Kronos 20x60 Reparatur

  • Hallo Kollegen,
    ich habe soeben für ganz kleines Geld ein älteres Kronos Fernglas 20x60 #1041;#1055;#1062; erworben, wusste auch beim Kauf, dass es defekt ist, es war dejustiert und die linke Objektivlinse klapperte lose herum. Nach der Demontage stellt sich heraus, dass der Exzenterring aus Aluminium, der um die Linsenfassung sitzt und für due Justierung verantwortlich ist, von einem Pfuscher vermurkst worden ist, er ist nur noch gut halb vorhanden, weswegen auch die Linse nicht fest sitzt. Nun meine Frage, ob und wenn ja wo man wohl einen Ersatz-Exzenterring bekommen kann. Ich könnte mir zwar seine Maße von der anderen Seite abnehmen und etwas irgenwie Passendes nachbasteln, aber so eine schräge Bastellösung wäre mir doch nicht recht. Hat jemand hierzu eine Idee für eine Bezugsquelle? Dafür wäre ich wirklich sehr dankbar. Oder hat jemand von Euch vielleicht ein schrottiges älteres Kronos / Tento 20x60, von welchem er ein Ersatzteil entbehren könnte?
    Liebe Grüße - Thomas

  • Mein Abenteuer mit dem Kronos 20x60


    Wenn ich das alles vorher gewusst hätte . . .


