Backnanger Sterngucker in Chile

  • Backnanger Sterngucker bei der totalen Sonnenfinsternis in Chile und anschließendes Spechteln in der Atacamawüste.



    Der besondere Reiz zu dieser Sonnenfinsternis zu reisen bestand darin,
    neben den guten Wettervorhersagen zur Finsternis ein mir bisher unbekanntes Land kennen zulernen
    und die klare Sternennächte in der Atacamawüste zu erleben.



    Um nicht ohne Sehhilfe dort anzukommen habe ich Dieter Martini gebeten,
    für mich einen Reisedobson für meine bereits vorhandene 8“ F 5.7 Optik herzustellen.
    Eine Überschwemmung meiner Kellerwerkstatt während dieses Winters ließ keine Zeit für einen Selbstbau.
    Ich habe das von Dieter sehr schnell gelieferte Teleskop nach meinen Erfordernissen angepasst
    und mit der passenden Färbung versehen.



    Das Handgepäck für die Reise nach Chile.



    Mein schnuggeligger 8" F 5.7 Martini Reisedobson mit excellenter Optik.


    Wir buchten bereits ein Jahr zuvor bei South America Classic Tours eine 12 Tage dauernde Reise
    zu dieser Sonnenfinsternis nach Santiago mit Transit zum Beobachtungsort La Hiquera und zurück,
    und anschließendem Flug nach Calama und mehrtägigem Aufenthalt im Wüstenort San Pedro de Atacama.
    Insgesamt dauerte unser Aufenthalt in Chile 10 Tage.
    Der Aufenthalt in Hotels einfacher Kategorie und Flug nach Santiago über Amsterdam half die Reisekosten zu begrenzen.
    Alle Unterkünfte waren sauber und es musste niemand darben. :)


    Im Gegenteil: Besuche der Markthalle von Santiago und deren Lokalitäten waren für kulinarische Genüsse gut,
    nur musste man wissen dass dort bereits um 18 Uhr geschlossen wird.




    Außer Stadterkundungen in Santiago wurden Valparaiso und Vina del Mar per Kleinbus besucht.









    Am Tag der Finsternis wurden wir, ein Gruppe von 12 Personen morgens um 1Uhr per Kleinbus abgeholt.
    Bereits um 5 Uhr 30 erreichten wir das 470km entfernte La Serena um den vorhergesagtem Ansturm von mehreren 100.000 Besuchern zuvor zukommen.
    Dort übernahm uns ein lokaler Reiseveranstalter
    für die Weiterfahrt nach La Hiquera, einem Ort in der Mitte der Zentrallinie.


    La Hiquera wurde bereits am frühen Morgen von vielen Besuchern belagert.
    Auf der Fahrt zu unserem Beobachtungsgelände begegneten wir kilometerlangen Kolonnen von geparkten Autos.



    Wir wurden mittendrin zu einem reservierten Platz gefahren und mit heißem Kaffee und Sandwiches begrüßt.
    Stühle und Sonnenschirme sorgten für Komfort vor Ort.
    Fotografen und Beobachter hatten mehr als ausreichend Zeit in Ruhe das mitgebrachte Equipment aufzubauen und auszurichten.
    Mit Spannung wurde die totale Finsternis erwartet.




    Nur im Süden wurde mit etwas Sorge eine kleine Wolkenbank gesichtet, welche aber brav weit unten am Horizont geblieben ist.


    UV Strahlung bei besten Wetterbedingungen sorgten für rötliche Färbung auf ungeschützten Hautpartien
    und Köpfen der Besucher aus nördlichen Gefilden.




    Kurze Zeit vor dem ersten Kontakt erfreute die heftige Staubwolke eines landenden Helikopters zahlreiche Anwesende auf dem Platz.
    Es war der Besuch des chilenischen Präsidenten in La Hiquera, welcher für die Schlagzeile des Tages in chilenischen Medien sorgte.
    Vom verursachten Staubsturm bei seiner Landung und etwa 90 Minuten später beim Abflug wurde nicht berichtet.


    Zahlreiche chilenische Jugendliche zeigten große Freude als wir Ihnen während der Partiellen Phasen
    halfen durch das Okular unserer Dobsons die Sonne mit Ihren Handys aufzunehmen.



    Die gut 2 Minuten Beobachtungszeit am Okular während der Totalität gehörten aber nur uns und wenigen Freunden.


    Es waren in meinem Reisedobson zahlreiche feine Linien der Korona und insgesamt 5 Protuberanzen zu sehen.


    Trotz der knappen Zeit konnte ich dem Versuch eines Schnappschusses mit dem Smartphone nicht widerstehen.


