Stern mit Eigenbewegung im Großen Bären?

  • Bei der Inspektion meiner Aufnahme des Röntgendoppelsterns KV UMa bin ich auf einen Stern etwa 17. oder 18. Größe aufmerksam geworden, der eine Positionsverschiebung relativ zur Referenzaufnahme des DSS zweigt. Der Stern ist mit dem roten Pfeil markiert.



    Eine Überlagerung mit der DSS-Aufnahme zeigt konsequenterweise einen Doppelstern mit wenigen Bogensekunden Distanz:



    Dieser Effekt ist auch beim Vergleich der DSS-Aufnahme mit der späteren Panstarrs-Aufnahme des Gebietes um KV UMa zu sehen, wenn auch mit einem etwas anderen Positionswinkel. Die Sache werde ich wohl noch etwas genauer auswerten müssen. Im Gaia-Katalog habe ich an der Position keinen Stern mit großer Parallaxe gefunden. Mein UCAC4 Katalog reicht nur bis 16. Größe, daher ist mir die Bezeichnung des Sterns im Moment nicht bekannt.

  • Hallo Mark,


    danke für den Hinweis! Das sieht gut aus. So ein Online-Katalog ist eine feine Sache. Die Eigenbewegung von 0,2 Bogensekunden pro Jahr passt auch gut zu meiner Aufnahme.


    Gruß
    Thomas

  • Inzwischen konnte ich auch die Koordinaten des Sterns mit Astrometrica bestimmen:


    RA 11h17m58.48s
    DE +47d59m38.0s
    V=18.1m


    Eine Kriteriensuche in Simbad in der Region um KV Uma nach Sternen mit großer Eigenbewegung ergab folgende zwei Treffer:
    Suchabfrage: region(circle, 11 18 11 +48 02 13, 7m) && pm>100
    Treffer:
    NLTT 26908 RA: 11 17 58.798 DE: +47 59 39.44
    LSPM J1118+4805 RA: 11 18 19.57 DE: +48 05 13.7


    NLTT 26908 passt gut zu den gefundenen Koordinaten und der Helligkeit. Auch den zweiten Stern LSPM J1118+4805 konnte ich mittels Astrometrica am Rande des Bildfeldes identifizieren (SNR 8.2):
    RA 11h18m19.32s
    DE +48d05m12.3s
    V=20.2m


    Es ist erstaunlich, dass sich bei genauerem Hinsehen Sterne mit Eigenbewegung in den eigenen Aufnahmen relativ problemlos identifizieren lassen. Das war mir so bisher nicht bewusst.

  • Hallo Thomas,


    das ist ein interessantes Thema. Übrigens stammen die Bezeichnungen der beiden Sterne aus Katalogen, die explizit Sterne mit großer Eigenbewegung auflisten: Der ältere NLTT-Katalog (Leuyten, 1979) und der neuere LSPM-Katalog (Lepine, Shara 2005, 2008):


    NLTT:
    https://heasarc.gsfc.nasa.gov/W3Browse/all/nltt.html


    LSPM-North
    https://heasarc.gsfc.nasa.gov/W3Browse/all/lspmnorth.html


    Hier ist ein Artikel zu dem neueren LSPM-Katalog:
    http://adsbit.harvard.edu//ful…48...74L/0000074.000.html


    Danach enthält der NLTT-Katalog 58,845 Sterne mit Eigenbewegung > 0.18 arcsec/yr und der LSMP-Katalog über 122,000 Sterne mit Eigenbewegung > 0.18 arcsec/yr (der LSPM-Katalog enthält Sterne bis > 0.15 arcsec/yr und bis R = 19 mag).


    Es gibt auch kleinere Kataloge, z.B. ist hier eine Liste der 150 Sterne aus dem Hipparcos-Katalog mit der größten Eigenbewegung (alle davon größer als 1.19 arcsec/yr):


    https://www.cosmos.esa.int/web/hipparcos/sample-tables-2


    Viele Grüße
    Mark

  • Hier ist eine kleine Liste der hellsten Sterne (< 6 mag) mit Deklination > -20°, die eine große Eigenbewegung haben. Quelle ist die Liste aus dem Hipparcos-Katalog


