Moin!
Draußen ist Sommer, es ist tags zu warm und nachts zu hell, also geht man besser in den Keller und baut Fernrohr...
Mittlerweile doch neugierig auf mehr Öffnung ershoppte ich neulich einen 10"-Newton mit Rohrschellen, befand den aber als zu moppelig, um parallaktisch montiert zu werden. Ausprobieren, wie es sich stabil dobst, wollte ich sowieso mal und um auch dem Refraktor-Dobson-Proporz zu entsprechen sollte der Newton also in eine Kiste.
Eher weniger in eine Rockerbox, denn mein Wörterbuch sagt rocken = schaukeln (und das soll es ja nun gerade nicht) und box = Schachtel (und das isses ja nun auch wirklich nicht geworden...) und so wurde es also eher ein Klops-on. Denn immer von der panischen Angst verfolgt, es könnte an der Konstruktion irgendwas schwingen oder gar auseinanderfallen ging es wieder einmal mit mir durch und ich versuchte mich als Hobbymetaller an Holz und tat so, als sei das Metall... Das Ergebnis ist dann auch entsprechend. Eine elegante Tischlerarbeit ist es nicht geworden, die eine oder andere Rotznase des Klebers hätte ich vielleicht breitwischen können, egal, zu spät.
Nach einem mich gruselnden Besuch im Baumarkt klebte ich also zuerst aus 18 mm starker Siebdruckplatte einen dreieckig-prismatischen Sockel zusammen, um das Teleskop damit auf eine angenehme Einblickhöhe zu bringen. Natürlich ist der Deckel mittig mit einer weiteren Lage Holz verstärkt...
Als Azimutlager dient ein Gleitlager, wie ich es schon lange mal ausprobieren wollte: die Ränder zweier Hantelscheiben mit breitem Rand wurden unter Verursachen einer fürchterlichen Sauerei sorgfältig haarlinealeben plangedreht und die Bohrungen wurden fein ausgedreht. In die eine Scheibe wurde ein 32mm-Zapfen aus vorvergütetem Stahl eingeschrumpft (zum Härten hatte ich keine Lust, jajaja, das ist Pfusch und wird sicherlich sofort einlaufen...), der mit seiner anderen Hälfte mit einer Lagerluft von etwa 0,02 mm in der Bohrung der zweiten Scheibe läuft und so die radiale Komponente der Kräfte aufnimmt. Der Zapfen trägt am einen Ende ein Gewinde M30*1 mit Mutter, um das Lager feinfühlig vorzuspannen, am anderen Ende eine axiale Bohrung mit Schmiernippel, um das Lager mit Mengen schmierigsten Schmierfetts versorgen zu können. Mit einer Handvoll M8-Gewinde läßt sich das Gebilde recht dekorativ an den Kisten festschrauben, erinnert dann ein wenig an die Flanschverbindungen in Chemieanlagen... Das Lager hat nun einen Außendurchmesser von 128 mm. Mit viel Kraft bekommt man die nicht vorgespannten Scheiben per Hand auseinander, schon die bloße Adhäsion der gut gefetteten (nicht vorgespannten) Scheiben aneinander scheint ein Kippeln ausreichend zu verhindern. Bloß schleppt man so dann allein für das Azimutlager runde 3 kg Material herum. Das ist aber in Bodennähe angeordnet und damit zumindest gut für den Schwerpunkt, denn an meinem bevorzugten Beobachtungsplatz ist es öfter ziemlich windig. Und es spart das Fitnessstudio...
Die Oberkiste aus 18 mm Siebdruckplatte hat einen mittig aufgedoppelten Boden und aufrecht aufgeklebte, den Boden weiter aussteifende Verstärkungsrippen, die mit den senkrechten Verstärkungsrippen zu jeweils einem U verklebt sind. Letztere sind innen mit den 18 mm-Seitenbrettern und außen mit 9 mm-Leichtgewichts-Deckplatten beplankt, so daß sich beidseitig Kästen ergeben (in denen man Schokolade und Atlanten und so ein Zeug verstauen kann). Die Frontplatte hat eine Stärke von lächerlichen 9 mm...
