchmesser von 122 cm. Für meine OIII-Aufnahme vom 22.09.2019 waren es genau 2 Stunden:



    Die Animation zeigt wie schon beim Sturmvorgel interessante Effekte. Viele Filamente bewegen sich nach außen, also vom Zentrum der Supernovaexplosion weg, und die Helligkeitsverteilung verändert sich - vermutlich infolge des Durchlaufens der Stoßwelle.


    Etwas rätselhaft kommen mir die Finger an der "Hexenhand" vor, also in dem Bereich, der als IC1340 bezeichnet wird. Hier entsteht von 1989 zu 2019 regelrecht eine Lücke in den beiden parallelen Streifen, die ursprünglich ganz durchgehend erscheinen.
    Dieser Teil des Nebels fällt überhaupt etwas aus der Struktur heraus und ist im Raum sicher anders orientiert als der Bereich mit NGC 6995 und 6992.


    An Peter nochmal vielen Dank für die Hilfe bei der Bearbeitung !


    Gruß Lars

  • Das ist schon wirklich sehr cool, Lars, meine Hochachtung ! Es gibt noch ein schnelles Doppelstern-Paar, recht mittig/oben kurz vor Ende der Filamente. Auch toll. Von wegen Fixsterne :)
    Das ist genau die Art von Amateurastro-nomie- Fotografie die ich gut finde.
    das mit den durchlaufenden Wellen klingt plausibel, vielleicht gibt es auch eine Art Schattenwurf.
    Klasse!
    und Grüße von ralf

  • Hallo, Lars,


    tolle Animation! [8D]
    In den letzten 30 Jahren hat sich ja hier Einiges getan![:D]
    Jetzt könnte man sich die Arbeit machen und nach Aufnahmen 30, 60 ,90 Jahre vor 1989 suchen und daraus noch ein .gif basteln...[:D]


    viele Grüße und häufiger cs
    Andreas

  • Moin Lars,


    Deine Aufnahme wirkt deutlich kontrastreicher, die Sterne feiner (ist ja auch klar wg. OIII-filter). Seht man nun wirklich eine Bewegung (Expansion) oder ist es die bessere gesättigt und kontrastreichere Abbildung von Dir im Gegensatz zur weniger durchbelichteten POSS Aufnahme?


    Sieht schon cool aus und eine schöne Idee, der Vergleich. [:)]


    CS
    Peter


    http://www.pixlimit.com

  • Guten Abend zusammen und danke für die Kommentare !


    Die Kostprobe vom APP hat mich davon überzeugt, das Programm nun selbst zu verwenden. Man findet sich schnell zurecht und so konnte ich heute die POSS-Aufnahme vom 15.06.1953 ergänzen. Bei diesem Survey wurden der Blauauszug auf Kodak 103aO - Platten belichtet. Das Material schein eine etwas härtere Gradation als die später eingesetzte Emulsion IIIaJ zu besitzen.
    Die Registrierung in APP war völlig unproblematisch und die Verzeichnung ist vollständig ausgeglichen. In Affinity Photo habe ich die Tonwerte schonend anzupassen versucht:



    Die Suche nach Sternen mit hoher Eigenbewegung wird durch die gute Passung der Bilder enorm erleichtert. Kurios ist das schon von Ralf angesprochene Pärchen rechts und es gibt noch ein paar andere einzelne Schnellläufer.


    Die Ausdehnung auf die Abfolge 1953 / 1989 / 2019 lässt mehr erkennen als nur der Vergleich zwischen 1989 und 2019. Überall ist feststellbar, daß der Zustand 1989 einen Übergang repäsentiert zwischen den Situationen von 1953 und 2019, und die Expansion wirkt viel deutlicher.
    An markanten Details lässt sich unter hoher Vergrößerung der originalen Bilder eine Verschiebung um 5 Pixel abschätzen, was 5,2" entspricht. Das ergibt über 66 Jahre eine Rate von 0,08" pro Jahr - unabhängig von dem zusätzlichen Effekt, daß sich die Intensität des Leuchtens systematisch ändert.


    Bei unbefangener Betrachtung könnte man ja den Eindruck bekommen, daß hier Material leuchtet, welches unmittelbar bei der Supernovaexplosion "ausgestoßen" wurde. Tatsächlich wurde dieses Gas aber schon vorher durch den Sternenwind in Schalen um den Supernovakanditaten konzentriert, bevor es von der Stoßwelle der Explosion erreicht wurde. Dazu habe ich noch etwas gefunden:
    https://www.spacetelescope.org/news/heic1520/


    Die Animation zum Sturmvogel mit der OIII-Aufnahme vom letzten Jahr habe ich jetzt auf astrobin hochgeladen: https://www.astrobin.com/zp3v61/B/?nc=user
    Hier gibt es dieselben Phänomene wie bei NGC 6995. Der Sturmvogel steht schon auf der Liste für 2020 zur Verbesserung der OIII-Aufnahme und für einen Test mit dem Blaufilter.