    https://www.cosmos.esa.int/web/hipparcos/sample-tables-2


    <ul>
    <li>Alpha CMa (HIP 32349) [-1.44 mag] 1.34 arcsec/Jahr</li>
    <li>Alpha Boo (HIP 69673) [-0.05 mag] 2.28 arcsec/Jahr</li>
    <li>Alpha CMi (HIP 37279) [0.40 mag] 1.26 arcsec/Jahr</li>
    <li>Eta Cas (HIP 3821) [3.46 mag] 1.22 arcsec/Jahr </li>
    <li>Tau Cet (HIP 8102) [3.49 mag] 1.92 arcsec/Jahr </li>
    <li>Gamma Ser (HIP 78072) [3.85 mag] 1.32 arcsec/Jahr</li>
    <li>Iota Per (HIP 14632) [4.05 mag] 1.27 arcsec/Jahr</li>
    <li>Beta Com (HIP 64394) [4.23 mag] 1.19 arcsec/Jahr</li>
    <li>40 Eri (HIP 19849) [4.43 mag] 4.09 arcsec/Jahr</li>
    <li>Sigma Dra (HIP 96100) [4.67 mag] 1.84 arcsec/Jahr</li>
    <li>61 Vir (HIP 64924) [4.74 mag] 1.51 arcsec/Jahr</li>
    <li>Mu Cas (HIP 5336) [5.17 mag] 3.78 arcsec/Jahr</li>
    <li> 61 Cyg_A (HIP 104214) [5.20 mag] 5.28 arcsec/Jahr</li>
    <li> (Cas, HIP 114622) [5.57 mag] 2.10 arcsec/Jahr</li>
    <li> (Psc, HIP 3765) [5.74 mag] 1.37 arcsec/Jahr</li>
    <li> Gliese 105 (Cet, HIP 12114) [5.79 mag] 2.31 arcsec/Jahr</li>
    <li> 85 Peg (HIP 171) [5.80 mag] 1.20 arcsec/Jahr</li>
    </ul>


    Zum Vergleich: Der Stern mit der größten bekannten Eigenbewegung ist
    <ul>
    <li> Barnards Stern (HIP 87937) [9.54 mag] 10.4 arcsec/Jahr</li>
    </ul>
    Viele Grüße
    Mark

  • Hallo Mark,


    wenn bereits über 100000 solcher Sterne mit großer Eigenbewegung katalogisiert sind, müsste man ja auch öfters einen davon im Bildfeld haben, ganz gleich, was man gerade fotografiert. Es wäre nun praktisch, wenn man die Sternpositionen einer Aufnahme automatisiert ermitteln und bei Abweichung von den Katalogdaten anzeigen lassen könnte. Dies wäre bequemer als das doch recht aufwändige „blinken“ der Vergleichsaufnahmen. Wenn ich das recht verstanden habe, zeigen die Kataloge die Sternpositionen unter Berücksichtigung der Eigenbewegung an, d.h. ein Sternkatalog, der z.B. auf Aufnahmen aus dem Jahr 2010 basiert, müsste die 10 Jahre Eigenbewegung korrigieren, um auf den rückgerechneten Wert für das Jahr 2000 zu kommen. Umgekehrt müsste dann ja eine Sternposition, die man mit Astrometrica im aktuellen Jahr 2018 ermittelt um die 18 Jahre an Eigenbewegung von der Katalogposition abweichen, was eine ganze Menge darstellen kann.


    Gruß
    Thomas

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: HHausHH</i>
    <br />Der sehr schnelle Stern Arkturus mit seinen über 2 Bogensekunden pro Jahr steht laut Stellarium in rund 75000 Jahren nahe Spica, die sich kaum bewegt.


    Helmut
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das mag schon richtig sein. Allerdings geht es hier um den Vergleich von eigenen Aufnahmen mit aktuellen Sternkarten der Epoche 2000 und nicht um Sternkarten aus der Steinzeit oder der fernen Zukunft.

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: TomR</i>
    Das mag schon richtig sein. Allerdings geht es hier um den Vergleich von eigenen Aufnahmen mit aktuellen Sternkarten der Epoche 2000 und nicht um Sternkarten aus der Steinzeit oder der fernen Zukunft.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ich wollte doch damit eigentlich nur anregen mit eigenen Aufnahmen die Eigenbewegung festzustellen. Hier besitzen bestimmt viele noch alte Fotos mit Arkturus und Umgebung. Somit könnten sie heute mit einem neuen Bild die Eigenbewegung deutlich erkennen. Immerhin hat er sich ja in 25 Jahren rund eine Bogenminute weiterbewegt.


    Oder auf alten Bildern des Schwans, der wohl viel häufiger abgelichtet wird, könnte man die Position von 61 Cyg vergleichen. Der ist ja sogar doppelt so fix wie Arkturus.


    Gruß Helmut

  • Hallo Thomas,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: TomR</i>
    <br /> Es wäre nun praktisch, wenn man die Sternpositionen einer Aufnahme automatisiert ermitteln und bei Abweichung von den Katalogdaten anzeigen lassen könnte. Dies wäre bequemer als das doch recht aufwändige „blinken“ der Vergleichsaufnahmen.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Die Autoren des LSPM-Katalogs beschreiben in diesen Artikeln ihr Verfahren:


    http://iopscience.iop.org/article/10.1086/341783/fulltext/


    http://iopscience.iop.org/article/10.1086/376745/fulltext/


    Wenn ich das richtig verstehe, haben sie einen Algorithmus, der in den POSS-Aufnahmen automatisiert nach Kandidaten für Sterne mit großer Eigenbewegung sucht. Diese Kandidaten werden dann durch Blinken visuell verifiziert.


