Historische Fernrohr-Lackierungen Farbtöne ?

  • Historische Fernrohr-Lackierungen Farbtöne ?


    Hallo Klassiker-Freunde – ich hatte das Thema schon einmal in einem anderen Beitrag angesprochen, möchte es hier aber gerne extrahieren, weil es sonst untergeht.


    Wie Ihr vielleicht wisst, mache ich gelegentlich und hobby-mäßig kleine Restaurierungsarbeiten .


    Hier stoße ich immer wieder auf das Problem, wie wohl die originalen Farbtöne aussahen. Das ist dann besonders schwierig, wenn man z.B. so wie ich jetzt aktuell, einen ca.70-80 Jahre alten Refraktor vor mir liegen habe, der mindestens 3 Vorbesitzer hatte und in seiner Lebenszeit mindestens 10x überlackiert ( eventuell einmal sogar völlig entlackt ) wurde.


    Die letzten Jahre wurde dann an dem OTA äusserst amateurhaft mit dem großen Pinsel rumgewitschert, es gibt etliche Tropfnasen und Blasen bzw. Schmutzeinschlüsse etc..
    Kurzum, es ist nicht mehr erkennbar, welche Farbe der Tubus ursprünglich einmal aufwies !


    Dazu hätte ich ein paar spezielle Fragen an die fachkundigen Historiker unter Euch – ich würde mich da auch ganz besonders freuen, wenn eine Koryphae wie Jürgen Kost dazu Tipps hätte. Wäre aber auch für jede andere hilfreiche Aussage dankbar, denn hier muss auch ich noch lernen.
    Oder gibt es evtl. sogar ein paar Links dazu ?


    1.) Gehen wir mal vom Zeitraum 1900 bis 1950 aus….
    a) Mit welchen Verfahren wurde überhaupt lackiert ( wurden Fernrohr-Tuben in den frühen Zeiten tatsächlich mit dem Pinsel lackiert, Rolle , Tauchlackierung ) ? Sprühlackierungen gab es wohl sicher erst später ?
    b) Wie waren die klassischen Farben ? So wie ich das sehe, wurden ja zu den Zeiten von den Herstellern oft eher creme/gelb-weisse Farbtöne benutzt, während man später dann oft zu einem reinweiss überging ( so wie es heute noch gängig ist )
    c) Gibt es ein paar klassische Farbtöne, die man zumindest annähernd heutigen RAL-Nummern zuordnen könnte ?
    d) Hat man bevorzugt in hochglanz lackiert, oder auch mal seidenmatt oder gar matt ?


    Ein lieber Bekannter von mir steht z.B. vor demselben Problem. Er ist an einen historischen 4" f/16 Refraktor mit Holztubus gekommen, den er gerne restaurieren bzw. wieder schön machen würde. Hier wurde der Tubus sicher nicht original im schönsten himmelblau lackiert !


    Vielen Dank und liebe Grüße, Michael


    Edit : zur besseren Lesbarkeit Absätze eingefügt und Rechtschreibkorrektur vorgenommen.

  • Hi!


    Was ich an alten Geräten kenne, steht vor allem auf der Heilbronner Sternwarte: https://www.sternwarte.org/ueberuns/ (etwas nach unten scrollen). Soweit ich das beurteilen kann, sind die Geräte nie umlackiert worden. Die meisten sind mattweiß (Tremel ca. 1930, Butenschön und Kosmos ca. 1950-65) oder in unbehandelter Bronze (Emil Busch, um 1910).


    Die Ausnahme in der Sammlung ist der kleine Refraktor von Merz, der ein Holzfurnier hat - keine Ahnung, ob das Original ist.


    Beste Grüße,
    Alex

  • Hallo Micha,


    ein richtig spannendes Thema schneidest Du da an -sehr schön!
    Hierzu gibt‘s sicher einige sehr kontroverse Meinungen, da freu ich mich schon auf eine rege Diskussion. Ich versuche mal auf deine einzelnen Punkte einzugehen.


    a) Mit welchen Verfahren wurde überhaupt lackiert (wurden Fernrohr-Tuben in den frühen Zeiten tatsächlich mit dem Pinsel lackiert, Rolle, Tauchlackierung)? Sprühlackierungen gab es wohl sicher erst später?