    Gruß Lars

  • Also die Bwegung ist nur minimal, vielleicht 1-2 Pixel (wenn man die Maus auf den Knoten läßt, sieht man es). Es kommt eine starke Scheinbewegung durch die Kontraständerung zustande.
    Grob gerechnet würden 1" Änderung in 30 Jahren etwa 50 km/s bedeuten. Die echte Bewegung soll ca. 500 km/s bedeuten. Also wenn man im Bild 10" auflösen kann, sähe man die Bewegung. Wieviel ist ein Pixel im Bild?

  • Hallo,


    die 5 Pixel hatte ich im Original gemessen, die beiden großen Animationen haben aber nur 50% der Auflösung.
    Hier noch ein Ausschnitt in 200% mit den Bilder 1953 / 2019:



    Ich meine eine echte Verschiebung ist hier leicht erkennbar. Die etwas 5 Pixel habe ich an dem mittleren Filament in der Kringelstruktur ermittelt.


    Mit 766 mm Brennweite und den 3,8 my Pixeln der ASI1600mmc ergeben sich 1,023 "/Pixel als Abbildungsmaßstab (hatte oben mit f = 1.000 x 0,75 gerechnet, aber 766 sind es genau).


    Das macht also bei 100% der Auflösung (5 Pixel Verschiebung x 1,023 "/Pixel =) 5,12" Verschiebung in den 66 Jahren, mthin etwa 0,078 "/a.


    Für die Geschwindigkeit der Stoßwelle werden hier
    https://www.astronews.com/news…el/2015/09/1509-030.shtml
    umgerechnet 420 km / s angegeben.
    Die Geschwindigkeit der Filamente selbst ist ja geringer. Rechnet man mit den im Beitrag genannten 2.100 Lichtjahren für die Entfernung, so würden 0,078" einer Strecke von 7,5 Mrd. km pro Jahr entsprechen. Damit kommt man auf 240 km/s für die Filamente - zumindest ein plausibler Wert, vielleicht mit einem Fehler von +/- 50 km/s bei einer Genauigkeitsannahme von +/- 1 Pixel für die Verschiebung.


    Gruß Lars

  • Hallo Lars,


    wouuw, sehr cool, was Du hier zeigst. Ich hatte schon ganz vergessen hier noch zu schreiben, weil ...


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: 30sec</i>
    <br />Es gibt noch ein schnelles Doppelstern-Paar, recht mittig/oben kurz vor Ende der Filamente. Auch toll. Von wegen Fixsterne :)
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    genau dieses Sternpaar war mir nämlich die Tage abends im Hotelzimmer auch aufgefallen und ich wollte es später am PC mal ausschneiden und hier noch posten ... hatte es dann aber wieder verdrängt und gerade beim stöbern im AstrTreff fiel mir der Beitrag wieder auf.


    Ich find das schon krass. Alle Sterne stehen "wie angenagelt" in der Animation, nur dieses Sternpaar ist im Synchronflug durch die Weiten des Alls unterwegs. Irre cool ...


    <font color="orange">edit: wenn man genau schaut, dann fallen einem aber dann doch noch ein paar Sternpünktchen auf, die sich minimal bewegen.</font id="orange">


    Danke für´s Zeigen. [:)]


    Gruß und klaren Himmel
    Heiko

  • Guten Abend Reinhard und Heiko, danke auch euch für die Rückmeldungen.


    Zu dem schnell bewegten Pärchen habe ich mit Aladin recherchiert. Es handelt sich tatsächlich um ein Doppelsternsystem in etwa 90 Lichtjahren Entferung. Sie sind mit L 1504-25 bzw. -26 katalogisiert, siehe:
    http://cdsportal.u-strasbg.fr/…01504-25#parent-biblioDiv
    Es sind weiterführend auch die Eigenbewegungsdaten hinterlegt unter dem Link "More info in Simbad".


    Da lag es nahe, einfach mal zum Vergleich die Eigenbewegungen aus dem Bildmaterial zu berechnen. Die Überlagerung der Bilder von 1953 und 2019 vergrößert auf 400 % sieht so aus:



    Der Doppelstern befindet sich in der Ecke links unten.


    In der folgenden Tabelle sind die Katalogwerte dargestellt mit Berechnung der Verschiebung in 66 Jahren (14,4 bzw. 14,2 ") sowie die gemessenen Werte (14,7 und 14,4"). Das könnte man noch um eine Fehlerwertbetrachtung ergänzen, aber die Übereinstimmung ist erstaunlich gut:




    Gruß Lars

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