    Ich vermute, dass es auch Programme gibt, die automatisiert Sternpositionen in Aufnahmen bestimmen können (wobei man die meistens vorhandene Verzeichnung des Teleskops berücksichtigen müsste).


    Viele Grüße
    Mark

  • Hallo Mark,


    erneut danke für den Hinweis. Du scheinst Dich gut in dem Gebiet auszukennen. Hast Du beruflich damit zu tun?
    Das Verfahren von Lepine und Shara hört sich ziemlich aufwändig an. Die haben sich ihre eigene Auswertesoftware gebaut, einen Software-Blinkkomparator, der die POSS-Bilder miteinander vergleicht. Da steckt viel Arbeit dahinter und es lässt sich wohl nicht so ohne weiteres im Amateurbereich nutzen.
    Allerdings hat mich Astrometrica auf die Idee gebracht, ob deren Verfahren für die Planetoiden-Erkennung und Vermessung nicht auch für die Bestimmung der Eigenbewegung von Sternen taugen könnte. Es gibt in dem Programm zumindest eine Funktion „Image Catalog“, die alle erkannten Signale im Bild inkl. deren Koordinaten usw. ausgibt. Die angegebene Fehlertoleranz bei meiner Aufnahme liegt bei ca. 0,2 Bogensekunden. Wenn das stimmt, könnte man diese Koordinaten auch mit einem elektronischen Katalog abgleichen, um die Sterne mit Eigenbewegung zu ermitteln. Irgendwie scheint die Software jedoch automatisch eine Korrektur der Eigenbewegung bei erkannten Sternen durchzuführen. Da müsste man noch eine Möglichkeit finden, das abzuschalten oder eine andere „Plate-Solving“ Lösung verwenden.


    Gruß
    Thomas

  • Hallo Thomas,


    nein, beruflich habe ich damit nicht zu tun. Ich habe mich da auch erst eingelesen.


    Danke für den Hinweis mit Astrometrica, das Programm kannte ich nicht. Vermutlich haben die Profis ähnliche astrometrische Programme (wobei Astrometrica anscheinend auch zumindest semiprofessionell ist). Andererseits, wenn Programme für die Eigenbewegung von Sternen unter den Profis bekannt wären, fragt man sich, warum Lepine und Shara ihr eigenes Programm geschrieben haben. Das ist mir nicht klar.


    Viele Grüße
    Mark

  • Hallo Mark,


    die Arbeit von Levine und Shara ist aus dem Jahr 2002. Vielleicht hat es damals noch keine entsprechende Softwarelösung gegeben oder ihre Anforderungen an die Software waren zu speziell. Die Herausforderung lag bei ihnen wohl weniger im Bereich der Positionsbestimmung, sondern eher im möglichst gründlichen Erkennen von Unterschieden zwischen speziellen Aufnahmen (Plattenfehler, unterschiedliche Farbfilter und Grenzgröße etc.).
    Ich denke mal, dass die Bestimmung von Eigenbewegungen der Sterne selbst für die Astronomie ein exotisches Gebiet ist, das bisher weitgehend den Berufsastronomen vorbehalten war. Amateure haben hier meines Wissens bisher nur gelegentlich bei ausgewählten Schauobjekten mit sehr großer Eigenbewegung hereingeschnuppert. Dagegen gehört die Planetoidenvermessung und -entdeckung geradezu zum Mainstream und wird folglich auch besser durch Software unterstützt. Ich selbst bin ja ebenfalls nur zufällig auf das Thema gestoßen. Eigentlich wollte ich nur den Röntgenstern beobachten.


    Gruß
    Thomas

  • PS: Übrigens kann man sich in Astrometrica die Positionsverschiebung von Sternen mit Eigenbewegung über den Umweg der manuellen Suche nach Referenzsternen anzeigen lassen. Hierbei werden nämlich die Katalogpositionen der Sterne im Bildfeld mit roten Kreisen angezeigt. Wenn man also ein falsches Aufnahmedatum, z.B. das Jahr 1980, im Datei öffnen Dialog angibt, kann man der automatischen Eigenbewegung-Positionskorrektur des PPMXL-Katalogs ein Schnippchen schlagen. NLTT 26908 ist dann z.B. deutlich außerhalb seines Positionskreises zu sehen, während die anderen Referenzsterne innerhalb ihrer Kreise sind. Der CMC-15 Katalog hat zwar von Haus aus keine Positionskorrektur, geht aber leider nur bis zu 17 mag.


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