    Aber von vorne. Im November 2018 fand ich ein Kronos 20x60 für € 60 inkl. Versandkosten bei ibäh, es war jedoch bei mir in der Nähe und so fuhr ich hin, um es zu kaufen. Schon beim ersten Anfassen hörte ich ein leichtes klappern, irgendetwas war lose. Beim Durchschauen fand ich ein krasses Doppelbild vor, also von Kollimation keine Spur. Auch konnte ich nicht beide Seiten gleichzeitig scharf stellen, der Dioptrien-Verstellbereich des rechten Okulars reichte nicht aus. Also war das Glas eigentlich Schrott, vermurkst, ein Fall für die Tonne oder höchstens für das Ersatzteillager. Trotzdem, irgendwie reizte mich das realsozialistische Großglas, und ich kaufte es dann für € 35, immer noch viel zu viel, aber wie gesagt, irgendwie sprach es mich an und forderte mich heraus. Wenn ich nur geahnt hätte . . .
    Zu Hause auf meiner Werkbank kommt dann Stück für Stück das Gesamtdesaster zum Vorschein.
    Erste Auffälligkeit: Auch wenn es von den Dimensionen und den optischen Werten gleich zu sein scheint, hat das linke Okular eine andere Vergütung als das rechte, und das nicht nur im kleinen Bereich einer Serienstreuung, sondern es ist eher blass pinkfarben und reflektiert etwas mehr als das rechte, das eher tiefblau ist. Die Okulare gehören also schon mal nicht zusammen, sie sind zumindest von verschiedenen Baujahren.
    Zweite Überraschung: Was da klappert, ist nicht etwa ein loses Prisma, sondern das rechte Objektiv, das locker im Objektivtubus herumschlackert. Warum dies? Weil der Exzenterring, mit dem man die Kollimation einstellen kann, nur noch im halben Umfang vorhanden ist, den Rest hat jemand halb angesägt, dann abgebrochen und die eine Hälfte offenbar weggeworfen. Und das nicht ohne Grund, und der ist schon nur noch mit Kopfschütteln zu quittieren: Das Objektiv gehört gar nicht zum dem Glas, denn auch wenn es von der Vergütung und den optischen Werten her mit dem linken gleich zu sein scheint, es hat eine andere Metallfassung, der in die Fassung integrierte Exzenter sitzt etwa 3,2 mm höher als der vom rechten Objektiv, und somit sitzt es um diesen Betrag zu tief in seinem Tubus, wo man es nun auch nicht mehr befestigen kann. Das war dann der Moment, wo ich an die Wiedereinführung der Todesstrafe dachte. Wie kann man bloß so wirr, dilettantisch und grauenhaft rummurksen! Außerdem ist die Bördelung der Metallfassung um die untere Linse herum nicht ganz fest, das kann ich sehr vorsichtig, aber doch recht schnell beheben. Aber das Hauptproblem: Gibt es für die Maßdifferenz eine Lösung? Eine Drehbank habe ich nicht, neue Ringe anfertigen geht nicht. Aber nach längerem Überlegen und Herumsuchen in meiner Sammlung überflüssiger Teile finde ich einen genau 3,2 mm dicken Stahldraht, den ich um eine Form genau rund biege, passend ablänge, um ihn dann mit etwas Vorspannung in den Tubus zu schieben, wo er auf der Auflagefläche der Objektivfassung aufliegend leicht in die dort eingestochene Nut einrastet. Jetzt passt allerdings die Objektivfassung nicht mehr hinein, weil der Innendurchmesser mit dem neuen Reduzierring zu klein ist, und so schleife ich den Drahtring innen ringsum so weit herunter, bis das Objektiv gerade eben hinein passt. Der halbe Rest des losen Exzenterrings wird nicht mehr eingebaut, der jetzt wieder eingeschraubte Gewindering hält jetzt das Objektiv fest im Tubus. Es sitzt jetzt stramm und zentriert darin und daher kann hier natürlich nicht mehr per Exzenter die Kollimation eingestellt werden, das geht also nur noch auf der anderen Seite. Jetzt kommt die erste positive Überraschung: Beim ersten Durchschauen sehe ich . . . kein Doppelbild mehr. Die Kollimation ist auf Anhieb und offenbar viel Glück weitgehend ok. Puuh.
    Also weiter im Abenteuer, zum Verstellbereich der Zentralfokussierung: Der reicht nicht aus, auf Unendlich geht das Glas gerade nicht mehr scharf zu stellen. Um es kurz zu machen, nachdem die ganze Mechanik ausgebaut, gereinigt und gefettet ist, kann ich sie mit viel probieren so weit bringen, dass der Verstellbereich dann doch deutlich über Unendlich hinaus reicht.
    Nun zum Verstellbereich des Dioptrienausgleichs im rechten Okular. Hier kann ich das Okular gerade so weit herausdrehen, dass es so eben für meine Augen reicht. Woran das liegt, ist mir lange nicht klar. Darauf gekommen bin ich erst beim zum Vergleichen der beiden aus den Fassungen herausgebauten Okulare, da habe ich festgestellt: Unter dem linken Okular sitzt ein Gummi-O-Ring! Ergebnis: Es sitzt viel zu hoch in seiner Fassung. Eventuell war das ein vergeblicher Versuch, die falsche Stellung des zu tief im Tubus sitzenden Objektivs auszugleichen. Aber wie auch immer, weg mit dem Gummiring, und nach dem Zusammenbau war dann der Dioptrien-Verstellbereich wieder wie er sollte. Wieder kommen in mir Phantasien von grausamen und qualvollen Todesarten für Ignoranten, Murkser und Pfuscher hoch.
    Jetzt zum letzten Knüller: Zur Inspektion und Reinigung des Gehäuseinneren habe ich nach Demontage der Okulartuben auch die oberen Blechabdeckungen entfernt. Außen darauf hatte ich schon vorher Nietköpfe gesehen, also keine Schrauben, sondern glatte Köpfe ohne Kreuz- oder Längsschlitze. Nun sehe ich innen, dass gar keine Gegenlöcher im Gehäuse vorhanden sind, und „folgerichtig“ hat unser Stümper die Nietstifte innen so ziemlich weggeschliffen, aber nicht genug, denn die Abdeckbleche liegen schief auf den Gehäuse, die Stiftreste innen drücken es an den Außenseiten hoch. Allerdings sind im Gehäuseinneren angegossene Ausbuchtungen für Gewinde vorhanden. Also bohre ich die Nieten komplett aus den Blechen heraus, bohre 2,4 mm Löcher ins Gehäuse und schneide M3-Gewinde hinein. So kann ich die Abdeckbleche nach der Montage richtig mit kleinen Schräubchen festschrauben. Also der dritte Beweis, dass hier nicht zusammengehörige Teile zusammengehudelt worden sind.
    Zum Abschluss wird noch ein wenig an den Exzenterringen des linken Objektivs gedreht, und so steht das Kronos nun wieder in neuem Glanz da: Gut kollimiert, alles (bis auf den äußerlich nicht sichtbaren improvisierten Festsitz des rechten Objektivs) sitzt und passt richtig zusammen, die Mechanik geht leicht, wenn auch mit leichtem Spiel in der Zentralfokussierung, und nach prüfenden Blicken auf das weit entfernte teils erleuchtete Hochhaus und auch mal auf die hellen Straßenlaternen und ins dunklere Wohngebiet (es ist gerade abendlich dunkel) sieht alles richtig gut aus, auch die verschiedenen Okularvergütungen sind so nicht wahrnehmbar.
    Na also, nach bestimmt 15 Stunden prüfen, analysieren, Lösung finden, bohren, schleifen, schrauben und putzen steht dem ersten Blick zu den Sternen steht nur noch der graue Himmel im Weg.
    Fazit: Ich habe jetzt in gutes Großglas und sehr viel gelernt.


    LG - Thomas

  • Hallo Thomas,


    ließt sich für mich so als hättest Du einen alten, zerbomten 2. Weltkriegpanzer wieder zum fahren gebracht.
    Ich glaub Dir ging es mehr ums basteln, 15 Std. geschraube hätte ich mir nicht angetan, bei mir wäre das Glas in die Tonne gelandet.
    Ich habe hier auch noch ein paar zersägte Gläser, haste Lust?


    Andreas

  • Hallo Andreas,


    na ja, das Basteln hat tatsächlich Spaß gemacht, ich habe ja auch tagsüber genug Zeit als Teil-Rentner. Und wenn Du mich so fragst, also Lust hätte ich schon, nicht unbedingt jetzt sofort, aber demnächst mal wieder . . . also wenn Du wirklich etwas los werden willst, wäre ich schon die richtige Adresse. Was wäre denn so in der Schrottkiste? Und wie könnte ich ggf. drankommen?