    ->
    Die schwarzen Oberflächen wurden zumeist mit Nitro- und Spirituslacken, selten auch sogenannte Japan- bzw. Chinalacke (giftig!) erzeugt. Diese Lacke waren sehr dünn und wurden entweder mit dem Pinsel verarbeitet oder gespritzt und anschließend eingebrannt. Ausgehärtet waren sie äußerst widerstandsfähig. Firmen wie zum Bsp. Zeiss oder Steinheil unterhielten hierfür eigenen Lackierereien. Um an diese Qualität unter Verwendung der originalen Lacke nur ansatzweise zu kommen ist viel Erfahrung nötig.


    b) Wie waren die klassischen Farben? So wie ich das sehe, wurden ja zu den Zeiten von den Her-stellern oft eher creme/gelb-weiße Farbtöne benutzt, während man später dann oft zu einem rein-weiß überging ( so wie es heute noch gängig ist )


    ->
    Die weißen Tuben setzten sich so langsam ab etwa 1920 durch. Die Farbtöne wechselten hierbei je nach dem was man eben hatte. Später gab es dann firmenspezifische Farbtöne (z.B. Zeiss) die aber schon vor den sogenannten RAL Tönen (ab Mitte der 1920 Jahre) gemischt wurden.


    c) Gibt es ein paar klassische Farbtöne, die man zumindest annähernd heutigen RAL-Nummern zu-ordnen könnte ?


    ->
    Hier musst Du einfach vergleichen – Besorge Dir einen Farbenfächer und such Dir das am bsten Passende aus


    d) Hat man bevorzugt in Hochglanz lackiert, oder auch mal seidenmatt oder gar matt?


    ->
    Die Nitrolacke glänzten am Anfang, wurden aber nach ein paar Jahren von alleine matt. Ich würde keine hochglänzenden Lacke für eine Restaurierung verwenden. Das Instrument sieht dann einfach viel zu neu aus.


    Noch etwas zu den hier schon häufig diskutierten „Zaponlacken“. Studiert man die alten Werkstattbücher so finden sich darin keine Hinweise auf die Verwendung von Zapon. Verwendet wurde tatsächlich in Alkohol gelöster und mit Blutwurzel eingefärbter Schellack. Diese Mixtur nannte man im Instrumentenbau „Firnis“


    Und jetzt noch ein echter Tipp - dieses Farbe gibt es sogar zu kaufen! -> http://www.kremer-pigmente.com/de/messinglack-von-1892-79622.html
    Über die Verwendung dieses Lackes und die Vorbereitung der Messingoberflächen böte sich fast ein eigener Beitrag an.


    Gruß in die Runde,
    Jürgen

  • ... und jetzt fallen mir noch die ganzen Struktur- , Schrumpf-, und Kräusellacke ein. Auch fast wieder ein Kapitel für sich. Ich stelle da die Tage mal eine Übersicht zusammen.


    Gruß in die Runde,
    Jürgen

  • Ich kenne von alten Holztuben um die Jahrhundertwende oft die o.g. "Schellack" Oberflächen. Das wieder hinzubekommen ist enorm schwierig. Schellack an sich ist schon eine sehr aufwendige Variante der Oberflächenbehandlung. Er wird mit feuchten Tuch, dass eine Mischung aus Schellack und Alkohol/Verdünner enthält in vielen, vielen Schichten (bis zu 20) aufpoliert (ggf. mit Bimssteinmehl abgerieben und wieder poliert) und härtet erst ganz langsam durch.
    Ich habe im Sommer mal wieder eine Kiste mir Schellack überzogen und das sind alles ebene Flächen. Ein langer, runder Tubus ist viel schwieriger.
    Es sei denn man will sich da wirklich reinschaffen, oder das Teil ist wirklich antik und wertvoll und hatte bereits eine Schellackoberfläche, würde ich auf modernere Holzlacke bei Holztuben gehen.

  • Hallo Jürgen, Andreas und Alex !


    Leider habe ich momentan viel Stress und kaum Zeit für den PC - das wird wohl auch morgen nicht anders sein. Ich schalte mich am Wochenende wieder hier ein, möchte mich aber wenigstens jetzt schon einmal recht herzlich bei Euch für eure fundierten Aussagen bedanken. Ich weiss eure Beiträge hoch zu schätzen ! Ganz lieben Dank !


    Michael


    Dir Jürgen, ganz besonderen Dank, für die Zeit und Mühe , um meine Fragen zu beantworten.


    Es wäre natürlich hochspannend, wenn Du hier oder auf deiner tollen Seite gelegentlich den einen oder anderen Artikel zu den o.a. Einzelthemen verfassen könntest !

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