Die Aussparungen für die Höhenräder wurden grob vorgesägt und die Seitenbretter wurden dann als Paket auf die Fräsmaschine gespannt und mit einer Bohrstange im Ausdrehkopf ausgespindelt. Hab' keine Holzwerkzeuge, scharfe Werkzeuge für die Alubearbeitung gehen aber auch recht gut...
Die optisch viel zu kleinen 200 mm-Höhenräder sind deshalb so klein, weil mein Drehmaschinchen eine so geringe Spitzenhöhe hat - die Höhenräder habe ich grob vorgesägt und auf einem Dorn gespannt auf gleichen Durchmesser überdreht, die Kanten mit Epoxidharz versiegelt und mit Kantenumleimer beheißluftföhnt. Als Lager dienen langweilig-klassisch je zwei auf passendes Maß abgestochene PTFE-Scheiben, die schwarzen POM-Scheiben stellen den Entgleisungsschutz dar. Die Höhenräder habe ich dann einfach mit 1/8"-Schrauben auf die Rohrschellen geschraubt. Sieht fipsig aus, tut aber erstaunlicherweise.
Verklebt und versiegelt wurde das ganze Gebilde mit insgesamt rund 300 g Epoxidharz, in mehren Sitzungen, alles immer schön nacheinander aufgebaut. Mit dem Harz habe ich auch die Kanten versiegelt. Sollte irgendjemand sowas nachbauen wollen: bei meinen Versuchen haftete das Harz nicht gut auf der Beschichtung, deshalb habe ich diese Beschichtung vor dem Verkleben an den Klebeflächen entfernt. Gleichfalls erwies es sich als günstig, die Stirnflächen zu Beginn einer Klebesitzung mir Harz zu tränken, da die Stirnflächen doch sehr stark saugen. Nach Abschluß der ganzen Verkleberei wurden die beiden Teile noch einmal im in der prallen Sommersonne geparkten Auto ausgebacken. Sollte dann halten. Hoffentlich.
Die Gesamtkiste ist wirklich etwas übergewichtig geraten. Wenn Opas 12 kg-Kofferwaage kapituliert, fängt das Monstrum aber immerhin schon mal an zu kippeln. Läßt sich aber noch schleppen. Der Tubus hat als Handgriff ein Stück einer Großschot umgewickelt bekommen, so kann man den einigermaßen komfortabel heben und tragen.
Das genüßliche first-light steht noch aus, probiert habe ich es aber immerhin schon dreimal an einem ziemlich wabernden Jupiter vom sommerlichen Südbalkon aus. Als Dobson-Unerfahrener läßt sich Jupiter bei etwa 270facher Vergrößerung aber tatsächlich bequem nachführen und erfreulich wackelarm beobachten, bei etwa 330fach muß ich noch etwas üben. Ein geringer, mich noch nicht störender slip-stick-Effekt des Azimutlagers ist definitiv zu erfühlen (vielleicht muß ich nochmal mit dem Schmierfett experimentieren...), trübt aber meine Beobachtungsfreude bisher nicht, denn die wird eindeutig durch die sehr angenehme Wackelarmut des Gesamtaufbaus und die doch sehr, sehr unkomplizierte Aufbauprozedur bestimmt.
Mal sehen, wie sich das Monstrum eines Nachts draußen auf dem Acker so macht. Ich werde berichten. So, nun grinst mal schön, denn nun gibt's auch noch ein paar Bilder...
Gesamtansicht Kiste
Ansicht Unterkiste und Azimutlager
Innenansicht Oberkiste und Aufsicht auf das Azimutlager
Höhenlager und Entgleisungsschutz
Gesamtansicht mit Tubus
noch eine Gesamtansicht mit Tubus
Viele Grüße von
Marcus