    Nach weniger als 1 gefühlten Minute fand bereits der dritte Kontakt statt und das Folienfilter wurde wieder aufgesetzt.


    Gegen 19 Uhr begann unsere 500 Kilometer lange Rückreise durch endlose Staus auf der E5, der einzigen Fernstrasse nach Santiago.
    Diese war erst um 9Uhr30 am darauf folgenden Morgen ziemlich knapp vor der Weiterreise in die Atacamwüste zu Ende.


    Schon bereits eine Stunde später holte uns derselbe Fahrer wieder zum Transit nach dem Flughafen von Santiago ab.



    Wir flogen nach Calama und wurden danach wie die Sardinen in der Dose mit einem Kleinbus nach San Pedro de Atacama chauffiert.


    In San Pedro konnte ich kurze Zeit später meinen bereits gebuchten Mietwagen in Empfang nehmen.
    Dieser war der Schlüssel zu nächtlichen Beobachtungen des Sternenhimmels außerhalb des beleuchteten San Pedro.


    Am ersten Abend in San Pedro wurde ab 22 Uhr 40 ein Beobachtungsabend angeboten,
    den ich nach 45 Stunden Reisezeit nicht mehr wahrgenommen habe.


    Die trotzdem erstaunlich zahlreichen Mitwirkenden berichteten von einen wunderbarem Sternenhimmel mit Milchstraßen -Zentrum im Zenith,
    einer Streulichtglocke von San Pedro und einem rührig bemühtem Guide an einem sehr dejustierten 16“ Lightbridge Dobson.
    Nicht ein Wolkenstreifen auf einem im Zenith stehenden Jupiter konnte gesehen werden.



    Diese Übung meisterte mein 8“ Reisedobson mit seiner nach meinem Ermessen sehr guter Optik
    am darauf folgenden Abend ohne Einschränkung.
    Bei maximaler Vergrößerung von 190-fach stand das Bild im Okular und es erfreuten uns am GRF,
    ein scharfer Schattenwurf von einem Mond-Transit,und zahlreiche dunkle und helle Details in beiden Wolkengürteln.
    Leider hatte ich nicht „mehr dabei“.
    Meine Okular- Auswahl war auf je ein Exemplar mit 30mm, 12.5mm und 6.5mm Brennweite begrenzt.


    Zugunsten des zulässigen Gepäckgewichts blieb die eine oder andere Unterbüx, sowie der Rasierapparat zu Hause,
    um vollständige Ausrüstung inklusive Deep Sky Reiseatlas für die nächtliche Beobachtung und warme Kleidung mitnehmen zu können.
    Die Nachttemperaturen in der winterlichen Atacamawüste waren sehr knapp über Null, gefühlt nach Stunden weit darunter.



    Bei großem Interesse unserer Gruppe stellte ich bis zu 3 mal am Abend für meine Mitreisenden
    einen Transfer mit unserem 5 Sitzigen Pickup von San Pedro zum Spechtelplatz in der Wüste zur Verfügung.
    Mein Sternfreund Micha hat ein paar Fahrten davon übernommen.
    Geliehene Möbel aus dem Wüstenhotel "Don Raul" erhöhten den Komfort im Outback.[:D]


    Die Auswahl von Beobachtungsobjekten hielt sich an das schöne Buch von Dieter Willasch „ Die Perlen des Südhimmels“
    und wir haben nur wenige davon ausgelassen.


    Zu Beginn gab es bei Allen Beobachtern Orientierungsschwierigkeiten durch verkehrt am Himmel befindliche bekannte Sternbilder.


    Aber auch die bisher unbekannten Himmelsregionen wurden durchstöbert.
    Höhepunkt an beiden Beobachtungsabenden war der Anblick von Eta Carina im 2° grossen Gesichtsfeld meines Reisedobsons.
    Die Sehhilfe mit UHC Filter versehen hat es fast eine Daämpfung gebraucht, so strahlend hell und schön stand dieser Nebel da.

    Ein hochstehender Helixnebel war in unbekannter Pracht leicht aufzufinden.

    Die nahezu feldfüllende Galaxie NGC 55 entzückte bei 90 facher Vergrösserung die Beobachter genauso wie Omega Zentauri,
    das Schmuckkästchen, der Kohlensack und viele andere Deep Sky Objekte des Süddhimmels.


    Ein besonderes Erlebnis war für mich die einfache Sichtung des „Katzenpfotennebels“
    im Skorpion mit Hilfe des UHC Filters.


    Fast alle der 70 Objekte in meiner Liste wurden aufgesucht.

    Leider nicht möglich war der „Tarantelnebel“ in einer ungünstig weit am Horizont stehender LMC.