    LG - Thomas

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Minzeblatt</i>
    <br /> Was wäre denn so in der Schrottkiste? Und wie könnte ich ggf. drankommen?


    LG - Thomas
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ich habe hier noch zwei defekte 15x70 Chinagläser, die hab ich echt kaputtrepariert![:D]Eigentlich wirklich für die Tonne!
    Dann habe ich noch so'n 8x30 in der Kiste liegen, da ist "nur" irgendwas mit dem Okular.
    Müsste mal schauen was ich noch so finde allerdings würde ich Dich ungern als "Müllschlucker" missbrauchen!
    Ob an den Teilen noch was zu holen ist?


    Übrigens war die Reparatur des Tento sicherlich nicht nur Bastelspaß sondern auch eine Herausforderung für Dich das wieder hinzukriegen, dazu meinen Respekt!
    Ein kleiner Widerstand gegen die Wegwerfgesellschaft und das Glas ist jetzt brauchbar.


    Tja, wie bekommste das Geraffel?
    Wenn Du nicht zufällig in der Nähe Bielefeld wohnst dann wohl Versand, ansonsten gibt es noch Kaffee und Kuchen, einen kleinen Schnack inbegriffen.
    Ich schaue aber nochmal ob ich Dir meinen Müll wirklich zumuten soll, dass 8x30 ginge wohl noch die Chinakracher sind schon ziemlich schrottig.
    Muß ja nicht sofort sein, ich bewahre es für Dich auf.[:)]


    Andreas


    P.S. Bring Dein Klavier mit dann können wir ein bisschen Muke machen...[;)]

  • Hallo Thomas,
    glaub Andreas kein Wort...Bielefeld gibts nicht...und seine Ferngläser sind nicht nur an sondern durchgesägt...ganz tief duck und wäch...[:D][:D]

  • (==&gt;) Andreas:
    "Übrigens war die Reparatur des Tento sicherlich nicht nur Bastelspaß sondern auch eine Herausforderung für Dich das wieder hinzukriegen, dazu meinen Respekt!
    Ein kleiner Widerstand gegen die Wegwerfgesellschaft und das Glas ist jetzt brauchbar."
    Meine Motivation hast Du da sehr richtig beschrieben.
    Aber was das Klavierspielen angeht, ich spiele lieber Orgel, und da können wir ja die aus der Kirche am Bielefelder Marktplatz (siehe Dein link) nehmen ;)

  • Hallo Thomas,
    Glückwunsch und höchsten Respekt für deine Wiederbelebung des Tento bzw. Kronos 20x60!
    Ich benutze ein solches Tento seit 1996 und kann etwas mitreden. Auf Stativ ist es ein schönes Glas mit etwas engem Einblick, aber exzellenter Mittenschaerfe (es erinnert mit der ganzen Haptik an die grossen Zeiss Jena 7, 10 und 15x50.
    Ich habe schon einige dieser Tento 20x60 in der Hand gehabt, die unterschiedliche Vergütungen sowohl auf Objektiven als auch Okularen aufwiesen (habe ich uebrigens auch schon an einem chin. 15x70 von TS gesehen) Ist nur ein kosmetisches Problem.
    Ein Vergleich mit einem solchen habe ich mal an M 81/82 angestellt.
    Ergebnis: im 20x60 ein abgedunkelt er Himmel mit klaren 82/82.
    Im 15x70 ausser der geringeren Vergrößerung natürlich ein helleres Bild (Austrittspupille!), aber durch den helleren Hintergrund 81/82 kontrastaermer. Ich ziehe in dem Fall unter leicht aufgehellten Himmel den 20x60 vor! In den Alpen wäre es vielleicht andersherum, aber da bin ich selten bis nie.
    Für Sonne und Mond bei Finsternissen ist er gut brauchbar, den Doppelstern gamma Ari (8") trennt er spielend.
    Also kein abfällig tituliertes russisches aus dem Ganzen geschnitztes Teil.
    Todesstrafe für Schlimmbastler ist etwas übertrieben, lebenslanges Optikverbot ohne Aussicht auf Bewährung reicht auch.
    Ich habe gerade einen als defekt bezeichneten Zeiss Jena 15x50 in Arbeit. Da kriegt man vom Kopfschuetteln Gehirnerschütterung!
    Viele Gruesse
    Andreas

  • Hi Andreas,


    "Todesstrafe für Schlimmbastler ist etwas übertrieben, lebenslanges Optikverbot ohne Aussicht auf Bewährung reicht auch." Ja klar, nicht das da was in den falschen Hals gerät, das war natürlich nicht wörtlich gemeint. Ich hatte übrigens dem Verkäufer (ich weiß natürlich nicht, ob er das selber war oder jemand anderes vor ihm) nach der Reparatur geschrieben, was mit dem Glas los war, und er hat sich vielmals entschuldigt, das sei ihm so nicht klar gewesen. Ich habe beschlossen, ihm das zu glauben.


    Gut's Nächtle - Thomas

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