    In der besser präsenten SMC konnte ich schön einzelne Objekte wie Kugelsternhaufen und neblige Objekte ausmachen.
    Daneben befand sich der auffällig helle Kugelsternhaufen 47 Tucan.


    Auch die schöne Galaxie M83 wurde bereits am frühen Abend mit im 8“aufgesucht
    und wir haben schön sichtbarer Spriralstruktur sehen können.


    Ergänzt wurde die Ausrüstung durch mein 8x40 Fernglas mit 9,5° Feld und dem "Gucki" mit 2,3 facher Vergrösserung.
    Damit machte es große Freude durch die Milchstrasse zu surfen.


    Alles in allem begeisternde Spechtelerlebnisse die nur ab und zu durch vorbeikommende Fahrzeuge gestört wurden.
    Etwas mehr und öfter am ersten Abend südlich von San Pedro.


    Wir hatten das Aufkommen von Fahrzeugen in der Nacht zwischen Calama und der Strasse zur Grenze nach Argentinien unterschätzt.


    Ein besser gelegener Platz im Naturschutzgelände konnte wegen nächtlicher Sperrung mit einer Schranke leider nicht aufgesucht werden.


    Am Folgeabend suchten wir einen besser gelegenen Platz an der Strasse nördlich von San Pedro
    in Richtung Tatio Geysiere auf.




    Die Geysiere von Tatio auf 4300m ü.NN wurden an unserem letzten Tag in der Atacamawüste vor Sonnenaufgang aufgesucht.


    Anscheinend haben wir Stathis dort oben knapp verfehlt.


    Am darauffolgenden Montag, den 8.7 begann unsere lange Heimreise zurück ins Schwabenländle.


    Am 10.7. nachmittags bin ich müde aber glücklich vom Erlebnis dieser tollen Reise zu Hause angekommen
    [8D]

  • Hallo miteinander,


    nachdem Gerd bereits vom allgemeinen Teil der Reise und den visuellen Eindrücken bei Nacht berichtete, möchte ich noch einen kleinen Teil Sonnenfinsternis nachliefern. Aufgenommen mit Canon EOS, 200mm bei Blende 7,1 plus Kenko 1,4fach Konverter seht ihr hier den fetten Klunker des 2. Kontaktes und am Ende den etwas dezenteren des dritten Kontaktes. Dazwischen ein HDR aus einer Belichtungsreihe mit drei Aufnahmen


    In Wirklichkeit hatte ich mehr Aufnahmen für die Belichtungsreihe erstellt, aber nach Sichtung der Ergebnisse nur drei passende übrig gelassen. Das hielt die Handarbeit beim Ausrichten der Einzelbilder in für Hobbyfotografen erträglichen Grenzen. Außerdem verschwindet die schöne Protuberanz auf ca. 2:00 Uhr nicht in der Überbelichtung.


    Alle drei Aufnahmen wurden auf die hier geforderten 800 px Breite reduziert.





    Gruß Micha von den Backnangern

  • Hallo Gerd und Micha,


    huiiii ... ein sehr feiner Bericht gespickt mit tollen Fotos. [:p] Vielen Dank für‘s Mitnehmen auf eure tolle SoFi-Reise. [:)]


    Gruß und klaren Himmel
    Heiko

  • Hallo Gerd,


    Vielen Dank für die Impressionen aus der Neuen Welt, eine tolle Reise! Wenn alles klappt, wie geplant, dann kann ich mir die nächste Sofi auf der anderen Seite der Grenze dort anschauen [:)]


    Aber: habe ich das richtig verstanden, Du hast Deinen Gitterrohrdobson für die Sonnenbeobachtung verwendet? Kannst Du mal schildern, wie Du den Kleinen dafür präpariert hast und wie kontrastreich die Abbildung dann war? Das würde mich brennend interessieren!


    Viele Grüße
    Andreas

  • Hallo Andreas,



    Hier kannst Du meinen 8er neben dem 12er vom Dieter in Chile sehen.


    Die Tuben wurden mit einer Rettungsfolie aus der Apotheke und Panzerband ziemlich gut lichtdicht gemacht.
    Wichtg ist, dass seitlich kein Sonnenlicht eindringen kann!
    Die Eintrittsöffnung mit einer Holzfassung und Filterfolie von Baader versehen.
    Der Kontrast ist nicht so gut wie in einer geschlossenen Röhre,
    aber brauchbar- weisse Sonne auf fast schwarzem Himmel.

  • Hallo Gerd,


    Das hört sich vielversprechend an. Ich überlege noch, ob ich nächstes Jahr tatsächlich den 12" Reisedobby mitnehme oder doch etwas anderes. Mal sehen, aber gut zu wissen, dass Rettungsfolie tatsächlich brauchbar ist.


    Viele Grüße
    Andreas

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